Erfolgreiche Initiative "Heimtextil against Copying"
Produktpiraten im Abseits
FRANKFURT - "Es ist geradezu unglaublich, mit welcher Professionalität und Dreistigkeit Produktpiraten heutzutage ans Werk gehen", sagt Ulrike Wechsung, Objektleiterin der Heimtextil bei der Messe Frankfurt GmbH. "Minifotochips in Unterhosen versteckt bis hin zu Spionkameras in Kugelschreiberform hat unser Sicherheitspersonal beschlagnahmt. Wenn die technischen Entwicklungen weiterhin so rasant fortschreiten, wird die Kontrolle für uns immer schwieriger."
Nicht nur Kameras und Filme wurden auf der letzten Heimtextil, Internationale Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien, vom 8. bis 11. Januar 2003, konfisziert. Auch eine ganze Reihe von Kopierern wurden auf frischer Tat ertappt und von der Messe verwiesen. Unter dem Motto "Heimtextil against Copying" (kurz HAC) waren eine renommierte Anwaltskanzlei und der Sicherheitsdienst der Messe Frankfurt rund um die Uhr im Einsatz. Von gütlichen Einigungen zwischen Geschädigtem und Kopierer bis hin zu Handgreiflichkeiten oder Erpressungsversuchen war alles dabei.
Zielgerichtetes Fotografieren war angesagt: Besonders gut ausgerüstete Fotografen führten zum Beispiel Listen mit 15 aufgeführten Ausstellern mit sich, deren Stände und Produkte sie nach und nach abfotografierten - bis das Sicherheitspersonal sie gestellt hat. Das Fazit nach vier Fachmessetagen: Insgesamt 1.000 gelöschte Bilder und rund 270 vom Gelände verwiesene "Fotosünder". Zuvor wurden Reisepässe kopiert, unbefristete Hausverbote ausgesprochen, Jahres- oder Dauerkarten eingezogen. Das hat auch seinen guten Grund: Denn das Fotografieren war und ist zum Schutze der Hersteller auf der Messe bereits seit den Anfängen verboten. Trotz Sicherheitspersonal blitzte es in den vergangenen Jahren aber immer wieder in den Messehallen. 2003 sprach die Messeleitung deshalb erstmals ein Kameramitführverbot aus (dies gilt natürlich nicht für die Presse). Für eine bessere Kontrolle sorgte zusätzliches Sicherheitspersonal. Schließfächer oder spezielle Kameradepots standen für die mitgebrachten Kameras bereit. Viele Besucher nutzten diese Depots freiwillig. 202 Personen wurden nach Anweisung der eingesetzten Fotokontrolleure zu den jeweiligen Depots begleitet. Acht Personen, die Detailfotos angefertigt haben und gegen die die Aussteller Strafantrag gestellt haben, landeten bei der Messe-Polizeiwache. Weiterhin wurden bei 37 Personen die Chips der Digitalkameras ausgelesen.
Ein besonders abschreckendes Beispiel für die Messeleitung waren zwei Aussteller, welche die Produkte ihrer Konkurrenten fotografiert haben. Einer davon hatte sogar einen hohen Bargeldbetrag angeboten, um die Angelegenheit vergessen zu machen. Das zeigt deutlich, dass das Kopieren auf der Messe von langer Hand geplant wird. Die betroffenen Aussteller haben Strafanzeige gegen diese Fotografen gestellt. Die Messeleitung hat sie sofort von der Messe verwiesen - sie werden von einer weiteren Heimtextil-Teilnahme ausgeschlossen.
Es kam aber auch zu gütlichen Einigungen zwischen Geschädigten und Kopierern. Das heißt, die Kopierer zeigten sich kooperationsbereit und sagten zu, den weiteren Vertrieb der kopierten Muster einzustellen. Die beanstandeten Muster entfernten sie vom Stand als auch aus den Muster-Katalogen. Ein dreister Kopierer hingegen hat sich die rechtlichen Möglichkeiten zu Nutze gemacht und seine kopierten Muster als Geschmacksmuster in Deutschland eintragen lassen. Ein anderer Kopierer, der gleich in mehreren Fällen auffiel, hat selber den Stand geschlossen, nachdem ihn mehrfach der Rechtsanwalt, das Sicherheitspersonal und Vertreter des U.S. Department of Commerce aufsuchten. In weiteren Fällen wurde Beweismaterial in Form von Fotos oder Mustern sichergestellt, um die anschließende Rechtsverfolgung zu erleichtern.
Insgesamt haben sich die Aussteller sehr positiv zum aktiven Eingreifen seitens der Heimtextil Messeleitung geäußert. Das HAC-Büro wird während der nächsten Heimtextil 2004 ebenfalls wieder mit der Kanzlei zusammenarbeiten und den Ausstellern zur Seite stehen. Produktpiraten sollen auf der Heimtextil keine Chance mehr haben. "Auch in Zukunft werden wir diesen Leuten das Leben maßgeblich erschweren", so Ulrike Wechsung abschließend.
aus
Haustex 04/03
(Wirtschaft)