handwerk.de ist pleite
8,7 Mio. EUR Verlust und keiner hat Schuld
Auf der Mitgliederversammlung 2001 des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik hatte Christoph von Hammastein (Leiter zentraler Bereich ZDH) noch kräftig die Werbetrommel für das Internet-Portal handwerk.de gerührt und aufgerufen, einen Anteil von 15.000 DM zu zeichnen. Das Aktienpaket hätte zur Teilnahme an internen Entscheidungen berechtigt. Aber Vertreter der Parkettleger zweifelten, ob es rechtens sei, mit Geldern der Mitglieder ein privates Internet-Unternehmen zu finanzieren. Auch der wirtschaftliche Nutzen wollte nicht einleuchten. Ob dem Einzelnen aus der Vernetzung lohnende Aufträge entstanden wären, blieb umstritten.
Jetzt ist das 1997 in Zeiten der IT-Euphorie gegründete und 2000 zur Aktiengesellschaft umstrukturierte Unternehmen pleite. Verluste in Höhe von 8,7 Mio. EUR sind aufgelaufen. Zudem stehen 870.000 EUR von neun Fachverbänden des Handwerks aus, die keine Anteile gezeichnet haben.
Die Zweifler scheinen Recht behalten zu haben. Der Traum vom großen Netzwerk ist geplatzt. "Insolvenz ist keine Schande" - dieses Motto, mit dem handwerk.de noch im Herbst 2003 finanzschwachen Nutzern Mut machen wollte, möchte das marode Unternehmen jetzt für sich in Anspruch nehmen. Den Verlust sollen zu
80% die Handwerkskammern, zu 20% die Fachverbände tragen. Für den Handwerksbetrieb draußen im Lande macht das keinen Unterschied. Er zahlt über seine Beiträge an Kammer und Fachverband 100 % der Zeche.
Eigentlich wäre auch der ZDH zahlungsunfähig. Die Iduna-Versicherung nämlich hatte für ihr finanzielles Engagement bei dem Internet-Portal eine Patronatserklärung verlangt. Mit dieser Bürgschaft hätte der ZDH sich fast übernommen. Bis Mitte des Jahres benötigt er 1,5 Mio. EUR von den Kammern und Verbänden. Einziges Trostpflaster: In den kommenden zehn Jahren sollen sich die Mitgliedsbeiträge um diese Vorauszahlung verringern.
Zwangszahlungen?
Der Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik besitzt zwar über einen Vermögensanteil der Bundesvereinigung Fachverbände Handwerk (BFH) bisher nur einen geringen Aktienanteil von ein paar hundert Euro, soll aber gezwungen werden, tiefer in die Tasche zu greifen. Weil er zu den neun Fachverbänden gehört, die keine weiteren Anteile gezeichnet haben, soll er nun wertlose Aktien eines toten Unternehmens nachordern - gemäß seinem Anteil an den fehlenden 870.000 EUR.
Bundesinnungsmeister Joachim Barth will das nicht hinnehmen: "Wir wollen eine Opposition der Verbände formieren und gemeinsame Maßnahmen prüfen." Notfalls würde er seinem Verband den Austritt aus der BFH empfehlen. Zunächst wird der oberste Parkettleger jedoch Briefe an ZDH-Präsident Dieter Philipp und Generalsekretär Hanns- Eberhard Schleyer schicken. "Ich werde die Herren bitten, zurück zu treten."
Die ZDH-Führung wird sich davon kaum beeindrucken lassen. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht - nach dieser Devise hat der ZDH viele Mitglieder offenbar fest im Griff. Schuldig fühlt sich keiner. Das Internetportal, redet der ZDH sich heraus, war "der geschlossene Wille der Handwerksorganisation." In seinen Verlautbarungen jubiliert er über das ausgesprochene Vertrauen. 55 Kammerpräsidenten und Vorsitzende von 43 Fachverbänden hatten am 11. Februar mit Mehrheitsvotum die akute Finanzierungslücke von 1,5 Mio. EUR gedeckt.
Aber hätten die abstimmenden Verbandsvertreter nicht erst ihre Mitglieder befragen müssen? "Ja", meint Joachim Barth, der von einer "ganz schlimmen Stimmung" auf dieser Sitzung berichtet und auf die Chance hofft, viele Handwerker nun gegen die Ungerechtigkeiten mobilisieren zu können. Wie weitere Belastungen in Höhe von bis zu 6,3 Mio. EUR abgelöst werden können, dazu will der ZDH auf der nächsten regulären Vollversammlung am 9. September in Berlin einen Vorschlag vorlegen.
Von angepeilten 500.000 Handwerksbetrieben in Deutschland konnte handwerk.de nach eigenen Angaben 40.000 als Nutzer gewinnen. Das Internet-Portal will am Netz bleiben, aber die meisten der 15 Mitarbeiter werden ihren Job verlieren.
Die Frage, warum die Verantwortlichen bei handwerk.de und ZDH einen solchen Schuldenberg haben auflaufen lassen, statt rechtzeitig den Rettungsanker zu werfen, steht weiter im Raum. Vielleicht sogar ein Fall für den Staatsanwalt?
aus
Parkett Magazin 01/04
(Wirtschaft)