Interview mit Dr. Roland Krieger
"Was nützt Innovation, wenn sie keiner bezahlen will oder kann?"
Dr. Roland Krieger ist als Vorstandsmitglied zuständig für Forschung und Entwicklung, Anwendungstechnik, Qualitätswesen, Produktssicherheit bei der Uzin Utz AG.
FussbodenTechnik: Bei Verlegewerkstoffen gibt es diverse Anbieter mit ähnlichen Produktpaletten, Was zeichnet die Uzin-Produkte aus?
Dr. Roland Krieger: Ich denke, Ihre Frage hat einen etwas breiteren Ansatz als nur den Vergleich einzelner Produkte. Uzin-Produkte sind nämlich nicht allein, sondern nur im Umfeld der gesamten Unternehmensaktivität der Uzin Utz AG zu sehen. Betrachtet man uns aus diesem Blickwinkel, dann sieht man schnell, dass es soviele vergleichbare Anbieter gar nicht gibt. Ergänzen sie die umfängliche Produktpalette von Uzin um die Parkettlacke von Pallmann und das Werkzeug- und Maschinenprogramm von Wolff, werden Sie nämlich mit mir feststellen, dass es eine komplettere Kompetenz in Sachen Fußbodentechnik kaum gibt. Wir decken mit unseren Produkten sämtliche Bodenbeläge, Parkett, Keramik und Naturstein komplett ab und haben erst kürzlich auch die Bodenbeschichtungen ins Portfolio mit aufgenommen.
Das alles betreuen wir technisch und kaufmännisch aus einer Hand. In Deutschland und in Europa und in den wichtigsten Ländern in Übersee. In dieser Komplett-Kompetenz unterscheiden wir uns sehr deutlich von allen anderen Anbietern. Und wir haben auch Erfolg in allen diesen Bereichen, ohne allzu einseitigen Schwerpunkt, an dem viele unserer Wettbewerber leiden. Über die anerkannte Qualität unserer Produkte, unserer ausgefeiltes Qualitätswesen einschließlich einer hervorragend ausgerüsteten Analytik will ich an dieser Stelle gar nicht reden. Wir wissen, dass wir in diesen Bereichen jedem anderen Anbieter überlegen sind.
FussbodenTechnik: Gibt es in der Entwicklungsarbeit Prioritäten hinsichtlich der unterschiedlichen Belagsarten?
Dr. Krieger: Wir setzen selbstverständlich bei allen unseren Entwicklungsarbeiten Prioritäten, die sich dem Marktumfeld entsprechend natürlich von Zeit zu Zeit ändern können. Eine seit geraumer Zeit unverändert hohe Priorität gehört den Textilbelagsklebstoffen, die allein schon ein weites Feld sind. Dann stehen z.Zt. besonders stark Parkettklebstoffe und Grundierungen in unserem Focus sowie einige interessante Projekte im Bereich der Dünnbettmörtel. Im Grunde sind es also weniger die Belagsarten, auf die wir uns im Augenblick konzentrieren, als vielmehr die innovative Weiterentwicklung und Ergänzung bestehender Sortimente. Polyolefinbeläge haben wir im Augenblick auf die Warteliste gesetzt, das Kleben von Laminat haben wir weitgehend abgeschrieben.
FussbodenTechnik: Wo geht die Entwicklung auf dem Klebstoffmarkt hin?
Dr. Krieger: Wenn ich das wüsste, würde ich Ihnen das hier nicht sagen. Wir müssen also beide etwas spekulieren. Wir sind überzeugt, dass Bodenbeläge auch hier in Deutschland in großem Umfang weiter geklebt, und nicht geklettet oder getackt werden.
Wenn es uns gelingt, mit lösemittel-, wasser- und vor allem auch geruchfreien Klebstoffen die Hauptprobleme beim Kleben noch besser als bisher in den Griff zu kriegen, werden wir auch dem leimfreien Klicken und Loselegen nicht noch weitere Anteile abgeben.
FussbodenTechnik: Wie ist die Situation bei der Parkettverlegung?
Dr. Krieger: Wir alle wissen, dass auch Parkett stagniert und neu verlegte Flächen zu über 40% aus schwimmend verlegtem 3-Schichtparkett bestehen. Die allgemeine Situation dürfte also eng sein wie überall. Unsere Position bei geklebtem Parkett, also Massivparkett und 2-Schichtparkett ist komfortabel, weil wir nicht nur über hervorragende Parkettklebstoffe verfügen, sondern auch über die Parkettlacke ein hervorragendes Entree in diesem Bereich haben. Parkett wird deshalb bei uns weiter scharf im Fokus bleiben.
