Holzland-Podiumsdiskussion in Hannover
Zukunftssuche zwischen Luxus und Discount
Wenn das Motto "Geiz ist geil" Schule macht, muss der (Holz-)Fachhandel dann Qualität zu Discountpreisen anbieten und versuchen, dennoch auf seine Kosten zu kommen? Oder kann er gegen den Trend bestehen und eine "Gegenkultur" entwickeln? Nicht nur spannende, sondern für den Holzfachhandel existenzielle Fragen, die die Diskussionsrunde in Hannover im Rahmen der Holzland-Veranstaltung beschäftigten.
Holzhandel in der Zukunft: Die Wertschöpfungskette an den Bedürfnissen des Kunden ausrichten" - wer zu solchem Thema eine Podiumsdiskussion veranstaltet, hat die Wahl zwischen Pleite oder Provokation. Die Holzland-Kooperation entschied sich für "interessante und kontroverse Denkanstöße" und platzierte in der Podiumsrunde Manfred Maus, den Gründer und Aufsichtsratsvorsitzenden der Obi Bau- und Heimwerkermärkte und Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbandes der Bau- und Heimwerkermärkte BHB. Seine Ansichten erwiesen sich als bestens geeignet, Meinungskartelle aufzumischen.
Im vollbesetzten großen Saal im Convention Center diskutierten: Bernhard Daxenberger (Schreinerei Daxenberger in Seeon), Edwin Steffen (Geschäftsführer der Holzhandlung Leyendecker in Trier), Bernhard ter Hürne (Geschäftsführer der Holzwerke Terhürne in Südlohn), Hans-Peter Wimmer (Holzwerke Wimmer in Pfarrkirchen), Karl A. Wildermuth (Holzzentralblatt) sowie Manfred Maus (Obi) unter der Leitung von Josef Breidenbach, Unternehmensberater aus Köln. Dabei ging es letztlich um die Frage, wie sich der Holzfachhandel für Kunden attraktiv machen kann und wie weit er dabei "zeitgeistig" werden muss.
In seiner Begrüßung versah Holzland-Geschäftsführer Thomas A. Baur das Diskussionsthema mit einem Fragezeichen: "Stimmt die Wertschöpfungskette noch?" Und auf Holzland bezogen: "Wirkt die Kooperation als ein Bindeglied?" Nach wenigen Minuten war ausgemacht, welches Phänomen dem Holzfachhandel derzeit die Orientierung erschwert: Wo soll er sich im Spannungsfeld zwischen "smart shopper" und Schnäppchenjäger positionieren?
Was tun, wenn die Tendenz anhält, dass der Kunde für weniger mehr will? Baur spitzte es auf die Kernfrage zu: "Ist der Kunde noch bezahlbar?"
Manfred Maus leistete den ersten Diskussionsbeitrag: "Jeder ist Schnäppchenjäger", behauptete er. Selbst in der Luxuskategorie, betonte er, mache heute jeder Käufer und jeder Hotelgast irgendeinen Deal. Überall würden ihm - wie auch immer begründete oder beschaffene - Vergünstigungen eingeräumt.
"Wer den Listenpreis zahlt, hat keinen Durchblick", provozierte Maus. Insgesamt gab er zu verstehen, dass Luxus und Low price einander nicht ausschließen müssen und der aufgeklärte Kunde solche Angebote heute bereits erwarte. Differenzierter sah dies Bernhard ter Hürne. Den Kunden - Schnäppchenjäger oder smart shopper - gebe es nicht, wendete er ein. Das Verhalten der Verbraucher sei schwankend, abhängig von Lebenszyklen und vielen aktuellen Einflussfaktoren.
Folglich sei es eine falsche Botschaft an den Holzfachhandel, sein Augenmerk auf eine Klientel - die Klientel mit Discountmentalität - zu fixieren. Allein den Reiz eines günstigen Preises auszuspielen, sei für den Fachhandel "tödlich". Der Fachhandel müsse nicht in erster Linie den Preis entwickeln, sondern Kreativität.
In diese Richtung wiesen auch die anderen Podiumsteilnehmer. Sie waren sich darin einig, dass die Zukunft vom Holzfachhandel anders gestaltet und gewonnen werden müsse, als von den Baumärkten. Bernhard ter Hürne trennte zwischen Bedarf und Bedürfnis: "Darin liegt ein großer Unterschied und eine Riesenchance für den Holzfachhandel", betonte er. Während bei Baumärkten Frequenz und Preis im Vordergrund stünden, verstehe sich der Fachhandel in starkem Maße als Dienstleister für individuelle Bedürfnisse und Problemlösungen. "Wir verkaufen Zeit" und wir müssen funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk", brachte Edwin Steffen die nötige persönliche Zuwendung zum Kunden und die dafür erforderliche Professionalität auf eine Formel. Für den innerbetrieblichen Gebrauch empfahl er: "Stellen Sie Menschen in den Mittelpunkt. Vertrauen Sie ihnen, und hören Sie zu".
