54. Jahrestagung der Textilindustrie Österreichs
Gut gerüstet für den schärfer werdenden Wettbewerb
Bregenz - Die Lage der österreichischen Textilindustrie sowie Forderungen an die österreichische und europäische Politik standen im Mittelpunkt der Jahrestagung der österreichischen Textilindustrie am 14. September in Bregenz. Dass sich Europas Wirtschaft weiterhin gelähmt präsentiert, so machte Verbandspräsident Dr. Peter Pfneisl deutlich, daran bestehe kein Zweifel. Aber so lange nur gejammert und gewarnt werde, werde sich auch kein Optimismus breit machen. Lesen Sie nachfolgend im Auszug die wichtigsten Passagen aus der Rede des Präsidenten.
Wir von der österreichischen Textilindustrie", so Dr. Pfneisl, "können heute doch mit Stolz sagen, dass wir uns der negativen wirtschaftlichen Situation im Jahr 2004 gut vorbereitet gestellt haben und sicher auch im zweiten Halbjahr stellen werden. Vor allem hat sich gezeigt, dass sich gerade Produktbereiche mit hoher Innovationskraft erwartungsgemäß rascher aus dem negativen Umfeld herauslösen konnten. Mit den Arbeitskosten der neuen EU-Länder oder darüber hinaus konkurrenzieren zu wollen, ist ganz einfach nicht möglich."
Der Gesamtumsatz der österreichischen Textilindustrie stieg im ersten Halbjahr 2004 um 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr und beträgt 1,5 Mrd. Euro, für das Gesamtjahr könne daher mit einem Ergebnis von über 3 Mrd. Euro rechnen. Gingen die Exporte 2003 noch um 5,9 Prozent zurück, so sei das knappe Plus 2004 von 0,1 Prozent auf 1,037 Mrd. Euro doch als kleiner Erfolg in einer sehr schwierigen Zeit zu werten. Einzig die Beschäftigtenzahl sank gegenüber 2003 um 5,9 Prozent auf 16.800 im Jahr 2004. Dies sei erneut ein Zeichen dafür, dass der starke Preisdruck am Markt die Unternehmen immer weiter zu Rationalisierungen und noch höherer Produktivität zwingt.
Betrachtet man die einzelnen Sparten, kann man eindeutig feststellen, dass die technischen Textilien die Umsatzgewinner stellen und ihren nur in 2003 unterbrochenen Aufwärtstrend nun wieder eindrucksvoll mit einem Plus von 13,7 Prozent fortsetzen konnten. Auch das Exportplus von 6,8 Prozent sei erfreulich.
Demgegenüber steht die Spinnereiindustrie mit einem Umsatzminus von 7,6 Prozent und einer 7-prozentigen Reduzierung der Mitarbeiterzahl. Auch in der Webereiindustrie sei ein Umsatzminus von 11 Prozent und ein Beschäftigtenrückgang von 10,7 Prozent zu verzeichnen. "Trotz dieser nicht erfreulichen Ergebnisse", so Dr Pfneisl, "muss darauf verwiesen werden, dass es auch in dieser ersten Produktionsstufe Unternehmen mit positiven Ergebnissen gibt. Das weist darauf hin, dass die Entwicklung der Sparten nicht mehr wie in der Vergangenheit einheitlich, sondern ebenfalls sehr stark individuell je nach Unternehmen ausgerichtet ist."
Die Strick- und Wirkwaren-Industrie konnte nach dem sehr schwierigen Jahr 2003 ihre Ergebnisse konsolidieren. Der Umsatz ist mit -1,6 Prozent nur ganz leicht rückläufig, die Exporte bleiben weitgehend stabil. Exportsteigerungs-Meister ist in diesem ersten Halbjahr der Bereich der Band- und Flechtwaren. So konnte nicht nur ein Umsatzplus von 5,4 Prozent, sondern auch eine Steigerung der Exporte um 12,8 Prozent erzielt werden.
Dr. Pfneisl hierzu: "Mit diesem doch erfreulichen Gesamtergebnis dürfen wir nicht unzufrieden sein, auch wenn es da und dort noch Aufholpotential auszuschöpfen gilt. Wir sind gut gerüstet, uns dem schärfer werdenden Wettbewerb zu stellen. Die Abschaffung der Importquoten im weltweiten Textilhandel ab 2005 wird zwar zu einem weiteren Preis- und Importdruck führen, aber in dieser Hinsicht sind wir bereits viel gewöhnt. Mit interessanten, hoch innovativen Produkten sind wir für eine weitere Handelsliberalisierung, davon bin ich überzeugt, gut gerüstet. Und Jammern hilft sowieso nichts. Denn wir sind nicht allein, die Handelsliberalisierung trifft alle Textilindustriebetriebe in Europa ebenso."
Dominierendes Thema dieses Bereiches war und ist der Wegfall aller Importquoten Ende 2004 und damit in Zusammenhang die Entwicklung der Importströme aus China. Es wurde aufgezeigt, dass bei jenen chinesischen Textilprodukten, die schon in 2002 liberalisiert wurden, die Exporte in die USA und nach Europa um bis zu 200 Prozent angestiegen sind, der Durchschnittspreis aber gleichzeitig bis zu 60 Prozent gesunken ist.
