Gütegemeinschaft Matratzen e.V. wird in neuem Fachverband aufgehen
Den kleinsten gemeinsamen Nenner endlich größer werden lassen
HANN. MÜNDEN (PS) - Als am 10. Dezember 2003 die Mitglieder der Gütegemeinschaft Matratzen e.V. auf dem Frankfurter Messegelände tagten, ging es um einen einzigen Tagesordnungspunkt: Die Auflösung der Gütegemeinschaft oder ihre Reduzierung auf die eigentlichen Aufgaben bzw. ihre Integration in den Fachverband der Matratzenindustrie (in Gründung).
Nehmen wir das von den mehrheitlich anwesenden Mitgliedern der Gütegemeinschaft einstimmig verabschiedete Sitzungsergebnis vorweg: Die Gütegemeinschaft Matratzen bleibt in ihrer jetzigen Form erhalten, kommt aber laut Geschäftsführer Ulrich Görnandt unter die Schirmherrschaft des neuen Fachverbandes der Matratzenindustrie (in Gründung). Der war schon im Mai 2003 von den fünf führenden Herstellern Breckle, Dunlopillo, Hukla, Recticel und Wellform unter dem zunächst vorläufigen Vorsitz von Dr. Rudolf Köberle, ehemals Vorsitzender der Hukla-Geschäftsleitung sowie der EBIA (European Bedding Industries Association), ins Leben gerufen worden. Dass diese Neugründung handfeste Ursachen hatte, das steht fest.
Die Notwendigkeit eines starken nationalen Fachverbandes
Mit Blick auf die Außendarstellung muss festgehalten werden, dass die Gütegemeinschaft Matratzen bislang eher im Verborgenen geblüht hat, was nicht zuletzt an den in ihrer eigenen Satzung verankerten Handlungseinschränkungen sowie den selbst formulierten, vornehmlich auf Qualitätssicherung nach RAL abzielenden Aufgabenstellungen liegt. Zusammen mit intern divergierenden Herstellerinteressen sicherlich wesentliche Gründe dafür, dass Begeisterung und (finanzielles) Engagement der Mitglieder im Laufe der Zeit an Schwung verloren haben.
Diese schleichende Entwicklung gilt es zu stoppen, zumal in Brüssel und innerhalb der EBIA angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtungen und Aufgaben künftig eine starke Interessenvertretung der bundesdeutschen Matratzenindustrie in Form eines schlagkräftigen Industrieverbandes erforderlich sein wird. Dies gilt um so mehr als es mittelfristig wohl nicht bei den derzeit acht Mitgliedsländern - Holland, Belgien, Spanien, Italien, Österreich, Frankreich, Deutschland und neuerdings Portugal - bleiben wird. Im Zeichen der EU-Erweiterung stehen unter anderem Tschechien und Polen, wo auch einige deutsche Hersteller eigene Fertigungsbetriebe unterhalten, auf der Warteliste; und was in Skandinavien und hier speziell in Schweden passiert, bleibt nach dem Verkauf von Hilding Anders an die global agierende Investment-Gruppe Investcorp abzuwarten. Dass die Engländer in Sachen EBIA bis heute außen vor bleiben, hat unter anderem mit deren abweichender Haltung zum Brandverhalten von Matratzen zu tun, wobei die Schwerentflammbarkeit der englischen und übrigens auch der amerikanischen Liegepolster nicht ohne zusätzliche chemische Ausrüstung zu haben ist. Ein Umstand, der den EBIA-Mitgliedern ein Dorn im Auge ist, weil die auf die Grundformel "so wenig Chemie wie möglich" setzen. Zu den aktuellen Initiativen der EBIA zählt beispielsweise eine Matratzen-Gemeinschaftswerbung für ganz Europa. Ein Projekt, um dessen baldige Realisierung sich drei renommierte Werbeagenturen beworben haben. Nach wie vor in der Diskussion: eine europaweit einheitliche Produktgarantie von fünf Jahren, die in den ersten drei Jahren voll und anschließend differenziert greifen soll.
