50 Jahre Industrievereinigung Chemiefaser
Den Herausforderungen der Zukunft begegnen
München - Am 23. Juni fand die jährliche Mitgliederversammlung der Industrievereinigung Chemiefaser e.V. (IVC) satt. Als Tagungsort wurde München gewählt, wo im Anschluss an die Mitgliederversammlung am 24. Juni das 50-jährige Jubiläum der IVC begangen wurde.
In diesem Jahr stand die turnusmäßige Neuwahl des engeren Vorstandes auf der Tagesordnung. Der bisherige Vorsitzende der IVC, Bernd Sassenrath von der Trevira GmbH (Hattersheim), der den Vorsitz seit drei Jahren inne hatte, trat aus Altersgründen ebenso wenig zur Wiederwahl an wie sein Stellvertreter Günter Singer von der Invista (Deutschland) GmbH (Östringen).
Als neuer Vorsitzender der IVC wurde für die nächsten drei Jahre Dr. Heinrich Koch von der Kelheim Fibres GmbH (Kelheim) gewählt. Das Amt des Stellvertreters übernahm Dr. Hartmut Kratzke von der Rhodia Performance Fibres GmbH (Neumünster). Beide traten ihr Amt ab dem 1. Juli 2005 an. Peter Wack von der Acordis GmbH (Wuppertal) wurde als Schatzmeister bestätigt.
Auf der Mitgliederversammlung wurden auch die offiziellen Marktdaten der IVC für das Jahr 2004 vorgestellt. Demnach war das Jahr 2004 für die deutsche Chemiefaserindustrie ähnlich wie die Vorjahre mit großen Anstrengungen verbunden, um sich im insgesamt schlechten wirtschaftlichen Umfeld erfolgreich behaupten zu können. Zwar war der Absatz zufriedenstellend, das Ergebnis jedoch weniger. Hierfür waren vor allem die gestiegenen Rohstoffpreise verantwortlich. Den zunehmenden Kostensteigerungen konnte nur durch eine Reduzierung der Beschäftigten um -3,8 Prozent auf 12.600 begegnet werden. Höherwertige Qualitäten waren von den Belastungen weniger stark betroffen als Standardprodukte. Insgesamt setzte sich der Trend der Nachfrage in Richtung qualitativ und innovativ hochwertiger Produkte aus Europa fort.
Die IVC betont, dass mit entscheidend für den fairen globalen Wettbewerb ein Umfeld ist, in dem Dumping keine Chance hat. Da die Chemiefaserbranche in ganz Europa Beihilfen für die Kapazitätsausweitung ihrer Betriebe strikt ablehnt und dadurch aus eigenen Kräften erstarkt ist, sind Maßnahmen gegen Dumping - wie sie z. B. aktuell im Frühjahr 2005 gegen Einfuhren von Polyesterstapelfasern aus China und Saudi-Arabien verhängt wurden - unverzichtbare Elemente zur Aufrechterhaltung eines fairen Welthandels. Forderungen von Betrieben entlang der weiteren textilen Wertschöpfungskette nach Import von extrem kostengünstigen Waren bieten nur kurzfristige Lösungen, sie sind kein Ersatz für nachhaltige Anpassungen an gewandelte Marktstrukturen.
Im Vergleich zum Jahr 2003 konnte eine moderate Steigerung der deutschen Chemiefaserproduktion um +1,2 Prozent von 929.000 t auf 940.000 t verzeichnet werden. Dieser Tendenz folgte der Umsatz, der mit 2,8 Mrd. Euro um +3,7 Prozent über dem Vorjahresniveau liegt. Dieses ist u. a. auf eine Erhöhung der Produktionsmenge von cellulosischen Chemiefasern um +6,3 Prozent zurückzuführen, die damit einen Anteil von 22 Prozent (202.000 t) der Gesamtproduktion einnehmen.
Im Segment der synthetischen Chemiefasern trug Polyacrylnitril mit einer erfreulichen Wachstumsrate von +5,3 Prozent auf 198.000 t zur Produktionserhöhung bei. Fasern aus Polyester konnten trotz eines erheblichen Importdrucks ihre Position mit +1,1 Prozent Zuwachs auf einem Niveau von 283.000 t festigen. Die Produktion von Polyamidfasern dagegen zeigte sich mit -3,3 Prozent auf 176.000 t weiterhin rückläufig.
