Bundesverbandstag 2004 blickt nach Europa
"Unsere Zeit steckt voller Möglichkeiten"
Der Bundesverbandstag 2004 des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik wurde auf Initiative des ehemaligen Hamburger Obermeisters Hans-Jürgen Schmudlach nach 20 Jahren erstmals wieder in der Hansestadt abgehalten. Gut 70 Teilnehmer besuchten dort in den Räumen der Handwerkskammer Stände von 25 Ausstellern der Branche und hörten in Vorträgen die durchgängige Botschaft: "Alle Unternehmer sollten sich darauf besinnen, etwas zu unternehmen, statt schlechte Zeiten zu beklagen."
Es war BEB-Chef Hans Uwo Freese, der die Parkettleger aufrief, "selbst zu gestalten, statt sich gestalten zu lassen". Der Vertreter der Estrichleger, die in immer engeren Kontakt mit den Bodenlegern treten wollen, blieb nicht der einzige, der dieses gemeinsame Anliegen aller Handwerksbetriebe beschwor. Ad van Mierlo, Vertreter der holländischen Parkettleger, rief seine deutschen Kollegen auf, sich europaweit zu organsieren: "Die Industrie hat das mit der FEP schon lange getan, nur die Parkettleger haben das versäumt." Auch der Leiter der Fachgruppe Bodenleger, Karsten Krause, rief seine Kollegen auf, "gegenüber der Industrie den Finger zu heben". Allerdings in nationalem Rahmen. Dazu sei z.B. die TKB-Tagung eine Pflichtveranstaltung: "Der Industrie ist durchaus daran gelegen, dort mehr Kommunikation mit Handwerkern zu haben."
Nichts geht ohne EU
Alle Redner hoben hervor, welche Bedeutung das europäische Recht künftig für die Branche hat. Weil es hier erhebliche Änderungen gegeben hat, wird etwa die deutsche Schnittstellenkoordination für Heizestriche überarbeitet. So ist der Wärmedurchlasswiderstand für Böden auf Fußbodenheizung von 0,17 auf 0,15 KW/qm gesenkt worden. Da die für Architekten gedachte Broschüre in der Vergangeheit zu teuer angeboten und daher kaum genutzt wurde, möchten die Parkettleger das künftige Formblatt zum kostenlosen Herunterladen ins Internet stellen.
Auf neue europäische Rahmenbedingungen machte auch Gunther Bonz, Staatsrat der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Arbeit, aufmerksam: "Jeder Handwerker sollte die Richtlinien kennen. Denn die öffentliche Hand schreibt ihre 100 Mrd. EUR jährlicher Aufträge künftig nach europäischem Recht aus." Das kann durchaus unliebsame Überraschungen geben. So ist etwa eine Chemikalien-Richtlinie in Arbeit, deren Verabschiedung bedeuten würde, dass jeder Parkettleger für den Klebstoff haftet, den er anwendet - ganz gleich, ob es noch andere Haftungsformen gibt. Sollte diese Richtlinie in Kraft treten, ist zwar der Hersteller nicht aus dem Schneider, doch der Handwerker kann zusätzlich belangt werden.
Norbert Strehle, im Verbandvorstand für die EU-Normen zuständig, bestätigte die Problematik: "Wer sich jetzt des Themas Gefahrstoffe nicht annimmt, ist selber schuld. Für Verfehlungen gibt es hohe Strafen." In der Überarbeitung der TRGS 617 (Versiegelungen) nämlich wird eine neue Denkweise vorgezeichnet. Statt die Verwendung gesundheitsschädlicher Stoffe in besonderen Ausnahmefällen zuzulassen, lautet die Richtung nun: Besteht eine Situation, in der ein Bodenbelag nur mit schadstoffhaltigen Materialien verlegt werden kann, darf er eben nicht mehr verlegt werden. Zur Verarbeitung von Expoxydharzen, so Strehle, wird es zudem eine ganz neue TRGS geben.
Doch nicht Angstmacherei vor neuen Verordnungen ist das Thema der Stunde. Vieles ist einfacher und klarer geworden. Von 10 europäischen Normteilen für Parkett sind bisher 6 in Kraft getreten. Sie behandeln Stabparkett, Mosaikparkett, 10-mm-Lamparkett, holländisches Tapis-Parkett, massive Laubholzdielen und Mehrschichtparkett. Noch in Arbeit sind Normen für Nadelholzdielen, Hochkantlamellen und - für Hersteller von Bedeutung - die Konformität der Parkettprodukte mit anderen Maßgaben, etwa dem Brandverhalten.
"Holt doch polnische Handwerker"
"Unser Zeitalter steckt voller Chancen", rief Dr. Jürgen Hogeforster die Handwerker zu mehr Mut auf. "Es stimmt nicht, dass sich nichts bewegt." Statt Steuersenkungen plädiert Hogeforster für mehr Steuergerechtigkeit, Sozialabgaben will er durch Heranziehung von Kapitalerträgen oder Mehrwertssteuerhöhung umfinanzieren und in der Ausbildung sieht er die Schaffung einer neuen Handwerkselite nicht über die Beibehaltung des Meisterbriefes, sondern in einem Bachelor-Studiengang, der einen europaweit anerkannten Handwerker auf Ingenieursniveau bringt. In anderen europäischen Staaten sind diese Maßnahmen längst Realität.
