Interview mit Wolfgang Kiesel
"Kiesel wird nicht verkauft"
Vor einigen Wochen kursierte in der Branche das Gerücht, dass Verlegewerkstoff-Hersteller Kiesel an einen Mitbewerber verkauft werden soll. ParkettMagazin wollte wissen, was hinter diesen Spekulationen steht und sprach mit Wolfgang Kiesel. Dabei kamen auch die aktuelle Marktsituation und die Lösemittelproblematik zur Sprache.
ParkettMagazin: Vor einigen Wochen kursierte die Nachricht, Kiesel stehe zur Übernahme an. Es wurde bereits ein Käufer namentlich genannt, ebenso war von einem festen Zeitplan die Rede. Was ist nun tatsächlich "Sache"? Was ist los mit Kiesel?
Wolfgang Kiesel: Ich hätte das Thema gerne ignoriert. Aber das ging nicht mehr von dem Moment an, als uns ein bedeutender Großhändler und Großkunde erklärte: "Wenn Ihr zu dieser Firma gehört, kaufen wir nicht mehr bei euch". Diejenigen, die das Gerücht in Umlauf brachten, haben möglicherweise ganz gezielt solche Reaktionen auslösen und bei uns bewirken wollen, dass wir in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und eben über Verkauf nachdenken.
Anders kann ich es mir jedenfalls nur schwer erklären, dass der Verkaufsleiter eines nicht eben unbedeutenden Wettbewerbers bei Großkunden verbreitete, dass Kiesel verkauft werde und diese Information gleich mit der Namensnennung des angeblichen Käufers und dem Verkaufsdatum untermauerte. Dies geschah im übrigen, nachdem mich bereits Ende letzten Jahres der benannte Wettbewerber angerufen hatte und mich zu angeblichen oder vorgeblichen Verkaufsabsichten befragte. Ich habe entschieden verneint. Dennoch wurde das Gerücht weiter verbreitet - obendrein unter Berufung auf die Information direkt von einem Kiesel-Kunden.
Als wir davon Kenntnis erhielten, haben wir erwogen, dagegen wettbewerbsrechtlich vorzugehen, eventuell auch gegen den Verkaufsleiter strafrechtliche Schritte einzuleiten. Letztlich haben wir aber dem Weg über den Verband den Vorzug gegeben. Fest steht: Bei derart geschäftsschädigendem Verhalten hört der Spaß auf.
ParkettMagazin: Wie hat der Wettbewerber reagiert? Gab es eine Stellungnahme?
Wolfgang Kiesel: Gegenüber dem Verband wurde die Zusicherung abgegeben, die Behauptung in Zukunft unterlassen zu wollen. Das wars.
ParkettMagazin: Das ist wenig - zu wenig?
Wolfgang Kiesel: Eigentlich schon. Aber ich habe die Sache danach ruhen lassen. Dem Urheber eine bewußte Fehlinformation und gezielte Attacke gegen Kiesel nachzuweisen, ist ja schwierig. Wir alle wisssen, dass in heutiger Zeit Firmenverkäufe keine Seltenheit sind. Wer also - fahrlässig oder in gezielter Absicht - ein Gerücht über Verkaufsabsichten in die Welt setzt, wird immer offene Ohren und ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit finden. Es ist bei der gegenwärtig angespannten Lage und allgemeinen Hektik leicht, jemandem etwas anzuhängen. Und es ist schwer, sich dagegen zu wehren.
ParkettMagazin: Wem gehört die Firma Kiesel?
Wolfgang Kiesel: Das Unternehmen war und ist ein reines Familienunternehmen und zu 100 % im Besitz der Familie. Lange Zeit lagen 80 % in meinen Händen und 20 % bei meiner Schwester. Im Jahre 2000 wurde aus steuerlichen Gründen und Nachfolgegründen eine Änderung vorgenommen. Seither sind die Anteile meiner Schwester an meine vier Kinder übergegangen. Gleichzeitig habe ich meine Einlage aufgestockt. Jetzt gehört die Firma zu 76 % mir und zu 24 % meinen Kindern, von denen jedes über 6 % verfügt. Darüber hinaus hat sich nichts verändert, und es soll sich auch nichts verändern.
ParkettMagazin: Damit gehört Kiesel in der Branche zu den wenigen noch in Familienbesitz arbeitenden Unternehmen?
