Maison & Objet, Paris

Globalplayers im Bereich Wohnen hatten Lust auf Neues

PARIS (gk) - Ein Besuch in Paris ist ein Superlativ an sich. Darauf kann sich die Messeorganisation der Maison & Objet, zweimal im Jahr im Pariser Vorort Villepinte veranstaltet, verlassen. Die selbstbewussten und optimistischen Voraussagen von Generaldirektor Etienne Cochet wurden - trotz der als schwierig eingestuften Wirtschaftslage - nicht enttäuscht. Vor allem das Interesse aus Übersee erwies sich als erfreulich stabil und noch größer als im letzten Jahr. Immerhin setzte der Großteil der Aussteller - laut Angabe rund 3.000 mit zunehmend hohem Ausländeranteil - auf hochkarätige Besucher aus aller Welt.

Etwa 21.500 (32 Prozent) von den 66.978 Einkäufern kamen aus Europa und Übersee. Damit lag der Ausländer-Anteil um 13 Prozent höher als im September 2002. Besonders hervorgehoben wurden die deutlich mehr Besucher aus Osteuropa, vor allem aus Russland und der Ukraine, aber auch aus Asien (Japan und Nordamerika) wurde ein Anstieg der Besucherzahlen festgestellt. Überdurchschnittlich hoch war der Zuwachs aus Kanada, stark vertreten aber auch die Westeuropäer, allen voran die Deutschen, Spanier, Briten und Italiener. Die Zahl der französischen Einkäufer ist um ein Prozent gegenüber der Vorjahresmesse gestiegen.

Die einheimischen Fachbesucher orderten zwar vorsichtiger, setzten aber ebenso voll auf Neuheiten, neue Ideen und Kontakte, die es ihnen in den kommenden Monaten ermöglichen sollen, neue Aufträge oder rasche Nachorder zu erteilen. Die Maison & Objet habe sich, so die Messeleitung, als Treffpunkt hochrangiger internationaler Einkäufer etabliert, die dekorative und funktionale Produkte für das Wohnen oder als Geschenk aus dem mittleren bis gehobenen Genre mit hohem Zusatzwert suchten.

Weg mit der Furcht vor der Zukunft

Zahlen allein will die Messe nicht als Gradmesser ihres Erfolges sehen, sie tragen aber zur Aufmunterung bei. Nicht umsonst hieß das Thema dieser Messe im September "Lust" - und französische Trendscouts frönten diesem Lustprinzip und erläuterten es einfallsreich. Die Agentur Nelly Rodi animierte zur "Schatzsuche", denn es sei an der Zeit für Vergnügen, Üppigkeit und Überfluss. Elisabeth Leriche wollte mit ihrer kleinen Themenausstellung vor der Textilhalle "Happiness", also Glück ins Haus holen. Allen war daran gelegen, zeitgemäße und praktisch anwendbare Produkte zu präsentieren unter dem Aspekt Sinnlichkeit, Vergnügen und Luxus. Das funktionierte. Besonders Textilien wie Kissen, Plaids und Dekostoffe oder Porzellan, Glas und individuell gefertigte kunsthandwerkliche Objekte zeigten diese Freude an innovativen Formen, sprühenden Farbkombinationen, edelmetallischem Schimmern und Funkeln, eben bis zur Üppigkeit, aber noch nicht kitschig.

Das ist das Angenehme an dieser Messe und der ebenerdigen Hallenaufteilung: man verschenkt keine Zeit, weil man sich immer an Ständen vorbeibewegt, überflutet wird von Eindrücken, wenn man sie auch gar nicht extra sucht. Die "Paarung von Kreativität und Innovation" lautete das Messe-Credo. Die Aussteller müssen alle mithalten, kein Niveau-Gefälle, nur unterschiedliche Produkte. Viele der französischen Aussteller haben eigene Shops oder Boutiquen, auf jeden Fall Show-Rooms, meist in Paris. Sie sind an Kommunikation gewöhnt und sind sich der Attraktion ihrer Produkte sicher. Das entspannt bei der Interpretation und regt an.

Nicht umsonst heißt die "Seele" der Maison & Objet in Halle 5B "Scènes dIntérieur". Hier ist gewissermaßen die Anlaufstelle zur Inspiration, um Entwicklungen am Markt für Inneneinrichtung zu entdecken. Auf kleiner Fläche zeigen Kreateure modische Produkte oder Objekte in limitierten Auflagen. In erster Linie finden hier Innenarchitekten und Einrichtungsspezialisten die Plattfom für globale Konzepte zum Thema Wohnen und Lebenskunst, nicht nur Lifestyle. In den anderen Hallen vertiefen und spezialisieren sich die Angebote.

Erlebniswelt Textil

Textilien, dekorativ und praktisch integriert in Wohnkonzepte, sind in den Hallen 6, 4 und 5A zu finden. Die Halle 2 präsentiert sich als Erlebniswelt Textil - eine Halle für Spezialisten, die Überraschungen bietet, weil diese Aussteller rasch neue Trends für Materialien und vor allem Farbe aufgreifen und in Produkte des täglichen Lebens umsetzen, ohne dabei wertvolle handwerkliche oder von Qualität geprägte Traditon zu vernachlässigen. Im Gegenteil - traditionelle Textilkunst, modern umgesetzt in Materialien und Formen, verbrämt mit dekorativen Details und in trendigen Farben, standen hoch in Kurs. Preisgespräche spielen in Paris laut Ausstelleraussagen eine kleine Rolle und wenn, dann für den heimischen Markt. Man fährt nach Paris, um das Besondere zu finden und um sich damit im eigenen Wettbewerb abheben. zu können.

