Maison & Objet
Paris - eine Reise wert?
PARIS - Lässt sich dort besser verkaufen, besser ordern? Wie weit wachsen dort die Bäume in den Himmel? Wachstum wird auf jeden Fall dokumentiert - von SAFI, der Messeorganisation der maison & objet und deren Direktor, Etienne Cochet. Die Zahl der Aussteller, auch aus dem deutschen Textilbereich, steigt von Messe zu Messe. Gewertet wird aber vor allem die Besucherfrequenz und deren internationale Bedeutung. Nicht nur Neues, Innovatives findet sich auf der Messe, aber immer Besonderes und qualitativ Ausgereiftes - und das in einem Rahmen, der den Charme und die Inspiration ausmacht. Wehende Fahnen auf den wichtigsten Einkaufsstraßen der Stadt verkündeten sozusagen ein Fest der Kreativen in "Paris Capitale de la Création". Dazu haben sie Veranstalter und die Stadt Paris gemacht, in einem gemeinschaftlichen Projekt zur internationalen Förderung sämtlicher Messen für Mode und Heim.
Messedirektor Etienne Cochet erklärt selbstbewusst die maison & objet zum Katalysator in Sachen Design und Kreativität. Wer dort ausstellt oder einkauft, trifft sozusagen auf innovative und qualitative Vorauswahl - auch wenn diese Erfolgs-Strategie nicht immer allen Ansprüchen gerecht wird. Es wird schwer gearbeitet in den sechs Hallen des Ausstellungsgeländes in Paris-Villepinte. Neuheiten und Exklusives muss man sich erlaufen, diskutieren, informieren, auch wenn es die offenen, von der Messe konzipierten, aber unterschiedlich großen Stände einfacher machen, sich Überblick zu verschaffen.
Das ist wichtig auf der maison & objet - sich schnell über das vielseitige Angebot zu informieren, das sich überraschenderweise immer zu einer thematisch harmonischen Gesamtheit rundet. Wohnaccessoires, Geschenkartikel, der Küchen- und Haushaltsfunktionsbereich und Haus- und Heimtextilien wurden auf der Januarmesse dieses Jahres noch betonter in die Möbellandschaft integriert. Oder umgekehrt: es waren mehr Möbel als bisher zu sehen. Dass das kaum oder eben als sympathisch auffiel, ist Sache der Inszenierung. Nicht umsonst heißt ein Bereich der meist und an erster Stelle besuchten Halle 5B "Scénes dintérieur", in der sich auch der Avantgarde-Design-Bereich "now!" befindet.
Neu für die maison & objet und ergänzend zum Möbelangebot war allerdings diesmal der Bereich "Maison & Objet éditeurs". Rund 40 führende Marken für Möbelbezugs- und Dekostoffe zeigten auf 1.000 qm ihre neuesten Kollektionen, u. a. Bussac, C & C Milano, Bisson Bruneel, Etro, Fadini Borghi, Garin 1820, Gaston y Daniela, Kenzo Maison, Lelièvre, Missoni Home.
Dynamik, Marke, Erfolg
Es waren nicht unbedingt Produktneuheiten, die ins Auge fielen. In allen sechs Messehallen ist es die Art der Präsentation, der Zusammenstellung der Produkte, die zur Kontaktaufnahme verleiten. Gerade im textilen Bereich in Halle 2 kamen große, internationale Aussteller direkt von der Heimtextil in Frankfurt und boten den Besuchern kaum Neuheiten. Dennoch wirkte bereits Gesehenes im neuen Rahmen inspirierend und machte Einkäufern Mut.
Der Erfolg in Zahlen spricht für sich. Trotz der in Frankreich - wenn auch später und laut Aussteller-Aussagen weniger heftig als in Deutschland - spürbaren Kaufzurückhaltung fuhren im Vergleich zur Vorjahres-Januar-Messe um fünf Prozent mehr französische Besucher zur maison & objet. Um acht Prozent mehr konnte die Insgesamt-Besucherzahl von 64.900 aufweisen, wovon ein Drittel international und somit auch der Besuch aus dem Ausland um 15 Prozent angewachsen war. Die Liste der Top Ten der internationalen Besucher - Einkäufer der gesamten Wohnbranche, Architekten und Innenarchitekten, Designer, Kreative - führte Italien an, wiederum mit neun Prozent mehr als im Vorjahr, gefolgt von Großbritannien und Belgien mit jeweils einem Besucherplus von 19 Prozent.
Der Stand des Dollars im Vergleich zum Euro bremste nicht die Kauflust der amerikanischen und kanadischen Besucher. Sie waren um sieben Prozent stärker als bisher vertreten. Die Schweizer an fünfter Stelle überholten mengenmäßig knapp die Deutschen (1.194), beide mit einem Besucherzuwachs von 14 Prozent. Noch fleißiger zeigten sich die Spanier mit +22 Prozent.
Ein richtiger Export-Push scheint jedoch aus Asien und Lateinamerika, vor allem Brasilien, zu kommen. Über 1.000 Japaner, und das sind 19 Prozent mehr als im Vorjahr, besuchten die Messe, getoppt von 90 Prozent mehr Besuchern (479) aus Südkorea. Noch spielt sich der Wachstumserfolg aus Sicht der Messe zwar in Westeuropa ab, dem aber die osteuropäischen Länder wie Russland, Ukraine und Polen deutlich nacheifern.
