Kährs, Nybron - Der weltgrößte Parketthersteller modernisiert

"Wir vollziehen einen fundamentalen Wandel"

Produktivitätssteigerung heißt die Devise bei Nybron International Flooring. Auch Gustaf Kähr Nybro ist unter dem NFI-Dach vollauf mit der Implementierung neuer Strukturen beschäftigt. Ein frisches, teils branchenfremdes Management stellt traditionelle Ansätze in Frage, optimiert Produktionsabläufe und setzt neue Schwerpunkte für Investitionen.

Kährs-Geschäftsführer Folke Becker: "Wir verstehen uns als Wachstums-offensives Unternehmen in dem Sinne, dass wir mit Innovationen am Puls der Zeit bleiben." Dabei bleibt Gewohntes auf der Strecke. 285 Arbeitsplätze werden aufgrund umfassender Investitionen in die Verbesserung der Produktivität in den kommenden Monaten in Schweden abgebaut. Das sind 20 % der aktuellen Gesamtbelegschaft.

Weil Mehrschichtparkett im starken Wettbewerb sinkende Preise erlebt, setzt Kährs auf ein Konzept, das Kostenreduzierung durch Rationalisierung beinhaltet, neue Produkte einführt, in stetiger Fortentwicklung Produkterneuerungen bringt, die Marke stärkt und Vertriebsformen verbessert. Tribut an menschlicher Arbeitskraft fordert zudem der Einsatz moderner Technik. So wird in der Sortierung künftig eine optoelektronische Prüfung für Qualität sorgen. Als Anlass werden Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, Preisdruck auf allen großen Märkten und die Dollarschwäche genannt. Trotzdem will Folke Becker seine strategischen Schritte nicht als Reaktion auf schlechte Zeiten verstanden wissen: "Wir vollziehen einen fundamentalen Wandel."

Der besteht vor allem in neuen Schwerpunkten. Waren die Produktionsabläufe in dem Werk Nybro bisher traditionell gewachsen und daher mitunter umständlich, so wird der Fokus nun auf Kernbereiche gelegt. Profilierung und Oberfläche - dort platziert Kährs nun seine Hauptinvestionen. Ein zweites Augenmerk liegt auf der Deckschicht, die künftig automatisch gelegt werden soll. Sägewerk und Mittellagenproduktion dagegen werden eher als feststehender Kostenfaktor betrachtet und können dort produzieren, wo es am günstigsten ist. Noch ist das ebenfalls in Nybro.

Das Werk in Nybro fährt mit 1.200 Mitarbeitern bis zu vier Schichten. Nach wie vor ist Expansion geplant. "Entweder man sitzt als Kleinhersteller mit handgemachten Produkten in einer Nische oder man produziert grosse Mengen", lautet das unternehmerische Credo. Und diese Menge beginnt für Kährs bei 5 Mio. qm im Jahr.

Nybron International Flooring selbst dürfte nach der Übernahme von Bauwerk und Marty weitere Akquisitionen nicht scheuen. Kandidaten werden keine genannt, aber die Richtung ist vorgegeben: Derzeit liegt Kährs mit einem Parkett-Marktanteil von 15 % weit vor Tarkett, Hamberger und Karelia. Dieser Vorsprung soll gehalten werden. Ein Unternehmen, das Marktführer bleiben wolle, heißt es, könne durchaus 30 % der weltweiten Produktion auf sich vereinen.

Meilenstein auf diesem Weg ist für Kährs ein hohes Innovationstempo. Becker: "Unser Vorteil ist, dass wir die erste mechanische Verbindung für Mehrschichtparkett hatten. Diesen Erfahrungsvorsprung nutzen wir für Weiterentwicklungen." Auf der Domotex wurden erste Teile der neuen Produktreihe 2004 vorgestellt, wie zum Beispiel "Active Floor", ein mobiler Boden für Fitness- und Tanzstudios, der mit einem variierten Unterbau aus der Standard-Woodloc-Diele gefertigt wird. Das Produkt soll im Laufe des Jahres verfügbar sein. Gerüchten über Lieferschwierigkeiten - sogar beim Woodloc-Sortiment - widerspricht Folke Becker vehement: "Wir haben keine Lieferschwierigkeiten. Im Gegenteil, die Konzentration auf Kernbereiche erlaubt uns eine noch bessere Planung."

Investitionen bei Kährs basieren auf einem 3-Jahres-Plan. Der sieht auf dem Weg zur Markteinführung 1-Stab- und 2-Stab-Produkte in der "Pipeline". Für den amerikanischen Markt hat Kährs die Vintage-Oberfläche aufgegriffen. Nicht ohne Grund, denn Nordamerika entwickelt sich für die Schweden zu einem äußerst lukrativen Markt. Genaue Zahlen werden nicht genannt.

Wachstum gibt es auch in Skandinavien und selbst der deutsche Markt - immer als schwach verschrien - liegt in Umsatz und Absatz im Zielsoll und sogar über dem Vorjahr. Als interessant wird schließlich der chinesische Markt angesehen. Eigenproduktionen im asiatischen Raum scheinen für Kährs aber kein aktuelles Thema zu sein. Kährs orientiert sich in der Marketingstrategie am Cocooning-Trend - sichere Behaglichkeit in den eigenen vier Wänden. "Mehrschichtparkett ist ein feminines Produkt", sagt Torben Zedren, Leiter der Kährs-Akademie, die in Nybro gerade neu gestaltete Räumlichkeiten erhalten hat. "Frauen entscheiden maßgeblich über die Inneneinrichtung. Daher spielen Emotionen in der Beratung eine besondere Rolle"

Bewusst beschreibt Kährs sein Holz nicht als Baustoff, sondern als ein Produkt der Raumgestaltung. Im traditionellen Fachhandel setzt sich diese Erkenntnis nur langsam durch. "Hier verkaufen oft Männer Parkett. Daher stehen häufig nur die technischen Aspekte im Vordergrund", beklagt Torben Zedren. "Da gibt es kaum eine einzige Frau." Zur Unterstützung des emotionellen Verkaufs hat Kährs sein "Retail System" entwickelt. Hier wird dem Verkäufer ein erfolgsorientiertes Verkaufskonzept an die Hand gegeben. "Das Beratungsgespräch", heißt es, "ist für uns das Wichtigste."
aus Parkett Magazin 02/04 (Wirtschaft)