Messebericht Bau 2003: München wird zunehmend zur Ausbaumesse
Unerwartet breites Angebot für den Objekteur
Mit einer anhaltend großen Besucherresonanz und einem erneut gestiegenen Anteil an Objekt-Entscheidern trotzte die diesjährige Baufachmesse in München allen Negativprognosen angesichts der Rezession in der heimischen Bauwirtschaft. Das Angebot hatte sich unübersehbar in Richtung des aufstrebenden Ausbau- und Sanierungsmarktes verlagert, was sich auch in einem neuen Rekord an Ausstellern aus der Fußbodenbranche niederschlug. Sie präsentierten vielfältige Neuheiten von Objektbelägen über Verlegewerkstoffe und Werkzeuge bis zu Estrich- und Industriebodensystemen. Das fußbodentechnische Fachhandwerk nutzte das erweiterte Angebot und bescherte dadurch den meisten Anbietern einen erfolgreichen Messeverlauf.
Generell kann man sagen, dass die Stimmung wohl besser war als die Lage", wird Knauf-Marketingleiter Jochen Wentzel im offiziellen Abschlussbericht zitiert und brachte damit das Phänomen "Bau München" auf den Punkt. Er sprach von einer "Super-Resonanz" auf Kundenseite, die wie bei den meisten Ausstellern offenbar weit über den ursprünglichen Erwartungen lag. Bereits zur Messe-Halbzeit am Mittwochabend äußerten sich viele Anbieter vor allem aus dem Ausbau-Bereich geradezu euphorisch über den Verlauf einer Veranstaltung, die angesichts der anhaltend tiefen Krise in der heimischen Bauwirtschaft eigentlich hätte zum Flop werden müssen.
Doch der bedrohliche, mit nahezu leeren Hallen völlig missglückte Messeauftakt am Montagvormittag erwies sich schließlich als rein wetterbedingtes Problem. Spätestens ab Dienstag begann die 15. Münchener Baufachmesse zu "brummen" und hörte bis Toreschluss nicht mehr damit auf. Das belegen auch die offiziellen Zahlen: Mit insgesamt rund 180.000 Besuchern verzeichnete man zwar ein leichtes Minus von 8 % gegenüber 2001, das angesichts der baukonjunkturellen Lage allerdings weit unter den Branchenbefürchtungen lag.
Hohe Besucherqualität bei zunehmender Internationalität
Die Besucherbefragung soll zudem ergeben haben, dass der Anteil der Entscheider von 85 auf 91 % weiter angestiegen ist. Ob man dem von Veranstalterseite genannten Fachbesucheranteil von 98 % nun glauben schenken mag oder nicht - alle von uns besuchten Aussteller bestätigten jedenfalls, dass kaum Endverbraucher auf der Messe waren. Dass man den Sonntag als klassischen "Häuslebauer-Tag" durch Vorverlegung der Messe in diesem Jahr gekippt hat, zeigt, dass man auf diese Zielgruppe auch keinen gesteigerten Wert legt. Die Bau ist damit nur noch auf dem Papier eine Publikumsmesse. Der Großteil der Besucher - so war zumindest unser Eindruck - kam aus dem verarbeitenden Handwerk.
Darüber hinaus ist die früher vielfach als "Regionalmesse" betitelte Veranstaltung deutlich internationaler geworden: In diesem Jahr wurden über 30.000 ausländische Besucher aus mehr als 100 Ländern gezählt, was einem Anstieg um 9 % entspricht. Erhebliche Zuwächse gab es laut Abschlussbericht unter anderem aus China, Japan, den USA, Israel, der Türkei und Russland - sowie aus Spanien und Großbritannien, wo die Bauwirtschaft derzeit eine dynamische Entwicklung erlebt.
Angebotsverlagerung in Richtung Ausbau und Sanierungsmarkt
In Sachen Messeangebot musste die Bau 2003 mit 1.780 Ausstellern (2001: 1824) zwar ebenfalls leichte Einbußen hinnehmen - doch auch diese fielen angesichts der stark gestrafften Marketingbudgets in der deutschen Baustoffindustrie eher gering aus. Von einem uneingeschränkten Erfolg zu sprechen, wäre dennoch überzogen - zumal die Messegesellschaft bereits mehrere Monate vor Messebeginn "erneut ausgebuchte Standflächen" verkündet hatte. Da hat es wohl bis Messestart noch einige Stornierungen gegeben - ansonsten wären die ausgedehnten "Ruhezonen" und meterlangen Trennwände, beispielsweise in Halle A6, kaum zu erklären.
Bemerkenswert gestaltet sich die inhaltliche Entwicklung des Messeangebots: Traditionell wurde die Baufachmesse in München - ebenso wie die im Jahreswechsel stattfindende Bautec in Berlin - in erster Linie von Ausstellern aus der klassischen Baustoffindustrie sowie der Hochbau-Peripherie dominiert: Zement, Beton, Steine, Dach, Fassade, Glas, Stahl, Fenster, Türen und Bautenschutz. Ganz anders in diesem Jahr: Hier stand auf einmal der Ausbau mit in vorderster Reihe, während der klassische Hochbau nur noch sporadisch vertreten war. Entwickelt sich die Bau zur Ausbaumesse?
