Die Hintergründe: Warum man Texlifter-Beläge nicht verkleben muss
Die Entwicklung des maßstabilen Teppichbodens
Keine Verklebung und dennoch volle Objekteignung - wie soll das funktionieren? Die eigentliche Revolution des Texlifter-Systems liegt in der Entwicklung eines extrem maßstabilen Teppichbodens. Sie war die Voraussetzung, um auf den Klebstoff verzichten zu können und auf einen Schlag viele Probleme zu lösen - von offenen Fugen, Falten und Beulen über Emissionen und Geruchsbeanstandungen bis zu Schwierigkeiten bei der Altbelagsentfernung.
Um das eigentlich "Revolutionäre" der von Domo und Wulff gemeinsam entwickelten Texlifter-Rückenbeschichtung zu verstehen, muss man einen Blick auf die immerhin achtjährige Entwicklungsgeschichte dieses Systems werfen. Sie liefert nämlich die Antwort auf die durchaus strittige Frage, warum Teppichböden überhaupt verklebt werden sollen. An dieser Frage hängt sich die gesamte Produktkonzeption von Texlifter auf. Und sie scheint zunehmend berechtigt, seit immer mehr Verbraucher Bedenken gegenüber möglichen Geruchsbelästigungen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Verbindung mit Bauklebstoffen äußern.
Wulff hat sich dem Thema Emissionen und Gerüche durch Klebstoffe sehr frühzeitig angenommen. Das Unternehmen verzichtete als erster deutscher Klebstoffhersteller bereits Anfang der 90er Jahre komplett auf den Einsatz konventioneller Lösemittel im Sinne der TRGS 610. Parallel entwickelte man in Lotte eine Harzschmelztechnik, mit der man außerdem auf hochsiedende Lösemittel verzichten und dadurch die ersten sehr emissionsarmen Klebstoffe auf den Markt bringen konnte.
Umweltgerechte Produkte waren jedoch nicht der einzige Anspruch des Klebstoffherstellers: Wulff-Kleber sollten als Werkstoffe für den professionellen Verarbeiter neben niedrigsten Emissionswerten auch das technische Leistungspotential aufweisen, das von einem objektgeeigneten Verlegewerkstoff erwartet wird. Das brachte Geschäftsführer Ernst Dieckmann auf die Frage, welche Funktionen ein Bodenbelagsklebstoff im Objekt überhaupt erfüllen muss, um eine schadensfreie Verlegung zu gewährleisten.
Wie lassen sich offene Nähte, Beulen- und Blasenbildungen verhindern?
Keine einfache Frage - zumal die einschlägigen Produktnormen keine befriedigende Antwort liefern. Die zahlreichen Schäden in Form von offenen Nähten, Beulen und Blasenbildungen - und der zur Zeit intensiv diskutierten Fugenbildung bei Nadelvliesbelägen - zeigen, dass die normativen Anforderungen an Klebstoffe nicht ausreichen, um Reklamationen sicher vorbeugen zu können. Diese Schäden treten gerade seit Aufkommen der emissionsreduzierten Produkte vermehrt auf - manchen dieser Kleber fehlt also offenbar eine bestimmte wichtige Eigenschaft, die von den Normen nicht ausreichend erfasst wird.
Die geltenden Produktnormen stellen in erster Linie Anforderungen an die Schälfestigkeit eines Klebstoffs (größer/gleich 1 N/mm) - also seine Fähigkeit, vertikal einwirkenden Kräften zu widerstehen. Einfach ausgedrückt: Der verklebte Belag darf sich nicht so einfach wieder vom Untergrund abziehen lassen - in manchen Einsatzbereichen eher ein Nachteil als eine gewünschte Eigenschaft, die zudem primär die fragwürdige Funktion einer Diebstahlsicherung erfüllt.
Was muss ein Bodenbelagslebstoff außerdem noch leisten, um Schäden vorzubeugen? Zur Beantwortung dieser Frage entwickelte Wulff ein eigenes Prüfwesen für Klebstoffe und Bodenbeläge, um den unter Objektbedingungen tatsächlich auftretenden Kräften im System Belag-Kleber auf den Grund zu gehen. Einen wesentlichen Beitrag leistete dabei Jörg D. Kummetz - heute technischer Mitarbeiter bei Wulff - der sich bereit erklärte, den Komplex zum Thema seiner Diplomarbeit zu machen.
Entscheidender Knackpunkt: Maßänderungen des Belags bei Feuchte- und Temperatureinfluss
Die intensive Forschungsarbeit ergab, dass der entscheidenden Knackpunkt in der nicht ausreichenden Dimensionsstabilität bzw. Instabilität von Bodenbelägen liegt. Teppichböden wachsen naturgemäß unter Feuchteeinfluss und schrumpfen bei anschließender Trocknung. Hinzu kommen temperaturbedingte Maßänderungen von Bodenbelägen - beides warentypische Eigenschaften, die sich durch Veränderungen an Nutz-/Polschicht oder Träger nicht vollständig in den Griff bekommen lassen. Bleibt also nur der Klebstoff, um diese Maßänderungen abzufangen und dadurch offene Nähte, Beulen- und Blasenbildungen am Belag zu verhindern.
In einem vielbeachteten Aufsatz in FussbodenTechnik 2/2000 warf Dieckmann die Frage auf, ob Klebstoffe diese Aufgabe überhaupt erfüllen können. Sein Fazit: Solange nicht auch Anforderungen an die Scherfestigkeit von Klebstoffen gestellt werden - ihre Fähigkeit, den horizontalen, seitlich einwirkenden Zugkräften des Belags standzuhalten - lassen sich Schäden durch Maßänderungen des Belags nicht ausschließen. In der mangelhaften Berücksichtigung der Scherfestigkeit und Wärmestandfähigkeit von Klebstoffen - insbesondere der weichen Fugeneinstellung vieler emissionsreduzierter Produkte - sah er eine wesentliche Ursache für die beobachteten Schäden an Textilbelägen.