Der Export wurde mit +3,4 Prozent auf 841.400 t ausgebaut, was einem erhöhten Import von Chemiefasern von +3,8 Prozent und damit 451.000 t gegenübersteht. Wie in den letzten Jahren ist der westeuropäische Markt mit 70 Prozent Exportanteil weiterhin sehr bedeutsam für die deutsche Chemiefaserindustrie, wobei die Türkei mit beinahe 9 Prozent hierzu mit beiträgt. Durch die Erweiterung der Europäischen Union im Jahr 2004 nimmt der europäische Binnenmarkt einen Anteil von 60 Prozent für den Export deutscher Chemiefasern ein. An weiterer Stelle sind Exporte in den asiatischen Raum mit 12 Prozent von Bedeutung.
Erfreulich zeigt sich die seit einigen Jahren beobachtete vermehrte Verarbeitung von Chemiefasern in Deutschland, die mit +5,3 Prozent erneut über dem Vorjahresniveau von 642.000 t liegt. Dieses geht vor allem zu Lasten der Baumwollverarbeitung, die im Vergleich zum Jahr 2003 einen Rückgang von -22,7 Prozent hinnehmen musste.
Weiterhin ungebrochen ist die Verarbeitung von Chemiefasern zu technischen Textilien, die eine Steigerung von +4,3 Prozent zeigen. Eine Verdrängung anderer Faserarten tritt dabei aber nicht ein, da technische Textilien - zu denen auch Medizin- und Hygieneprodukte zählen - ohnehin schon zu 99 Prozent aus Chemiefasern hergestellt werden. Der vermehrte Absatz in diesem Segment ist also auf die Erschließung neuer Märkte mit innovativen Anwendungen zurückzuführen.
Dieses ist umso wichtiger, weil China seinen Weltmarktanteil im Jahr 2004 um weitere 12 Prozent gegenüber dem Jahr 2003 gesteigert hat. Betrachtet man das vor dem Hintergrund insgesamt gestiegener weltweiter Chemiefaserproduktionen, so bedeutet dieses eine Erhöhung chinesischer Produktionsmengen um +22 Prozent. Mit Bezug auf das Jahr 1993 erhöhte China seine Chemiefaserproduktionen um 700 Prozent, die nicht nur im chinesischen Inlandsmarkt Absatz finden, sondern verstärkt auf den europäischen Markt drängen.
Mit Blick auf das laufende Jahr 2005 konnte im 1. Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar ein leichter Anstieg der Produktionsmengen beobachtet werden, dem jedoch ein Umsatzrückgang gegenüber steht. Auch konnte die Exportrate erneut gesteigert werden, was sich aber vor dem Hintergrund eines hierzu dreifach höheren Anstiegs der Importrate relativiert. Die zunehmenden Importe übten auf dem heimischen Markt einen entsprechenden Druck aus. Absatzeinbrüche hinnehmen mussten Filamente für textile Anwendungen. Dieses gilt gleichermaßen für Polyamid, Polyester und Viskose.
Wie bereits im Vorjahr entwickelte sich in diesem Jahr das Umfeld für Filamente im technischen Anwendungsbereich weiterhin deutlich positiv, da zunehmend neue Einsatzmöglichkeiten und Märkte erschlossen werden können. Ebenso erfreulich erwies sich der Start ins Jahr 2005 für Spinnfasern, wobei das bereits im Vorjahr erreichte Niveau mindestens gehalten wurde.
Generell setzt sich der Trend zum Einsatz höherwertiger Chemiefasern aus deutscher Produktion in technischen Anwendungen fort, wohingegen der textile Commodity-Bereich von importierten Chemiefasern dominiert wird. Die IVC-Mitglieder werden auch weiterhin ihre Stärke aus Innovationen beziehen. Dieses ist seit Gründung der Industrievereinigung Chemiefaser e. V. (IVC) vor 50 Jahren der einzig Erfolg versprechende Weg, um den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu begegnen.
aus
Haustex 09/05
(Wirtschaft)