Schön, gut, selten
Die drei diesjährigen Gestalter der maison & objet, bekannte Designer für Trendthemen, wollten eine neue Lebenskunst aufdecken: den Luxus des Schweigens, des Unsichtbaren und der verborgenen Schönheit - alles umgeben von Geheimnissen:
- Elisabeth Leriche machte sich auf zur Entdeckung weiblicher Geheimnisse und spielte mit Puppen, Tagebüchern, Suppenterrinen, Spiegel und Farbpalette.
- Die Agentur Nelly Rodi meint, als Reaktion auf übermäßige Exzesse kehren Menschen zum Wesentlichen und einmaligen Werten zurück, wollen Üppigkeit vor Blicken schützen.
- Franois Bernard skizziert eine Pause im Zyklus des maßlosen Konsums und preist die Anmut und Freude an einem geschlossenen Raum, fernab von Lärm und Exzessen. Der neue Luxus ist weit entfernt von der Hektik der Mode-Erscheinungen. Diskreter Charme des Zeitlosen gibt Objekten und dem Alltag neuen Sinn.
Gerade dieser diskrete Charme war in vielen textilen Präsentationen zu finden. Natürliche und luxuriöse Materialien wurden perfekt und mit Augenmerk auf Details verarbeitet. Besonders die hochwertigen Designer-Bett- und Badwäsche-Kollektionen (Aude de Balmy/Texunion, Yves Delorme, Olivier Desforges, Manuel Canovas, SDH) zeigten sich hell in viel Weiß oder Bleu, zurückhaltend, dezent romantisch mit Blumendekor und immer Material betont (Damast, Satin).
Bettwäsche scheint in Paris in der Textilhalle 2 mit Blick auf die zahlreichen Exportkunden stark im Vordergrund zu stehen. Das Verhältnis zum deutschen Markt ist bekannt schwierig, im Gegensatz zu allen anderen europäischen und Übersee-Märkten. Sie wirkt von Farben und Dessinierung her ruhig, ist aber vielseitig kombinierbar, reversibel und wird immer ergänzt mit Frottierware, Badmantel und Nachtwäsche, neben vielen anderen textilen Accessoires, die speziell in französischen Kollektionen so geschätzt werden. Ohne Verspieltheit allerdings, bestickt, mit Bordüren und Paspeln, praktisch, wenn auch Wert betont. Gut ausgearbeitete Tagesdecken als Teil des Ensembles zeigen den Bezug zum Schlafzimmer, das ganztätig genutzt wird als Wohnbereich. Neben den floralen Dessins auf offenem Fond und den grafisch gefassten Blumenmotiven zeigen hochwertige uni Leinenqualitäten starke, asiatisch angehauchte oder natürliche Mineralien-Farbtöne (Alexandre Turpeault, LE&A). Immer mehr Modedesigner kreieren Home-Kollektionen, wobei das Logo sicher Ausschlag gebend für den Kauferfolg ist (Trussardi Home, Guy Laroche by Lasa Internacional).
Qualität und Emotion
Designer-Signaturen bedienen sich auch bekannte französische Traditionsweber und -drucker, die neue, zeitgemäße Jacquard-Tischwäsche (Tissage Moutet, Le Jacquard Franais) vorstellten. Ob für asiatisch inspirierte, niedrige Tischformen, klassische, große Ess- oder Bistrotische in neuen Design-Formen mit interessanten, z.B. Granit-Tischplatten - es gab eine Reihe anregender Tischdekorationen, die zeigten, dass textile Tischkultur nicht altmodisch oder langweilig ist, sondern spritzig und einfallsreich. Auch darin scheinen sich deutsche Konsumgewohnheiten von den übrigen europäischen oder generell internationalen zu unterscheiden.
Gefallen fand allerdings nur das Besondere in Farbe und Material (José Houel), dezent bestickt und in ungewöhnlichen Farben (Alexandre Turpeault), originell bedruckt (Apart, Paule Marrot Editions), aufwändig handbestickt und individuell (Eri), heiter und modern unkompliziert oder praktisch (Linum, Nydel). Die Tischformate sind sehr unterschiedlich und Wunschmaße gehören daher zum Service der Textilhersteller. Neben großen, rechteckigen oder quadratischen Tischdecken geben nach wie vor Tischläufer (Tête-à-tête), Sets und Servietten im Farb- und Material-Kombinationsspiel den Ton an, wobei das Tischdesign und -material dekorativ mit einbezogen wird. Das ist wichtig.
Es fiel auch die Liebe zu schönen, dekorativen Details auf, aber eher zurückhaltend und mit einem gewissen konservativen Touch. Hoch im Kurs stand Country Style, leise und sanft und mit einem Hauch Poesie (Comptoir de Famille). Übrigens fristen Küchenaccessoires, vor allem originelle Jacquard-Küchentücher aus Designerhand, keine Co-Existenz, sondern präsentierten sich als eigenständige und gefragte Geschenkartikel. Die Aussteller griffen den Trend auf, saisonale Anlässe, Familienfeste oder Konsum-Events (Valentinstag, Halloween) neu zu interpretieren.
aus
Haustex 03/04
(Wirtschaft)