"Der Ruf nach Annullierung des Quotenwegfalls", so Dr. Pfneisl, "der sich vor allem unter der Initiative der Türkei und amerikanischer Verbände verstärkt, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Er mag bei den betroffenen Unternehmen durchaus gut ankommen, aber ich warne davor, populistische Effekthascherei als lang-fristige Politik zu verstehen. Eine Verlängerung aller derzeit bestehender Quoten ist unrealistisch, weil für eine derartige Entscheidung die Zustimmung aller WTO-Länder inklusive China erforderlich wäre. Wir müssen hart und konsequent Dinge fordern, die unserer Industrie auch langfristig die Wettbewerbsfähigkeit sichern und den Schaden eines Nichthandelns aufzeigen. Was wir aber sehr wohl fordern müssen und mit Recht verlangen können, ist eine Beendigung der massiven Wettbewerbsverzerrungen, wie sie derzeit vielfach, insbesondere in China, praktiziert werden."
Was ebenfalls vorstellbar sei, wären freiwillige Selbstbeschränkungsverpflichtungen Chinas. Gespräche darüber habe es bereits gegeben. Notwendig zur Erreichung von Lösungen sei allerdings die Bereitschaft der EU-Kommission, notfalls von ihren Verteidigungsinstrumenten auch Gebrauch zu machen. Dies muss die EU im Interesse unserer Industrie gegenüber den Handelspartnern klar machen, meinte Dr. Pfneisl. Zu diesen Instrumenten zähle insbesondere die Schutzklausel, die im Beitrittsvertrag Chinas zur WTO vereinbart worden sei. Danach können für bestimmte Produktgruppen bis Ende 2008 Quoten wiedereingeführt werden, wenn die Importe aus China ein bedrohliches Ausmaß erreichen.
Neben den Forderungen an die Politik habe man aber bereits selbst erste Schritte unternommen, um der Textilindustrie im globalen Wettbewerb bestmögliche Chancen im großen chinesischen Markt zu bieten. Der Fachverband der österreichischen Textilindustrie wird, zusammen mit den Schwesterverbänden in Deutschland und der Schweiz ein Verbindungsbüro in Shanghai finanzieren, das Ende dieses Jahres eröffnet werden soll.
Das Büro soll als Kommunikationsdrehscheibe für alle heimischen Unternehmen dienen, die eine Zusammenarbeit mit der chinesischen Industrie suchen - sei es für den Export, Investitionen, Joint-Ventures oder für den Zukauf bestimmter Segmente. Darüber hinaus soll diese Kontaktstelle auch einen besseren Einblick in die chinesische Textilindustrie ermöglichen und durchaus auch dafür genutzt werden können, bei chinesischen Stellen für die Betriebe zu intervenieren.
"Weiters", so Dr. Pfneisl, "haben wir - ebenfalls zusammen mit dem Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie - bei der EU ein Projekt zur Förderung eingereicht, das in dieselbe Richtung zielt und erfreulicherweise vor wenigen Wochen von der EU bereits bewilligt wurde. Es beinhaltet eine elektronische Plattform, die Kontakte mit geeigneten chinesischen Firmen herstellen soll. Ein Treffen ausgewählter Firmen der Textilindustrie mit chinesischen Partnern anlässlich einer Textilmesse in China im kommenden Jahr soll bereits von dieser Plattform unterstützt werden."
Die Wettbewerbsstärken, wie die Innovationskraft und modische Kompetenz, müssen besser geschützt werden. Kopien seien für alle ein sehr leidvolles Thema und bereiten enorme Schäden. Ein breit gefächertes Spektrum an Maßnahmen werde daher gefordert: Das Verständnis für Musterschutz und für scharfe Sanktionen bei Musterdiebstählen müsse weltweit gestärkt werden. Die Maßnahmen reichen von PR-Kampagnen, Seminaren bis zu Informationsveranstaltungen bei Messen. Eine spezielle Internethomepage soll bis Jänner 2005 aufgebaut werden. Diese soll Firmen aktuelle Informationen über die Rechtslage und die Schutzmöglichkeiten, international wie auch in einzelnen Ländern, anbieten. Speziell für die Textilindustrie soll ein Helpdesk eingerichtet werden.
"Die äußerst voluminösen Forschungsförderungs-Programme der EU müssen speziell für die Bedürfnisse der mittelständischen Textilindustrie leichter zugänglich gemacht werden", forderte Dr. Pfneisl. Textilunternehmen hätten meist nicht den Apparat und die Zeit, sich mit den komplizierten Richtlinien und sehr diffizilen Anforderungen bei Projektanträgen auseinanderzusetzen, auch wenn es sehr große EU-Fördertöpfe gebe. "Neben den wichtigen internationalen Aspekten", so Dr. Pfneisl, "dürfen wir aber nicht vergessen, dass die österreichische Politik nach wie vor gefordert ist, etliche Lippenbekenntnisse endlich einzulösen. Es kann nicht sein, dass wir, und damit meine ich die gesamte Industrie, permanent vertröstet werden."
"Will sich die österreichische Textilindustrie im immer schärferen globalen Wettbewerb behaupten", so Dr. Pfneisl abschließend, "kann sie keinerlei neue Belastungen brauchen. Unsere Unternehmen tun alles, um mit immer wieder neuen innovativen Produkten und den Kunden angepassten, optimierten Leistungen und bestem Service im Kampf um Aufträge erfolgreich zu sein. Sie dürfen dabei nicht zusätzlich behindert werden. Die Politik muss, im Gegenteil, endlich Verbesserungen realisieren, soweit es die ohnehin kleiner werdenden Handlungsspielräume erlauben. Die Aufgabe des Fachverbandes muss es sein, diese dargelegten Forderungen immer wieder präsent zu halten und einzufordern."
aus
Haustex 12/04
(Wirtschaft)