Provokanteste These Hogeforsters aber ist das freimütige Bekenntnis zum Billiglohn. "Europa ist auf offene Grenzen ausgelegt. Da kann man das Kommen billiger Arbeitnehmer nicht verhindern." Deshalb sollten deutsche Handwerksbetriebe sich in Kooperationen offen dieser Arbeitskräfte bedienen - zumal es in Deutschland einen zunehmenden Facharbeitermangel gäbe. Gleichzeitig könne der deutsche Betrieb technisch anspruchsvolle Aufträge im Ausland ergattern. Denn polnische Betriebe hätten aufgrund ihrer technisch schlechten Ausstattung nur ein Drittel der Produktivität deutscher Unternehmen. Für deutsche Betriebe ergäbe sich im Mix mit der Beschäftigung polnischer Handwerker, die im Lohn nur ein Viertel hiesiger Kosten verursachen, ein klarer Vorteil.
Lehrlingszahlen sinken
Die Notwendigkeit der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte könnte auch aus den sinkenden Lehrlingszahlen hervorgehen. Dem dramatischen Rückgang von 14,5 % im Vorjahr erfolgte ein erneutes Minus von 4,2 % im laufenden Jahr. Derzeit sind 746 Parkettleger in der bundesweiten Ausbildung. Noch düsterer sieht es bei den Bodenlegern aus. Der neu geschaffene Ausbildungsgang hat derzeit nur 211 Lehrlinge aufzuweisen.
Bundeslehrlingswart Heinz Brehm: "Wir können unsere Schulen nur stabilisieren, wenn wir dort auch die Bodenleger unterrichten." Um geeigneten Nachwuchs überhaupt zu entdecken, möchte Brehm den Betrieben einen selbst entwickelten Eignungstest an die Hand geben. Lehrlingswartin Beatrice Baumann und Berufsschullehrer Karl Remmert haben mitgewirkt. Noch nicht abgeschlossen ist die Modernisierung der Parkettlegerausbildung. Im Herbst werden die damit beschäftigten Ausschüsse zusammentreten, um das Prüfungswesen neu zu gestalten.
Aus den übrigen Fachgruppen
Karsten Krause von der Fachgruppe Bodenleger, beklagte die geringe Anzahl an Bodenlegerlehrlingen in Deutschland. Dabei gäbe es "fünfzig mal mehr Bodenlegerbetriebe als Parkettlegerb etriebe". Zur Motivation fordert Krause eine Meisterausbildung für Bodenleger, die teilweise zusammen mit Parkettlegern und sogar mit Estrichlegern absolviert werden könne.
Keine Sorgen bei der Ausbildung hat derzeit Sönke Stoltenberg. Er ist zuständig für die Sachverständigen. Sechs bis acht Neulinge kommen pro Jahr zu den gestandenen Gutachtern hinzu. Stoltenberg: "Die Prüfungsergebnisse zeigen ein besseres Leistungsbild als in der Vergangenheit."
Während sich die Holzpflastergruppe auf der Messe Denkmal in Leipzig dem Programm der Restauratoren anschließen will, denken Letztere schon in weite Ferne: Im kommenden Jahr ist eine Reise nach Japan geplant. Zunächst allerdings beginnt im Januar 2005 in Ehingen die zuletzt ausgesetzte Fortbildung zum geprüften Restaurator im Parkettlegerhandwerk.
Hans Kok, Leiter der EDV-Gruppe, weist auf seine Mitgliederversammlung am 11. September in Kassel hin. Dort wird anhand eines realen Beispiels der datentechnisch gestützte Geschäftsvorgang einer Parkettverlegung vom Kundenanruf bis zu Rechnungsstellung dargelegt.
Gewünschte Holzfeuchte angeben
Die Europäische Norm lässt in Europa für Parketthersteller eine Bandbreite der Holzfeuchte von 7 bis 11 % zu. Es heißt dort aber auch: Die Holzfeuchte gelieferten Parketts muss sich nach den Bedingungen am Verlegeort richten. Norbert Strehle: "Es darf also kein beliebig feuchtes Parkett zwischen 7 und 11 % geliefert werden. Trotzdem rate ich allen Parkettlegern, die gewünschte Holzfeuchte von ihren Lieferanten ausdrücklich anzufordern."
Deutsche Parkettproduktion stützen
Eine Lanze für heimische Hersteller bricht Peter Fendt, handwerklicher Verbindungsmann zur pik-Initiative für verklebtes Parkett: "Es geistern fremde Stabparkettqualitäten durch den Markt, die nicht mehr verlegbar sind. Wir müssen beim Einkauf die unterstützen, die uns unterstützen." Gleichzeitig rief er Hersteller - vor allem Österreicher - auf, der auf 16 Mitglieder geschrumpften pik-Initiative beizutreten.
Nicht gefahrgeneigt - weniger Kosten?
In einer schriftlichen Veröffentlichung der Bauberufsgenossenschaften wird das Parkettlegerhandwerk - weil nicht mehr in der Handwerksrolle A vertreten - als nicht gefahrgeneigt bezeichnet. Auf diese Verlautbarung Bezug nehmend, fordert Karsten Krause: "Wir sollten alle bei der Bauberufsgenossenschaft eine Herabstufung unserer Betriebe verlangen."
aus
Parkett Magazin 03/04
(Wirtschaft)