Auf nationaler Ebene wäre ein schlagkräftiger Industrieverband mit aufgestocktem Etat ebenfalls ein Gewinn, allein um sinnvolle Forschungsvorhaben zu unterstützen, die Öffentlichkeitsarbeit zu forcieren oder um beispielsweise über ein geschlossenes Auftreten ein wenig mehr Einfluss bei der Festlegung der Prüfkriterien und -methoden der Stiftung Warentest zu erreichen. Folgerichtig sollte der Verband nicht nur die Hersteller von mindestens 80 Prozent der inländischen Matratzenproduktion zu seinen Mitgliedern zählen, sondern wirklich 80 Prozent der hierzulande Matratzen produzierenden Unternehmen repräsentieren. Laut Ulrich Görnandt, der die Geschäftsführung der Gütegemeinschaft und des neuen Fachverbandes in Personalunion ausüben wird, darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass ausschließlich die Interessen einer bestimmten Produzentengruppe wahrgenommen werden. Görnandt zeigte sich Ende Dezember 2003 optimistisch, dass nahezu alle Matratzenhersteller, die momentan Mitglied der Gütegemeinschaft sind, diese Mitgliedschaft beibehalten und zusätzlich dem neuen Verband beitreten werden. Auch auf Seiten der Zulieferindustrie, also den Produzenten von Bezugsstoffen oder Federkernen, stößt der Wille zur Erneuerung auf "breite Zustimmung sowie einen ausgeprägten Willen zur aktiven Unterstützung und Mitarbeit". Grundsätzlich steht es aber jedem, vielleicht vornehmlich auf Qualitätssicherung bedachten Unternehmen frei, nur Mitglied der Gütegemeinschaft zu sein. Besonders erfreut äußerte sich Ulrich Görnandt über die Zusage der Firma Rössle & Wanner, dem neuen Fachverband beitreten zu wollen.
Der wird unter dem Namen "Fachverband der Matratzenindustrie e.V." mit Sitz in Hann. Münden in das Vereinsregister eingetragen. Als wirtschaftlicher Berufsverband soll er den industriellen Herstellern von Matratzen, Lattenrosten und Bettsystemen eine organisatorische Heimat bieten, die gemeinsame wirtschaftliche und technische Entwicklung der Matratzenindustrie fördern sowie deren Interessen konsequent wahrnehmen. Außerdem soll er eine gute und konstruktive Mit- und Zusammenarbeit der Mitglieder gewährleisten. Dem Verband können sowohl ordentliche Mitglieder - also Hersteller der oben genannten Produkte - als auch assoziierte Mitglieder angehören. Zur zweiten Gruppe zählen diejenigen Firmen, die sich dem Verband in irgendeiner Form verbunden fühlen, aber kein eigenes Stimmrecht besitzen. Eine Öffnung für Mitglieder aus (künftigen) EU-Staaten - gerade nach dem Wegfall der wirtschaftspolitischen Grenzen - bleibt ausdrücklich vorbehalten. Darüber hinaus verpflichten sich die einzelnen Mitgliedsunternehmen entsprechend qualifizierte und autorisierte Personen für die Teilnahme an den obligatorischen Sitzungen und Tagungen bzw. für die Arbeit in den noch zu gründenden Ausschüssen, zum Beispiel für Technik oder Marketing, abzustellen. Unbedingt belebt werden soll unter Einhaltung der von der Mitgliederversammlung festgelegten Termine das Statistikwesen.
Die Gremien des im Überblick
Insgesamt drei Organe sollen das organisatorische Gerüst des Fachverbandes der Matratzenindustrie bilden: der Vorstand, die Mitgliederversammlung sowie die Ausschüsse. Dabei erfüllen mit Ausnahme des Geschäftsführers sämtliche Personen, die in Ämter des Verbandes gewählt werden, ihre Aufgaben ehrenhalber. Der Vorstand setzt sich aus dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden, zwei Beisitzern sowie dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied zusammen. Die Mitgliederversammlung wählt die beiden Vorsitzenden für drei Jahre, wobei eine Wiederwahl möglich ist. Außerdem wählt sie den Geschäftsführer auf Vorschlag des Vorsitzenden. Zudem beschließt die Mitgliederversammlung den Haushalt, die Beiträge, die Änderung der Satzung, die Auflösung des Verbandes sowie die Verwendung des Verbandsvermögens; und sie kann jederzeit Ausschüsse einberufen, die für konkret auftretende Fragen gebildet werden. Jede ordnungsgemäß einberufene Mitgliederversammlung ist beschlussfähig. Die Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der vertretenen Stimmen gefasst, vorausgesetzt, die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder ist anwesend.
"Wenn wir es richtig anpacken, stärkt der neue Verband unsere gemeinsame Chance, endlich wieder gute Produkt- und Servicequalität aus der Preisaggressivität herauszuheben und in zentralen Fragen eine geschlossene Einheit - aber nicht Einheitlichkeit - in Europa herzustellen", sieht Ulrich Görnandt entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt.
aus
Haustex 02/04
(Wirtschaft)