Wolfgang Kiesel: Ich bin überzeugter Mittelständler und habe in diesem Sinne stets so gewirtschaftet, dass der Erhalt des Unternehmens gesichert war. Die Branche hat gute Jahre hinter sich. Gleichwohl haben wir immer behutsam entwickelt und maßvoll investiert. Daher können wir die gegenwärtige Lage, die allen zu schaffen macht, auf einem "sicheren Polster" überleben.
ParkettMagazin: Sie sind nicht nur von eigenen Entscheidungen, sondern auch von der Finanzkraft ihrer Kunden abhängig. Wie stark spüren Sie, dass diese Finanzkraft nachgelassen hat? Wie stark ist die Belastung durch Kreditlinien, die sie bereit stellen müssen? Haben Sie womöglich schon Unternehmen übernehmen müssen?
Wolfgang Kiesel: Kiesel beabsichtigt nicht, sich an schwachen Unternehmen zu beteiligen. Entsprechende Angebote wurden uns zwar gemacht. Aber ich halte mich an den Grundsatz: Einmal Geld und einen Kunden zu verlieren ist besser als diesem schwachen Kunden weiter zu helfen und am Ende noch mehr Geld zu verlieren. Sanierungskonzepte, die als mindeste Voraussetzung für ein Engagement unsererseits zu fordern wären, interessieren mich im Prinzip nicht so sehr. Für mich ist wichtig, dass das eigene Unternehmen keinen Schaden nimmt. Dabei verfolgen wir seit Jahren eine strikte Linie. Wir haben einen Versicherer, der die Höhe des von uns geleisteten Kredits festlegt. Mit gelegentlichen geringen Abweichungen halten wir uns an diesen Rahmen. Das bedeutet: Wir gehen mit Valuta sehr bewusst und sehr sparsam um. Größere Risiken gehen wir nicht ein. Was nützt es uns, wenn wir zwar Umsatz machen, aber kein Geld bekommen.
ParkettMagazin: Wie lässt sich die jetzige und die angestrebte Position von Kiesel auf dem heimischen Markt und auf Exportmärkten beschreiben?
Wolfgang Kiesel: Unsere Position in Deutschland haben wir uns in den letzten 20 Jahren erarbeitet. Und ich glaube, dass wir dieses Position trotz der Rezession am Bau in der jüngsten Vergangenheit gut behaupten und teilweise sogar verbessern konnten. Wir haben im Außendienst einen Generationswechsel vollzogen; der Vertrieb ist nahezu komplett neu aufgestellt worden. Diese sehr junge und engagierte Mannschaft arbeitet tatkräftig daran, unsere Position zu halten und in Teilbereichen möglichst noch auszubauen.
Auch Tangermünde, unsere Niederlassung in Ostdeutschland, hat sich sehr wacker geschlagen. Es gab Jahre, in denen andere in der Branche bereits Rückgänge verzeichneten, wir unseren Level aber halten konnten. Bewährt hat sich, das das gesamte Personal aus den neuen Bundesländern stammt und keinem direkten "Wessi"-Einfluss ausgesetzt ist. Unser Niederlassungsleiter, Herr Lehmann, wurde schnell zum überzeugten "Kiesel-Mann", der dieses Selbstverständnis zusammen mit seiner Mannschaft perfekt im Sinne von Kiesel umsetzt. Diese Eigenständigkeit hat sich auch im Hinblick auf die Kunden als große Stärke erwiesen.
Bezogen auf die internationale Position von Kiesel, haben wir in den letzten Jahren Fortschritte machen können. Polen und Tschechien sind als neue Märkte hinzu gekommen. Ein weiteres Engagement zeichnet sich in Ungarn ab, dort allerdings nicht im Fußbodenbereich. Auf asiatischen Märkten haben wir interessante Ansätze gefunden - vor allem in Japan. Wir sind überzeugt, dass diese Märkte auf mittlere Sicht einige Bedeutung für uns erlangen werden und wir hier noch etwas mehr tun können. Gegenwärtig strecken wir unsere Fühler zum amerikanischen Markt aus. Wir arbeiten an Marktrecherchen und der Besetzung erster Positionen. Insgesamt wird der Export in Zukunft eine noch bedeutendere Rolle für Kiesel spielen als bisher. Aber entscheidend ist, dass "die Musik in Deutschland spielen muss".