Aus der Sicht des Handwerks erweiterte Bernhard Daxenberger den Anforderungskatalog in Richtung Qualität: "Ein guter Dienstleister kann nur Qualität verkaufen". Kundengewinnung und Kundendienst sah er erschwert durch die meist zu schmale Finanzdecke in Handwerk und Gewerbe: "Um an Kunden heranzugehen und den Markt zu bearbeiten, fehlt das Geld."
Manfred Maus vermutete, dass oftmals nicht nur Geld fehle und hakte ein: "Haben Sie die Erwartungen Ihrer Kunden schon einmal abgefragt?" Auch unter großen Unternehmen sei weit verbreitet, dass sie an den Konsumenten vorbei agierten. Dagegen fänden sich im Discountbereich die weltweit erfolgreichsten Unternehmen wie beispielsweise Aldi, Ikea oder Walmart - "Zufall?" Den Werbeslogan "Geiz ist geil" hielt Maus zwar auch für absurd, aber: "Die Kunden reagieren." Inzwischen sei die Erwartung "höchster Qualität zum niedrigen Preis" auf dem Wege, zu einer Massenbewegung zu werden. Zumindest sei sie bereits stark ausgeprägt, betonte Maus und riet dem Fachhandel zur "Wahrnehmung der Realität". Statt "alten Strukturen nachzulaufen", solle sich der Holzfachhandel den offenkundigen Veränderungen stellen. Der Obi-Gründer vermutete, dass der Trend zum preisgünstigen und dabei hochwertigen Produkt mindestens zehn Jahre anhalten werde. Viele große Unternehmen seien entgegen ursprünglicher Überzeugung deshalb längst auf diesen Trend eingeschwenkt. Grundsätzlich sei es heute kaum noch möglich, sich allein über Qualität zu positionieren und zu profilieren. "Um eine Preisaussage kommen Sie nicht herum", warnte er den Handel.
Der Spagat zwischen niedrigem Preis und hoher Qualität erfordere allerdings unternehmerische Disziplin und Konsequenz, betonte Maus. Voraussetzung für ein preisorientiertes Angebot sei, dass die Produktivität stimme. Dann gelte: "Reduziere den Preis, um mehr zu verdienen." Bernhard ter Hürne veranlasste diese Aufforderung zu der Frage, "gegen wen" Handel und Hersteller animiert würden, effizienter und preisaggressiver zu werden. Das von Baumarkt-Seite hochgespielte Preis-Argument sei nur relevant, wo der Preis absolut vergleichbar und dadurch aussagefähig sei. Der Fachhandel sei besser beraten, sich mit weniger vergleichbaren Produkten zu profilieren, betonte er. Maus hielt dagegen: Das Problem sei, dass es von allem zuviel gebe. Als Wettbewerbsvorteil bleibe da "allein der Preis".
Auf jeden Fall bleibe die Notwendigkeit, den Kunden zu erreichen - für Hans-Peter Wimmer eine Herausforderung, die konstruktiv angegangen werden sollte. Er plädierte dafür, sich um mehr Wissen über Meinungs- und Markttrends zu bemühen. Der Handel müsse sich stärker mit Kundenmentalität und Kundeninteressen auseinandersetzen, um erfolgreich agieren bzw. reagieren zu können. Er verwies auf das Beispiel von Walmart in den USA: Die Discount-Kette schätze nach dem Anschlag auf das World Trade Center das Nationalbewusstsein richtig ein und bot als erstes Unternehmen US-Fahnen und -Fähnchen an. "Wir müssen schneller und flexibler werden. Dazu ist es erforderlich, den aktuellen Informations- und Datenfluss zu beschleunigen. Wir brauchen nicht rückwärts gewandte, sondern vorausschauende Auswertungen", betonte Wimmer.
Mit der Preis-Debatte wurde auch die Frage nach der Rolle der Einkaufs-Kooperationen ausgelöst. Aggressiver Verkauf setze günstigen Einkauf voraus. "Alleine schaffen Sie das nicht mehr", unterstrich Maus die Bedeutung der Einkaufs-Kooperationen für den Fachhandel und ermunterte den Veranstalter: "Machen Sie mehr aus der Marke Holzland!" Auch Bernhard ter Hürne hielt Kooperationen für wichtig und stärkenswert.
Ein noch engeres Miteinander von Herstellern und Handel könne die schnellere Reaktionsfähigkeit bewirken, die betonte ter Hürne. Thomas A. Baur sah die Kooperation im Wandel. Wichtig sei, dass sie das Thema Veränderung grundsätzlich aufnehme und bereit sei, Kontroversen auszutragen. Es bedürfe des Anstoßes von außen, um sich darüber klar zu werden, "was der Souverän Kunde uns künftig abverlangt und welche Prozesse wir künftig gemeinsam gestalten müssen."
Übereinstimmend wurde von allen Seiten auf derzeit beste Chancen für den Holz(fach)handel hingewiesen. Eine Flut von Wohnzeitschriften und TV-Sendungen nehme sich momentan "schöner" Themen wie LifeStyle, Wohnen und Wellness an. "Es war noch nie so reizvoll, auf diesem Gebiet tätig zu sein wie heute", ermunterte und ermutigte Bernhard ter Hürne den Holzfachhandel.
aus
Parkett Magazin 06/04
(Wirtschaft)