Sachverständigentreffen bei Mapei in Mailand
Moderne Analytik hilft bei rätselhaften Schadensfällen
Ein Sonderseminar des Arbeitskreises "Sachverständige" im Bundesverband Estrich und Belag (BEB) fand bei Mapei in Mailand statt. Der italienische Hersteller von chemischen Baustoffen hatte eingeladen und stellte sein Unternehmen am Rande der eigentlichen Veranstaltung vor. Die Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz - überwiegend Sachverständige und technisch orientierte Industrievertreter - interessierten sich besonders für die Labore. Grund: Mit moderner Analytik können Sachverständige auch schwierigen Problemen auf die Spur kommen.
Eine besondere Herausforderung für Sachverständige sind Schadensfälle, deren Ursache nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind: Dieter Altmann stellte einen größeren Schadensfall vor, bei dem moderne Analytik angewendet werden musste. Dabei wurde in teuren Funktionräumen ein Calciumsulfatfließestrich mit PVC-Belägen verlegt. Kurz vor der Fertigstellung stellte man einen Schaden fest: Der Bodenbelag haftete schlecht am Estrich und ließ sich einfach abschälen. Ratlosigkeit stellte sich ein, als diverse Gutachter zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen, es aber an nachvollziehbaren Erklärungen mangeln ließen.
Dieter Altmann präsentierte rätselhaften Schadensfall
Die Spurensuche begann: Augenscheinlich wurde der Estrich ordnungsgemäß eingebaut. Er wurde geschliffen, vorgestrichen, gespachtelt und dann geklebt. Dennoch konnte der Bodenbelag auf nahezu allen Flächen ohne Kraftaufwand abgeschält werden. Eine Reihe von Fragen mussten geklärt werden: Handelte es sich um einen Material- oder Verarbeitungsfehler? Wurde ein falscher Vorstrich oder eine falsche Spachtelmasse verwendet? Oder aber wurde zu viel oder zu wenig geschliffen bzw. nicht richtig abgesaugt?
Da sich die Mängelbeseitigungskosten auf mehrere 100.000 Euro beliefen, nahm der Schadensfall Existenz bedrohende Formen an. Als fünfter vom Gericht eingeschalteter Sachverständiger untersuchte Dieter Altmann den Estrich genauer: Durch diverse mineralogische Untersuchungen unter anderem mit einem Rasterelektronenmikroskop konnte in der Estrichoberfläche eine Calcitschicht nachgewiesen werden, die die Haftung beeinträchtigt hatte. Weitere Untersuchungen, z.B. eine Röntgenbeugung, bestätigten dieses Ergebnis. Demnach lag eine haftungsverhindernde Schicht vor, die bei normaler handwerksüblicher Prüfung durch den Bodenleger nicht erkannt werden konnte. Dieser spannende Schadensfall führte zu einer lebhaften Diskussion unter den Sachverständigen. Das Resümee der Teilnehmer lautete: Mit einer Probenfläche im System hätte man die nicht eindeutig erkennbare Schwachstelle aufdecken können.
Moderne Analytik bietet Hilfestellung
Der Diplom-Chemiker Ingo Niedner stellte die Ergebnisse von Untersuchungen an Calciumsulfatestrichen vor, die von einigen Teilnehmern speziell für dieses Sonderseminar in den Laboren von Mapei durchgeführt worden waren. Mehrere Male waren Teilnehmer nach Mailand geflogen, um Calciumsulfatestriche mit unterschiedlichen Grundierungen zu versehen. Der Obmann des BEB-Arbeitskreises Kunstharz freute sich besonders, dass es erneut zu einer lebhaften Diskussion der Teilnehmer kam.
Auch im folgenden Beitrag über "Möglichkeiten analytischer Untersuchungsmethoden zur Ermittlung von Schadensursachen und Schadensmechanismen" wurde die Bedeutung von moderner Analytik herausgearbeitet. Die Referentin Claudia Steiner, Mapei-Anwendungstechnikerin im Bereich Fliese/Naturstein, erläuterte unterschiedliche Prüfmethoden und Messprinzipien. Anhand von praktischen Beispielen stellte sie die Einsatzmöglichkeiten der Prüfgeräte vor. Dazu gehören:
- thermogravimetrische Untersuchungen
- IR-Spektroskopie
- Röntgenbeugung
- ICP-AES-Analyse
- Rasterelektronenmikroskopie (ESEM)
Die Referentin zeigte die Vorteile und Grenzen der einzelnen Prüfmethoden auf. Sie betonte, dass der bei der Anwendung moderner Analytik der Prüfer Fachmann sein müsse. Zudem sei es unerlässlich, dass er mit der Problemstellung vertraut sei.
Der Fachbeitrag von Walter Mauer, Leiter der Anwendungstechnik bei Mapei Deutschland, beschäftigte sich mit dem Verformungsverhalten von Natur- und Kunststeinen und deren Messung. Dabei stellte er Schadensmechanismen und deren Vermeidung vor. Das Verformungsverhalten dieser Materialien ist sehr unterschiedlich und abhängig vom Format und der Dicke der Platten. Bei Mapei wurden viele Versuche hierzu durchgeführt, um Aussagen über eine geeignete Verlegetechnik machen zu können. Im Einzelfall kann das Ergebnis sogar lauten: Nicht verlegbar.
Stand der europäischen Normung
Oliver Erning, Leiter des Instituts für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF), berichtete über den Weg und die Intention der europäischen Normung. Der Diplom-Physiker stellte die Anpassung an die Normenreihe DIN 18560 bzw. den Entwurf der DIN 18560, Stand April 2003, vor. Die Details wurden unter den Teilnehmern kontrovers diskutiert - dabei kam es auch zu einem Erfahrungsaustausch mit Österreich und der Schweiz.
Das Fazit des Sachverständigentreffens in Mailand fiel positiv aus: Den Teilnehmern wurde sehr beeindruckend vorgeführt, welche Gewicht die Forschung und Entwicklung bei Mapei einnehmen. Gelobt wurde die Bereitschaft, die vorgestellten Themen kontrovers zu diskutieren. Im Rahmenprogramm blieb auch noch Zeit für eine Besichtigung der Mailänder Innenstadt und die berühmten Kanäle von Navigli. Der Obmann des Arbeitskreises Sachverständige, Dieter Altmann, dankte besonders dem Leiter der Anwendungstechnik, Dr. Giorgio Roncan, aber auch Claudia Steiner und Walter Mauer für die gelungene Veranstaltung.
aus
FussbodenTechnik 04/03
(Wirtschaft)