Das Wulff-Prüfwesen, nach denen das Unternehmen seine eigenen Produkte testet, erfasst zwar solche Anforderungen - die langjährigen Untersuchungen ergaben jedoch, dass einige Beläge bei temperatur- und/oder feuchtebedingten Maßänderungen derart hohe Kräfte aufbauen, dass sie selbst von einem hoch scherfesten Klebstoff nicht mehr abgefangen werden können. Klebstoffe mit extrem harter Fuge verfügen zudem oft über keinen ausgeprägten Anfangs-Tack, was die Verlegung "nervöser" Beläge deutlich erschwert - die stellen dann schnell die Kanten hoch.
Ein dimensionsstabiler Belag braucht keinen Kleber mehr
Dieckmann zog aus diesen Erkenntnissen drei wesentliche Schlüsse:
- Klebstoffe müssen in erster Linie Maßänderungen von Bodenbelägen abfangen und deshalb vor allem entsprechende Scherfestigkeiten aufweisen.
- Gleichzeitig müssen Bodenbeläge einen gewissen Mindeststandard an Dimensionsstabilität aufweisen, um von einem Klebstoff überhaupt festgehalten werden zu können.
- Würde man einen hochgradig dimensionsstabilen Belag entwickeln, bräuchte man hingegen keinen Klebstoff mehr.
Letztere Erkenntnis lieferte den Anstoß zur Konzeption eines dimensionsstabilen und damit lose verlegbaren Teppichbodens. Konsequenz: Emissionen aus Klebstoffen oder Geruchsbelästigungen durch Wechselwirkungen zwischen Belagrücken und Kleber wären kein Thema mehr.
Vor diesem Hintergrund erklärt es sich, dass diese Entwicklung ausgerechnet von einem Klebstoffhersteller angestoßen wurde: "Erst durch unser Hintergrundwissen als Klebstoff-Fachleute über die Kräfte, mit denen Beläge wachsen und schrumpfen, wussten wir, wo wir bei der Entwicklung eines lose verlegbaren Objektbelags ansetzen mussten," stellt Dieckmann fest.
Klebstoff- und Teppichboden-Prozent entwickelten gemeinsam den maßstabilen Belag
In Domo fand Wulff schließlich einen Belaghersteller, der sich von der Idee anstecken ließ - und als Teppichbodenproduzent, dessen Fertigungskompetenz auch Fasern und Garne einschließt, zudem sehr tiefe Einblicke in die Textilbelagstechnologie hat. "Da wir auf die Dimensionsstabilität von Flor und Träger nur begrenzt Einfluss nehmen können, war eine Lösung nur über die Rückenausstattung möglich", erklärt Johan Vroman, Produktmanager der Domo-Objektlinie Besmer-Business. In der Ergänzung ihres Fachwissens als Klebstoff- und Teppichboden-Spezialisten entstand in mehrjähriger Forschungsarbeit der Objektbelag mit Texlifter-Ausstattung.
"Die Herstellung eines absolut maßstabilen Belags ist unmöglich - selbst Beton oder Stahl weisen Dimensionsänderungen auf", räumt Dieckmann ein. "Hochstabil bedeutet für uns, das sich mögliche Maßänderungen von Belägen mit der Textlifter-Rückenbeschichtung nach der Wulff-Prüfmethode in einer Größenordnung unter 0,2 % bewegen. Herkömmlich konstruierte Teppichböden, besonders Nadelvlies und Webwaren, weisen nach dieser Prüfmethode Maßänderungen bis 0,5 % auf - das sind 5 mm pro Meter."
Referenzobjekte belegen Praxistauglichkeit
Diese Vorgaben scheinen auszureichen, um auf eine Klebung verzichten zu können: Das System wurde vor der Markteinführung in mehreren Versuchsobjekten auf seine Praxistauglichkeit getestet. Seit mittlerweile neun Monaten liegt beispielsweise eine 500 qm große Versuchsfläche schadensfrei in der Kantine des Domo-Werks in Hessisch-Oldendorf, die täglich von hunderten Angestellten betreten und darüber hinaus zu Testzwecken bereits zehnmal im Sprühextraktionsverfahren gereinigt wurde. Die Nähte sind nicht zu erkennen - Aufwellungen, Beulen- oder Blasenbildungen sucht man vergeblich. Beanstandungsfrei präsentiert sich auch der ebenfalls lose liegende Texlifter-Belag in der Stadthalle des Ortes, der selbst die jüngsten Karneval-Feierlichkeiten problemlos überstand - 600 qm ohne Falten oder Blasen trotz tanzender Massen und manchem ausgekippten Bier.
Vor dem Hintergrund der positiven Praxiserfahrungen soll das System nun in die Serienfertigung gehen. In Hessisch-Oldendorf wurde eine speziell für Textlifter-Rücken eingestellte Beschichtungsanlage installiert. Die Vermarktung des Systems obliegt ebenfalls Domo-Besmer, die Texlifter als optionale Sonderausstattung für die betreffenden Kollektionen anbietet. Wulff kommt die Rolle des zentralen Rohstofflieferanten und Lizenzgebers für die patentgeschützte Rückenausstattung zu. Domo hat die betreffenden Rechte zunächst für 10 Jahre exklusiv erworben.
aus
FussbodenTechnik 02/02
(Sortiment)