Internationale Handwerksmesse München
Sich jedem Wettbewerb stellen
MÜNCHEN - Auf der 55. Internationalen Handwerksmesse (13. bis 19. März) präsentierte sich das deutsche Handwerk äußerst selbstbewusst und modern und betonte überzeugend seine kreative Überlegenheit und Vorreiter-Position in Sachen Lifestyle mit zahlreichen Themen bezogenen Ausstellungen.
Zwar mussten sich auch im deutschen Handwerk im vergangenen Jahr rund 5.000 Betriebe verabschieden, wodurch etwa 100.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben. Doch arbeiten immerhin rund 70 Prozent der Erwerbstätigen in kleinen und mittleren Unternehmen und sorgen in Deutschland laut Institut für Mittelstandsforschung, Bonn, für 43,5 Prozent der Bruttowertschöpfung.
Die 55. Veranstaltung mit fast 2.000 in- und ausländischen Ausstellern stellte das Handwerk als Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft heraus. Es war wohltuend, einmal nicht nur Klagelieder zu hören. So hatte auch die Gesprächsrunde zum Auftakt der Messe mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, Dieter Philipp, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Ministerpräsident Edmund Stoiber, Wolfgang Herrmann, Präsident der Technischen Universität München, sich das Motto "Mittelstand offensiv" ausgewählt. Dabei wurde konstatiert, dass der Mittelstand Boden unter den Füßen verliert, obwohl er ein ökonomischer Riese ist.
Heinrich Traublinger, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern und Aufsichtratsvorsitzender der Gesellschaft für Handwerksmessen sagte, dass Bund und Länder mit Programmen zur Förderung des Mittelstands zur Zeit konkurrieren. Alle versprechen Abbau von Bürokratie und unsinnigen Vorschriften und Entlastung der Unternehmen über die Steuergesetzgebung. Traublinger lobte auch, durch neue Regeln die mittelständischen Unternehmen bei der Erbschaftssteuer abzusichern. Auf diese Weise werden der Weiterbestand der Betriebe im Wechsel der Generationen gesichert. Allein in Bayern stehen demnächst 40.000 Handwerksbetriebe mit rund 250.000 Arbeitsplätzen zur Übergabe an.
Das Handwerk nimmt seit jeher als Ausbilder des Nachwuchses für die Wirtschaft eine hervorragende Stellung ein. 83 Prozent aller Lehrlinge werden in mittelständischen Betrieben ausgebildet und 34 Prozent entscheiden sich für einen Handwerksberuf.
Dass das Handwerk nur so von "Geistesblitzen" getrieben wird, zeigten Sonderschauen wie "handwerk-up-to-date", "Zukunft schaffen - innovative Techniken - neue Märkte", oder "Internationale Talente", "Fit for Business" und die Aktion "Young Generation - Entdecke Deine Zukunft". Die kreativen Sonderschauen sollen dem Handwerk einen Schub in die richtige Richtung geben. Ein Beispiel dafür war die Sonderschau "Internationale Talente", eine Tochter der erfolgreichen "EXEMPLA". Gefragt war Freude am Experimentieren mit künstlerischem Touch. Hier wurde viel zukunftsorientiertes Ideenpotenzial sichtbar, von dem manche Signalwirkung ausgehen kann.
Auch auf dem texilen Sektor tat sich einiges. Dana Cohen-Dinur aus Israel legte eine Arbeit "Third Dimension" vor, eine textile Installation, wie sie es bezeichnete. Detail: Nylon, Silikon, zweischichtig gestrickt, Gewebeeinlagen in gemischter Technik. Die Innenarchitektin kam auf den Gedanken, aus einem zweidimensionalen Raster eine dritte Dimension zu schaffen. Die Gewebe wurden auf einer Stoll-Maschine hergestellt. Sehr originell war ein Diptychon von Pavlina Nedelové aus Tschechien, genannt "Mein eigener Schatten", handgewirkt aus Wolle und Polypropylen. Oder ein Dekostoff der Engländerin Vicky Thompson, die Materialkombinationen erforscht, um jenseits herkömmlicher Ansätze neue Oberflächen zu erschaffen. Für innovative Leistungen gibt es alljährlich auf der I.H.M Bundespreise sowie Bayerische Staatspreise, die je mit 5.000 Euro dotiert sind. Dazu erhalten die Ausgezeichneten eine Goldmedaille und eine Urkunde.
Die Messe erfreute sich wieder eines lebhaften Besucherstroms. Neben dem üblichen Publikum führt das straff organisierte Handwerk in großer Anzahl seine Handwerksjugend bis hin zum Handwerksmeister mit seinen Gesellen zur Messe. Für den Handwerker bieten sich hier einmalige internationale Vergleichsmöglichkeiten auf allen Fachgebieten. Gleichzeitig erfährt er Neues aus der Technik.
Das Publikum informierte sich vornehmlich über Bau- und Renovierungsmöglichkeiten bis hin zur Inneneinrichtung. Die Halle des Internationalen Kunsthandwerks, ein riesengroßer Basar, auf dem wie immer zahlreiche Nationen vertreten waren und wo es viel Exotisches gibt, bleibt trotz Übersättigung der Privathaushalte an derlei Objekten für viele Besucher ein Anziehungspunkt.
Bei der Fülle des Gebotenen kommt doch immer wieder Freude auf! Es gab auf der Messe so viele ästhetische Formen und "ehrliche" Qualitäten zu sehen, dass man an den so genannten "Messewanzen" und auch manchen Scheußlichkeiten von Händlern schnell vorbeihuschen konnte. Offenbar spielt hier der Commerz bei allem Streben nach Hochwertigem und Qualität bis ins kleinste Detail bei der Vermietung wohl eine Rolle.
Zum sechsten Mal wurde in München auf der Messe der Marketingpreis des deutschen Handwerks ausgeschrieben, diesmal unter dem Slogan "Klappern gehört dazu". Das Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro spendete Mercedes-Benz.
Die meisten Kunden, so wird argumentiert, kaufen nicht in einem Betrieb, der gut ist, sondern bei einem, von dem sie wissen, dass er gut ist. Hierin sieht man einen gravierenden Unterschied und Wettbewerbsvorteil. Auch mit dieser Aktion zeigt das Handwerk, dass es sich jedem Wettbewerb stellen will und kann.
aus
Haustex 04/03
(Wirtschaft)