Eine solche Entwicklung würde immerhin die Branchensituation widerspiegeln. Denn der extrem von der Neubau-Konjunktur abhängige Hochbau leidet am meisten unter der anhaltenden Rezession in der deutschen Bauwirtschaft. Im Ausbau lässt sich hingegen einiges über den Sanierungsmarkt kompensieren - dem einzigen Marktsegment im Bausektor, das weiterhin wächst. Hier wird daher derzeit von der Industrie am meisten in die Produktentwicklung investiert, hier gibt es entsprechend viele Neuheiten und hier kann es sich auch noch lohnen, diese Neuentwicklungen auf einer Fachmesse zu präsentieren. Daraus ergibt sich schließlich ein marktgerechtes Angebot, dass beim Fachpublikum auf entsprechend großes Interesse stößt.
Starke Präsenz von Fußbodentechnik und Objektbelägen
Das gilt auch für den Fußboden - wie sich in München ebenfalls zeigte: Waren Bodenbeläge und Fußbodentechnik auf den Baufachmessen bislang höchstens Randthemen gewesen, bildeten sie auf der Bau 2003 ein breit vertretenes Angebotssegment. Insbesondere der Objektbereich, der auf der Domotex in Hannover zunehmend wegbricht, hat die Bau offenbar als neues Forum entdeckt. Das Angebot klassischer Objektbeläge konnte in diesem Jahr jedenfalls locker mit der Domotex mithalten kann. Im Bereich Verlegetechnik hatte die Bau sogar bedeutend mehr zu bieten als die Domotex - bei den Verlegewerkstoff-Herstellern waren fast alle namhaften Unternehmen vertreten und sie hatten ihren Messeauftritt erstmals unübersehbar mit auf die Zielgruppe Bodenleger ausgerichtet. Darüber hinaus waren zahlreiche Werkzeug- und Zubehöranbieter mitgezogen. Was finden die objektlastigen Bodenbelags- und Verlegewerkstoff-Hersteller so toll an der Bau? München erreicht immerhin eine wichtige Zielgruppe, um die sich Hannover stets vergeblich bemüht: die Architekten. Ihr Besucheranteil wird von der Messegesellschaft mit 18 % angegeben - eine Zahl, von der die meisten anderen Bau- und Einrichtungsmessen nur träumen können. Ein Grund dafür liegt sicherlich in der Vielschichtigkeit des Angebots: Architekten, Planer und Bauingenieure können hier an einem Ort Lösungen für verschiedenste Problemstellungen im Baubereich finden - einen gewerkübergreifenden Komplettüberblick über den aktuellen Stand der Bau- und Ausbautechnik.
Hinzu kommt ein umfangreiches Rahmenprogramm von Sonderschauen bis zu Fachkongressen, das gezielt auf diese Zielgruppe zugeschnitten wurde. Das breite Angebot lockt noch eine weitere Zielgruppe nach München, die man in Hannover vergeblich sucht: die Generalunternehmer und ausschreibenden öffentlichen Stellen. Kurz: Wer den Objektentscheider treffen will, muss nach München fahren - eine Erkenntnis, die sich inzwischen bis in die Fußbodenbranche herumgesprochen hat.
Bodenleger und Objekteure nutzten das erweiterte Angebot
Und was ist mit dem Objekteur? Auch auf diese Frage erhielt man bei den meisten Ausstellern die einhellige Antwort: "Es sind erstaunlich viele Bodenleger hier". Erstaunlich deshalb, weil diese Zielgruppe aufgrund des begrenzten Angebotes der Baufachmessen bislang eigentlich nicht unbedingt zum deren Stammpublikum gehört hatte. In diesem Jahr hat sich die Nachfrage offensichtlich dem Angebot angepasst. Der Objekteur geht eben dahin, wo er den Großteil seiner Lieferanten trifft. Dabei wird die immer noch sehr große Vielschichtigkeit der Münchener Messe auch von vielen Handwerkern eher als attraktiv empfunden.
Denn angesichts der schwierigen Wirtschaftslage gilt es heute, über den sprichwörtlichen Tellerrand hinausschauen. Wo lassen sich lukrative Nischenmärkte erschließen? Wo könnten sich sinnvolle Kooperationen mit Nachbargewerke ergeben? Welche Zusatzleistungen verlangt der aufstrebende Sanierungsmarkt? Nur einige Stichworte, die auch und gerade für den Bodenleger interessant sind.
Vielfältige Anregungen für ein zeitgemäßes Leistungsspektrum
Mögliche Antworten - beispielsweise Komplettangebote mit Trockenestrichkonstruktionen, Lösungen zur Sanierung alter Deckenkonstruktionen, Kooperationsmodelle zur Vermeidung von Schnittstellen bei beheizten Fußbodenkonstruktionen, dekorative Bodenbeschichtungen als Alternative zu herkömmlichen Bodenbelägen - sucht man auf Spezialmessen wie der Domotex vergeblich. Auf der Bau gehörten sie zu den Kernthemen. Aber auch für ihre Stammbesucher aus dem Estrichlegerhandwerk und Industriebodenbau hatte die Münchener Messe wieder viele interessante Neuheiten zu bieten - wobei hier ebenfalls Lösungen für den Renovierungs- und Sanierungsbereich im Mittelpunkt standen. Schnell- und Trockenbausysteme bildeten ebenso Schwerpunktthemen wie Schallschutzlösungen für die Altbausanierung und Renovierungssysteme im Bereich Bodenbeschichtungen. Außerdem spielte vor allem bei den Dämmstoffen das Thema Ökologie eine wichtige Rolle.
FussbodenTechnik stellt die wichtigsten Neuheiten für den Fußbodenbau in einem ausführlichen Messerückblick vor.
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FussbodenTechnik 01/03
(Wirtschaft)