Interview mit Dr. Heinz Ruf, Leiter des Marktmanagements Boden bei Knauf

"Für das Bauen im Bestand brauchen wir schnelle, trockene und leichte Lösungen"


FussbodenTechnik: Sie haben einmal vor drei Jahren gesagt, dass der Zementestrich nicht mehr zeitgemäß ist und dass die Zukunft des Estrichs der Fließestrich ist. Stimmt diese Aussage so noch?

Dr. Heinz Ruf: Man muss das vielleicht etwas präzisieren. Ich habe gesagt, ich würde keinen Zementestrich mehr ausschreiben, wenn ich heute Planer wäre. Als Architekt würde ich überhaupt keinen Zementestrich mehr einsetzen. Es gibt Ausnahmen, aber wenn ich die Alternativen habe, würde ich es nicht machen, weil die Vorteile vom Fließestrich nach wie vor vorhanden sind. Dazu zählen Ebenheit, schnelle Trocknung, raffinierteste und schlanke Konstruktionen bei Fußbodenheizungen und Hohlraumböden.

FussbodenTechnik: Hat sich in diesen drei Jahren denn etwas verändert an der Marktaufteilung zwischen konventionellem Zementestrich und Fließestrich. Gibt es da eine Entwicklung, die Sie beobachten?

Dr. Ruf: Nein, die letzten drei Jahre sind eher dadurch gekennzeichnet, dass es in den alten Bundesländern weiter bergauf, aber in den neuen Bundesländern eher bergab geht. Man muss aber auch sehen, dass man 1990 in den neuen Bundesländern 100% Fließestrich hatte, dort kannte man gar nichts anderes.

FussbodenTechnik: Welche Rolle spielt dabei das Nord-/Südgefälle?

Dr. Ruf: Ganz Deutschland ist letztendlich geprägt durch Zementtechnologie. Die großen Zementstandorte sind im Beckumer Becken und ein Großteil der Zementfirmen sind eben in Norddeutschland. Die ganze Gipsindustrie hingegen sitzt in Süddeutschland, weil wir die Gipswerkstätten haben. Aus diesem Grund haben wir natürlich in Süddeutschland eine Tradition Gips und keine Probleme, den Fließestrich zu akzeptieren. In Norddeutschland, wo die Beton- oder Zement-"Köpfe" sind, gibt es für den Fließestrich echte Akzeptanzprobleme. Dort wird es einige Zeit dauern, bis sich die Leistungsfähigkeit von Fließestrich bei Fußbodenheizung und Hohlboden stärker etabliert.

FussbodenTechnik: Welche Entwicklungen des Estrichmarktes beobachten Sie?

Dr. Ruf: Es wird immer weniger neu gebaut, wir haben immer weniger Objekte. Dadurch wird das Bauen im Bestand einfach wichtiger. Da sind natürlich widerrum andere Lösungen interessant. Ich kann da nicht einfach beim Zementestrich oder beim Fließestrich bleiben und diese dann anpassen. Ich denke, es könnte interessant sein, dass man sich für neue Lösungen öffnet, die sich speziell für das Bauen im Bestand anbieten: schnelle, trockene und leichte Lösungen.

FussbodenTechnik: Zählen dazu auch Zwitterlösungen wie Zemendrit?
Dr. Ruf: Zementdrit ist eine Fehlentwicklung. Da hat man versucht, einen Fließestrich dadurch günstig zu gestalten, dass man Zement und Anhydrit gemischt hat und das ist eine sehr gefährliche Mischung, weil sie bei Feuchtigkeitseinwirkung instabil wird. Ich denke, 2005 wird man nichts mehr darüber hören.

FussbodenTechnik: Was kann man Estrichlegern heutzutage raten kann, um erfolgreich zu sein - auch vor dem Hintergrund des Wegfalls des Meisterzwanges?

Dr. Heinz Ruf: Ich bin erfolgreicher, als mein Mitbewerber, in dem ich ein anderes Leistungsangebot aufweise und mich nicht in die einseitige Estrich-Schiene einreihen lasse. Ich muss auch in der Lage sein, anspruchsvolle Konstruktionen auszuführen.

Ganz simples Beispiel: Wenn Sie heute einen hochbelastbaren Estrich bauen wollen, wo Pkws drüber fahren, dann müssen Sie den im Grunde genommen immer dick bauen. Es sei denn, sie bauen ihn im Verbund. Jetzt haben Sie aber eine Betondecke, wo Feuchtigkeit von unten kommt. Dann müssen Sie ein Schweißband drauf legen und damit wieder dick bauen. Es gibt es aber auch patente Lösungen mit einer Abdichtung, die eine Ausführung von einem Verbundestrich erlaubt. Das sind so geschickte Lösungen, die meiner Meinung nach noch viel zu wenig bekannt sind und womit man sich profilieren kann.

FussbodenTechnik: Wie reagiert Knauf auf den Wegfall des Meisterzwanges. Welche Auswirkungen hat das für Sie?

Dr. Ruf: Keine, außer das sich die Käuferstruktur ändert. Den Weg, den wir bisher verfolgen, ein Produktsortiment anzubieten, dass alle Arbeiten im Fußboden abdeckt, wird dadurch überhaupt nicht tangiert. Natürlich ist es ein Nachteil, wenn der Meistertitel wegfällt. Die Forderung bietet aber auch wieder Chancen, dass man z.B. als guter Fachunternehmer im Fußbodenbau andere Gewerke mit reinnimmt. Ich finde, der Estrichleger ist antiquiert, man sollte vielleicht einen Fußbodenbauer schaffen. Da bietet sich die Chance, mehr reinzupacken.

FussbodenTechnik: Sie haben mit der Plan-Bar ein Internet-Planungstool geschaffen, das den Planer unterstützt. Wie enstand die Idee?

Dr. Ruf: Für mich ist es eine neue Dimension, wie man Architekten komplexe Bauteile erklären kann. Und wie man sie hinterlegen kann mit dem Produktwissen, mit dem anwendungstechnischen Wissen und den Ausschreibungstexten, die diese Zielgruppe einfach benötigt.

FussbodenTechnik: Muss man das denn den Architekten noch erklären?

Dr. Ruf: Nein, aber die Technik schreitet natürlich fort. Es gibt neue Produkte und es gibt vor allem auch neue Normen, die dem zugrunde liegen. Architekten dazu zu bringen, dass er sich ein profanes Bauteil, um das er sich eigentlich nie so richtig kümmert, nach den richtigen Normen ausschreibt, das dauert. Wir glauben einfach, dass wir ihm da helfen können. Es ist für ihn kein Aufwand und wir nutzen das Vehikel, um komplette, sichere, funktionstüchtige Systeme unterzubringen. Diese Infomationen werden sehr gut angenommen und damit haben wir eine hohe Akzeptanz im Markt.
aus FussbodenTechnik 01/05 (Wirtschaft)