ParkettMagazin: Wir hoch ist der Exportanteil zur Zeit?
Wolfgang Kiesel: Er liegt zwischen 30 und 35 %. Exakte Zahlen zu nennen, ist etwas schwierig, weil sie in den Aktivitäten der Tochterunternehmen und des Gesamtunternehmens enthalten sind und im einzelnen herausgerechnet werden müssen.
ParkettMagazin: Und wenn Sie die Zahlen auf die Produktgruppen umlegen: Welchen Anteil haben die auf Parkett bezogenen Produkte?
Wolfgang Kiesel: Es gibt Märkte, auf denen Kiesel-Produkte im Zusammenhang mit keramischen Böden dominieren. Das gilt beispielsweise für Frankreich, die Benelux-Länder und Skandinavien. In anderen Ländern hingegen - wie beispielsweise in Osteuropa - dominieren die Produkte für die Parkettverlegung. Ohne den Parkett-Anteil exakt in Prozentanteilen zu benennen, bin ich sicher, dass Kiesel hier im Vergleich zu vielen Mitbewerbern relativ gut im Rennen liegt. Dabei spiel auch eine Rolle, dass wir mit unserem neuen Pulver-Parkett-Klebstoff weiterhin ganz aktiv und erfolgreich sind.
ParkettMagazin: Wie ist Ihr Vertrieb organisiert?
Wolfgang Kiesel: Wir bedienen die Vertriebswege über den Handel und über das Objektgeschäft, das ab einer gewissen Größenordnung traditionell direkt beliefert wird. Bei den Kunden aus dem Großhandel dominieren die klassischen Bodenbelags- und Farbenhändler. Parkettgroßhändler sind vergleichsweise dünn gesät. Noch weniger präsent ist der Holzfachhandel. Er hat es im Großhandel überwiegend mit Tischlern zu tun, die wiederum überwiegend Parkett schwimmend verlegen. Nicht ganz unerheblich ist für uns das Direktgeschäft mit Kleinabnehmern in Handel und Handwerk. Grundsätzlich bauen wir auf Händler, die eine solide Kontinuität pflegen, und auf das Handwerk, dem wir auch mit Rat und Tat zur Seite stehen.
ParkettMagazin: Kiesel hat vor einiger Zeit eine Vertriebs-Kooperation mit Eukula beschlossen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gesammelt?
Wolfgang Kiesel: Vom Grundsatz her ist das genau der richtige Weg. Ein Vertreter, der eine breite umsatzstarke Produktpalette anbietet und daher kein allzu großes Gebiet benötigt, kann seinen Bereich intensiv betreuen. Sowohl seine Produktkonzentration als auch sein Arbeitsbereich ermöglichen es ihm problemlos, ein Ergänzungsprodukt - in diesem Falle Versiegelungen - mit zu vertreten. Wir können also von einem guten Synergieeffekt sprechen. Nicht jeder Anbieter muss über alles verfügen, er muss nicht teure Handelsware einkaufen, um "alles aus einer Hand" bieten zu können. Es genügt, im Vertrieb zu kooperieren. Dies bietet sich vor allem für mittelständische Unternehmen als vernünftiger Weg an. Im konkreten Falle liegt der Vertrieb im wesentlichen in den Händen von Kiesel. Unsere Vertreter verkaufen gleichzeitig Eukula-Produkte. Für Lagerhaltung, Lieferung und Rechnung zeichnet Eukula verantwortlich. Lediglich für technische Betreuung stehen Kiesel-Vertreter auch zur Verfügung.
ParkettMagazin: Welche Erfahrungen machen Sie mit Lieferantentreue bzw. Kundentreue?
Wolfgang Kiesel: Auch wenn vielfach anderes behauptet wird: Es gibt sie noch - die sogenannte Lieferantentreue. Sie basiert in der Regel auf persönlichen Beziehungen. Solche Beziehungen spielen im Geschäftsverkehr eine wichtige Rolle. Und ich bin überzeugt, dass sie ihre Bedeutung behalten werden. Kiesel jedenfalls setzt darauf. Damit kann man nicht jeden als Kunden gewinnen, aber das wollen wir auch nicht. Allerdings hat Lieferantentreue heute ihren Preis: Wir werden immer häufiger damit konfrontiert, dass Kunden ihre Lieferantentreue unterstreichen, gleichzeitig jedoch Preiszugeständnisse fordern. Die Preisfrage tritt zunehmend in den Vordergrund und der harte Wettbewerb lässt die Hersteller oft irrsinnige Dinge tun. Dahinter steht natürlich auch der Druck von außen: Der deutsche Markt ist trotz allem offenbar immer noch so attraktiv, dass der Importdruck wächst.
