ZDH: Zwei Prozent des Umsatzes entfallen durch Forderungsausfälle
Zahlungsmoral gefährdet das Handwerk
Das Handwerk in Deutschland wird seit Jahren von mehreren Seiten unter Druck gesetzt: Aufgrund der rückläufigen Nachfrage hat sich der Wettbewerb um das verbliebene Auftragsvolumen deutlich intensiviert und regelt sich fast ausschließlich über den Preis. Daneben ist die Kreditfinanzierung über die Banken zunehmend schwieriger geworden. Gleichzeitig hat sich die Zahlungsmoral der Handwerkskunden in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Besonders die Kunden aus dem gewerblichen und öffentlichen Sektor scheinen es mit dem Bezahlen nicht so genau zu nehmen, wie eine aktuelle Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) zeigt.
Handwerksbetriebe beklagen sich bereits seit langem über eine zunehmend schlechtere Zahlungsmoral und einen steigenden Anteil von Forderungsausfällen. Wenn offene Forderungen nicht pünktlich oder überhaupt nicht eingehen, können bestehende Aufträge aber nicht vorfinanziert werden und verloren gehen, betont der Präsident des ZDH, Otto Kentzler. Zusätzlich stellen solche Lücken die Betriebe vor kurzfristige Liquiditätsprobleme mit der Notwendigkeit der Zwischenfinanzierung, die ihre schon schwache finanzielle Substanz weiter belastet. Mittlerweile verfügen 36,3 % der westdeutschen und 47,4 % der ostdeutschen Handwerksbetriebe über eine mangelhafte Eigenkapitalausstattung von unter 10 % der Bilanzsumme, berichtet beispielsweise die Organisation Creditreform. Zum Vergleich: Als "solide" wird ein Eigenkapitalanteil von mehr als 30 % angesehen.
Vor diesem Hintergrund hat der ZDH gemeinsam mit 33 Handwerkskammern (11 ostdeutsche und 22 westdeutsche) eine Umfrage zum "Zahlungsverhalten der Handwerkskunden" durchgeführt. An der Befragung nahmen 13.700 Vollhandwerksbetriebe aus dem gesamten Bundesgebiet mit fast 190.000 Beschäftigten teil.
Bundesweit beobachten 44,2 % der Befragten Verschlechterungen der Zahlungsmoral ihrer Gewerbekunden, nur 2,7 % stellen Verbesserungen fest. Außerdem attestiert jeder dritte Betrieb (36,6 %) seinen öffentlichen Auftraggebern, die eigentlich eine Vorbildfunktion einnehmen müssten, eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens. Noch am besten schneidet die Privatkundschaft ab. Zwar berichteten auch hier die Befragten, dass sich bei 35,8 % der privaten Kunden die Zahlungsmoral verschlechtert habe.
Verspäteter Zahlungseingang als großes Problem
Ein Hauptgrund für die Unzufriedenheit der Handwerksbetriebe ist der vielfach verspätete Zahlungseingang. Fast die Hälfte der Betriebe muss länger als 30 Tage auf den Zahlungseingang warten, jeder dritte Betrieb durchschnittlich bis zu 60 Tage. Selbst unter der Annahme, dass alle öffentlichen und gewerblichen Aufträge nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen/Teil B mit zweimonatiger Zahlungsfrist abgeschlossen wären, dauern die Zahlungen erschreckend lange, meint der ZDH. Die Betriebe müssen bei mehr als 13 % ihrer gewerblichen und öffentlichen Kunden zwei Monate und länger auf ausstehende Zahlungen verzichten.
Zwei Prozent des Umsatzes entfallen komplett
Noch schwerer als Zahlungsverzögerungen wiegen komplette Forderungsausfälle. Dabei sind Zahlungsausfälle nicht etwa eine Randerscheinung im Handwerk: Mehr als jeder Zweite gab an, dass dem Betrieb im Jahr 2004 ein Teil der ausstehenden Zahlungen verloren ging. Durchschnittlich sind jedem betroffenen Betrieb 2,0 % des Umsatzes komplett ausgefallen. Forderungsausfälle sind vor allem in den Bauhandwerken ein großes Problem, außerdem belasten sie Kleinst- und Kleinbetriebe relativ stärker als die größeren Betriebe.
In vielen Betrieben haben zu späte oder ausgebliebene Zahlungen negative und das Wachstum hemmende Folgen (siehe Diagramm). Besonders erschreckend ist aber nach Ansicht des ZDH, dass fast ein Viertel aller Betriebe angibt, durch Zahlungsverzögerungen oder -ausfälle in der Vergangenheit bereits einmal in der betrieblichen Existenz gefährdet worden zu sein.
Viele Betriebe verzichten auf Klage
Der oftmals geäußerte Vorwurf eines nicht vorhandenen oder unzureichenden Mahnwesens in den Handwerksbetrieben, das die schlechte Zahlungsmoral mit ermöglicht, lässt sich nach Ansicht des Zentralverbandes nicht aufrecht erhalten. So geben 48,6 % der Betriebe an, ihre säumigen Zahler spätestens 14 Tage nach der Fälligkeit zu mahnen, weitere 37,4 % mahnen die Kunden später.
Obwohl viele Betriebe in der Vergangenheit von Zahlungsverzögerungen und von Forderungsausfällen betroffen waren, hat jedoch ein überwiegender Teil auf die Einleitung rechtlicher Schritte gegen die säumigen Zahler verzichtet. Mehr als die Hälfte der Befragten legte in der Vergangenheit keine Rechtsmittel ein.
Die Betriebe werden dabei insbesondere von den hohen Kosten abgehalten (49,2 %). Allerdings geben auch 37,8 % der Handwerksbetriebe an, dass gar keine Aussicht auf den Zahlungseingang mehr bestand. Schließlich klagen viele Betriebe (25,5 %) aber auch deshalb nicht, weil sie einen wichtigen Kunden nicht verlieren möchten. Dahinter steht die Furcht, an Folgeaufträgen in der Zukunft nicht mehr beteiligt bzw. bei öffentlichen Ausschreibungen nicht mehr berücksichtigt zu werden.
Wie sieht die Situation bei den Betrieben im Boden- und Parkettlegerhandwerk aus?
Joachim Barth, Rudolph/Berlin:
"Die Ergebnisse der Umfrage lassen sich zu 100 % auch auf das Parkett- und Bodenlegerhandwerk übertragen. Was wir in den letzten Jahren beobachten, ist ein gesellschaftliches Phänomen."
Michael Ruhland, Fußbodenbau Ruhland/Wertheim:
"Viele Kunden tun sich schwer, Geld auszugeben. Der Kunde, der Geld hat, erwartet eine 1.000 %ige Leistung und kennt keine Toleranz mehr."
Dieter Humm, Parkett Partner/München:
"Hinsichtlich der Zahlungsmoral tut sich ein Abgrund vor uns auf. Viele Betriebe leben nur noch davon, dass sie in der Vergangenheit gut gewirtschaftet haben."
Carsten Geßler, Geßler Fußbodenbau/Hamburg:
"Ich arbeite einfach mit einigen Architekturbüros nicht mehr zusammen. Lieber gar keinen Auftrag, als einen, der nicht bezahlt wird."
aus
Parkett Magazin 03/05
(Wirtschaft)