FussbodenTechnik: Ein Blick in die Zukunft: Wird es weitere Steigerung von EC 1 geben?
Dr. Krieger: Im Augenblick sehe ich so etwas nicht, weil wir hier erst zwei Entwicklungen abwarten müssen, die zu EMICODE in gewissem Widerspruch stehen. Da ist zum einen der "Blaue Engel", der zwar so überflüssig ist wie ein Kropf, bei dem aber doch abgewartet werden sollte, ob ihn jemand verwenden wird. Wir wären nicht die erste Branche, die den "Blauen Engel" einfach ignoriert, weil er zu EC 1 nichts zusätzlich bringt, dafür aber zusätzlich kostet.
Zum anderen sind da Aktivitäten des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBT) in Berlin, das zur Zeit ein Projekt zur "Gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten" verfolgt. Diesem Projekt liegt das NIK-Konzept der Arbeitsgemeinschaft zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) zu Grunde, auf das ich hier im Detail nicht eingehen kann. Beide Entwicklungen, der "Blaue Engel" und das AgBB-Konzept haben sich die Erfahrungen und Methoden des EMICODE zu eigen gemacht. Sie satteln damit Produkte auf, die über EC 1 sehr gut überwacht sind, anstatt sich auf Produktgruppen zu verlegen, bei denen noch alles offen ist, Estriche, Putze und ähnliches. Über EC 1 werden wir dann wieder nachdenken, wenn fest steht, ob es noch Sinn macht.
FussbodenTechnik: Sie haben mal in in einem Interview mit FussbodenTechnik gesagt "Entscheidend ist, dass die Verlegewerkstoff-Produkte zu richtigen Zeitpunkt kommen." Für welche Produkte ist jetzt der richtige Zeitpunkt?
Dr. Krieger: Ich kann mich zwar nicht mehr an diesen sinnreichen Ausspruch erinnern, aber er stimmt in jedem Fall. Ein neu entwickeltes Produkt, das zu früh kommt, ist dabei fast noch schlechter, als eines das zu spät kommt. Gute Ideen könnne nämlich bereits dadurch kaputt gemacht werden, dass in einer Art Geltungssucht immer wieder unausgegorene Produkte auf den Markt geworfen werden. Prüfen Sie einmal die als besonders innovativ geltenden Firmen darauf hin, welche ihrer Neuheiten überhaupt aus den Startlöchern gekommen sind, und sie wissen, wieviel an sich gute Ideen schon kaputt gemacht worden sind.
Auch wir haben da nicht immer eine gute Figur gemacht, das gebe ich zu. Sehr oft hatten wir aber auch Erfolg. Zum Beispiel mit der Entkopplungsunterlage Multimoll, die kam genau zur richtigen Zeit. Oder unser 1-K-PU-Parkettklebstoff Mitte der 90er Jahre. Für welche Produkte ist jetzt der richtige Zeitpunkt? Da gilt grundsätzlich: für Produkte, die ein akutes Problem lösen. Eines der virulentesten Probleme ist nach wie vor das Geruchsproblem bei Textilbelägen. Ein anderes Problem ist der relativ hohe Preis von 1-K-Parkettklebstoffen, der die breitere Akzeptanz für diese Klebstoffe massiv behindert.
FussbodenTechnik: Was ist Ihre persönlich größte Herausforderung bezüglich neuer Produkte?
Dr. Krieger: Ich bin zwar kein Träumer, der an Klebstoffe glaubt, die auf Knopfdruck kleben und sich später auf Knopfdruck wieder lösen. Aber schön wäre es schon, etwas Derartiges zu machen, das so ähnlich wie der von uns vor 15 Jahren zum Patent angemeldete Mikrowellenklebstoff funktioniert. Eine Art Hotmelt-Klebstoff für Bodenbeläge also. Zur Zeit bin ich schon zufrieden, wenn es uns gelingt, einen völlig naturharz- und geruchfreien Textilbelagklebstoff zu machen, der nicht wesentlich mehr kostet als ein normaler, gebräuchlicher Klebstoff. Verbesserungen zu bringen, die dann das Doppelte und Dreifache kosten, mag schon innovativ sein.
Aber was nützt Innovation, wenn sie keiner bezahlen will oder kann?
aus
FussbodenTechnik 06/03
(Wirtschaft)