Der Name des Designers und seine spezielle Handschrift sind gerade im internationalen Geschäft ausschlaggebend für den Erfolg. Das gilt für große Häuser ebenso wie für "Einzelkämpfer" mit klarem Kollektionskonzept. Von Jahr zu Jahr wagen daher auch deutsche Textilhersteller einen Stand auf der Messe in Paris und bereuen es auch nicht im Interesse ihres internationalen Geschäfts (Eri Textiles, Rhomtuft, Viktor Rhomberg, Sander, Zoeppritz). Obwohl Tischkultur und Festlichkeiten wie Weihnachten zusammengehören, stand dieses Thema im Vergleich zu Bett-Inszenierungen mit Bettwäsche, Decken, Kissen, Night- und Homewear und vielen praktischen Accessoires nicht so stark im Blickpunkt. Es hatte den Anschein, dass viele Aussteller ihr auf bestimmte individuelle oder wertvolle Optik und Materialien aufgebautes Angebot nur im Detail vertiefen wollten und auf jeden Fall die Farbkompositionen dem Trend anpassten.

Tischläufer und Sets stehen weiterhin an erster Stelle und beschäftigen die Phantasie der Createure. Gerade im Bereich Scénes dInterieur fielen eigenwillige Innovationen aus neuartigen Materialien auf (Roberto Silvestrini Garcia). Schlicht, zurückhaltend in der Farbe und aus feinem Stoff ergänzten sie handwerklich verarbeitet und bestickt ausgefallene Porzellan- und Essgeschirr-Serien (Bodo Sperlein, Artichaut). Chris Mestdagh für Verilin wie auch andere Designer behielten ihre dezente Linie in Leinen bei, auch wenn der aktuelle Aufruf der Trendscouts eher verlocken möchte zu "Maximalismus". Der konnte sich austoben bei Kissen à la Ali Baba mit Silber, Gold, Platin und Kupfer. Auf modische Hochwertigkeit umgestellt hat Nydel seine Kollektionspräsentation, in der man - auch im Logo - die Marke José Houel mit den aparten Crinkle- und Taftqualitäten in den Vordergrund stellte.

Luxus, bezogen auf Material und Verarbeitung, war bei Bettwäsche, meist im Ensemble mit Badaccessoires (Manuel Canovas bei ITC, Pierre Frey bei Delorme, Olivier Desforges, Kenzo, Serge Lesage) zu finden. Uni Baumwoll- und Leinenbettwäsche mit Detailverarbeitung (Slabbinck, Catherine Denoual, Eline Hortense) wird international geschätzt neben den exquisiten Designerdrucken. Die Dessinierung ist oft großflächig allover floral oder grafisch schwungvoll auf weißem Fond, oder Ton-in-Ton gehalten bei Jacquards. Bett und Bad sind Themen, für die in Paris Geld ausgegeben wird. Die Kollektionen sind auch so konzipiert, dass sie nicht kurzlebig modisch sind, sondern sich immer wieder ergänzen und mit neuen Dessins verändern und erweitern lassen. In dieses dekorative und komfortable Spiel werden Kissen jeder Form, Decken und Plaids mit einbezogen. Der portugiesische Frottierwarenhersteller Lasa Internacional stellte zum ersten Mal aus und präsentierte Frottierware seiner neuen Lizenzmarke Viventy Bern Berger Bed & Bath. Zur nächsten Heimtextil 2004 in Frankfurt wird Lasa die hochwertige Designer-Lizenzmarke Guy Laroche by Lasa mit Jacquard-Bettwäsche und bestickten Frottiertüchern sowie mit Badteppichen vorstellen.

Einer der schönsten "Faktoren", für die man nicht an Luxus sparen möchte, sind Kinder. Auch die rückten Trendscouts und Designer liebevoll in den Blickpunkt. "Nichts ist zu gut für mein Baby!" Daran darf die Heim- und Haustextilien-Industrie nicht vorbei gehen, denn dieser Trend gilt zumindest im höheren Genre weltweit. In Frankreich tragen Versender diesen Themen verstärkt Rechnung und das Pariser Warenhaus "La Samaritaine" organisierte gerade eine Ausstellung "Die Welt des Kindes". Dabei soll besonders auch die Einrichtung des Kinderzimmers unter dekorativen Aspekten berücksichtigt werden.

Überzeugend einheitlich und einprägsam ist das Farbbild auf der gesamten Messe. Das fängt schon mit dem violetten Teppichboden als Hallen-Fußbodenbelag an. Diese Farbstimmung geht über auf die Stände und harmoniert. Die üppigen, warmen Farbtöne - Erde, Feuer, Wärme, Blut und Macht wie Purpur und Violett - passen zum Thema Lust. Daneben regen natürliche, fruchtige und Pflanzenfarben - Stein, Elfenbein, Lagune, Türkis, Tee, Minze, Mandel, Praline, Bernstein, Safran, Anis, Pfingstrose, Geranie, Granat, Flieder, Kirsche, Himbeer - den Appetit an und verführen zu farblichen Kombinier-Experimenten im Wohnbereich.

Die nächste Maison & Objet in Paris/Villepinte findet statt vom 23. bis 27. Januar 2004.
aus Haustex 11/03 (Wirtschaft)