ParkettMagazin: Die Kiesel-"Denkfabrik" ist gut frequentiert. Wie sehen die weiteren Planungen aus?
Wolfgang Kiesel: Die Denkfabrik wurde im letzten Jahr ausgebaut, indem dort ein Bistro und eine Lounge eingerichtet wurden. Das originelle Ambiente und die Atmosphäre werden stets gelobt. Als bemerkenswert haben wir beobachtet, dass Parkettleger sehr interessierte Seminargänger sind. Es gibt andere Berufsgruppen, die nicht so aufgeschlossen sind.
ParkettMagazin: Auch im Hinblick auf die Gefahren beim Umgang mit lösemittelhaltigen Klebstoffen?
Wolfgang Kiesel: Handwerker, die sich nicht auf neue Technologien einlassen, begehen meiner Meinung nach einen folgenschweren Fehler. Unser PPK-Kleber ist inzwischen wohl bei Millionen Quadratmetern Parkettböden verarbeitet worden - und es ist nichts schiefgegangen. Andererseits kann auch bei Lösemittelklebern durchaus etwas daneben gehen. Vorurteile leben bekanntlich auch vom Irrtum. Tatsache ist, dass unser PPK-Kleber ein Quellverhalten bewirkt, das identisch ist mit dem von Lösemittelklebstoff. Wir sind bereit, jeden Skeptiker hierher zu holen, um das Thema mit ihm zu erörtern und ihm die Praxis vorzuführen. Ich höre so oft aus dem Handwerk, dass man sich dagegen wehrt, als "Lehrbube" und "Zahler der Zeche" herhalten zu müssen. Aber dass wir keinen einzigen Kunden haben, der wegen der Verarbeitung von PPK Probleme bekam und zur Kasse gebeten wurde, interessiert bzw. überzeugt offenbar niemanden. Unser Angebot bleibt dennoch bestehen: Wir fordern das Handwerk auf, sich mit uns - auch auf Baustellen - zu treffen und sich ein eigenes Urteil zu bilden. Grundsätzlich stehen wir dem Handwerk zur Seite - nicht nur, wenn es darum geht, zu überzeugen, sondern auch, wenn es darum geht, abzuraten.
Dass sich Handwerker unversehens in juristischen Fallstricken verfangen können, wenn sie heute noch unbeirrt und ungebremst mit Lösungsmittelkleber arbeiten, sollte doch inzwischen klar sein. Ich denke beispielsweise an den Arbeitsschutz. Wenn ein Arbeitnehmer nach einigen Jahren als Parkettleger in einem Parkettlegerbetrieb Ärger mit dem Betriebsinhaber bekommt und ein Arzt ihm eine Lungenschädigung und Berufsunfähigkeit attestiert, ist der Ex-Arbeitgeber in Not. Der Parkettleger muss nur noch berichten, dass er - trotz Hinweis auf alternative lösemittelfreie Produkte - gezwungen gewesen sei, mit lösemittelhaltigen Produkten zu arbeiten. Dann möchte ich den Arbeitsrichter sehen, der diese Aussage nicht ernst nimmt. Ähnliches gilt für Bauherren. Auch sie können dem Handwerker, der mit lösemittelhaltigen Produkten arbeitet, größte Schwierigkeiten bereiten. Das alles ist hinlänglich bekannt. Kann man da Handwerker verstehen, die dies alles ignorieren? Ich verstehe diese Haltung nicht, und seitdem Kiesel den Pulver-Klebstoff anbietet, erst recht nicht mehr. Aber glücklicherweise gibt es auch vernünftige - und ihre Zahl wächst. Wir verzeichnen jedenfalls einen stetigen Umsatzzuwachs bei den lösemittelarmen bzw. lösemittelfreien Produkten.
aus
Parkett Magazin 02/02
(Wirtschaft)