Bauwerk: "Letzte Bastion" für Mosaikparkett fällt
Produktion in Bodelshausen wird ins Ausland verlegt
Bauwerk, Erfinder des Mosaikparketts mit Patent aus dem Jahre 1935, wird in absehbarer Zeit keine eigene Mosaikparkettproduktion mehr betreiben. Der letzte Produktionsstandort Bodelshausen/Württemberg wird aus Kostengründen aufgegeben, teilte das Unternehmen seinen Mitarbeitern in einer Betriebsversammlung am 11. November mit. Der Rückzug soll schrittweise erfolgen. Mitbetroffen sind das an die Parkettproduktion gekoppelte Sägewerk und der Zuschnitt.
Mit der Stillegung dieser Betriebsteile fallen in Bodelshausen zwischen 110 und 120 Arbeitsplätze fort. Verwaltung, Verkauf und Vertrieb, in denen die Nybron-Partner Bauwerk und Kährs zusammen weitere 110 bis 120 Mitarbeiter beschäftigen, bleiben bestehen.
Zwar verfügt jedes Unternehmen über eine eigene Verkaufsorganisation und einen eigenen Verkaufsleiter für Deutschland, aber eine übergreifende personelle "Klammer" soll in Zukunft für noch effektivere Kooperation und Koordination sorgen. Soeben hat Bauwerk die Gesamtvertriebsleitung für Bauwerk Deutschland in Bodelshausen an Jürgen Schlögler übergeben. Bernd Riekeles hat das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen.
Als Bodelshausen im Jahre 2000 von Kährs zu Bauwerk wechselte, war geplant, diesen letzten verbliebenen Produktionsstandort für Bauwerk-Mosaikparkett weiter zu entwickeln. Im Schweizer Stammwerk St. Margrethen und im österreichischen Salzburg fertigten die Schweizer zu dieser Zeit bereits ausschließlich Zweischicht-Produkte. Nach der jetzt beschlossenen und im Laufe des Jahres 2003 wirksam werdenden Stillegung in Bodelshausen wird Bauwerk sein Mosaikparkett aus Fremdproduktion beziehen. Es werde dabei - wie Direktor Manfred Mayer versicherte - "bei der gewohnten Bauwerk-Qualität bleiben". Aus welchem Land bzw. welcher Produktion sie kommen wird, ist noch offen. Sicher sei nur, dass Bauwerk keine eigene Produktionsstätte errichten werde, erklärte Mayer.
Zug um Zug sollen die bisher jährlich rund 650.000 qm aus Bodelshausen zurückgefahren und ersatzweise "mit einem oder mehreren Partnern" in Osteuropa produziert werden. Die Dauer der Umstellung sieht Manfred Mayer "in Abhängigkeit von den Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft". Ursprünglich sei eine Auslaufzeit von bis zu 12 Monaten angedacht gewesen; sie könne sich als Erwiderung auf den harten Konfrontationskurs der Gewerkschaftsvertreter in Bodelshausen jedoch verkürzen.
Die Betroffenen haben auf die Stillegungs-Ankündigung und deren Begründung scharf reagiert. Der Kampf wird zur Zeit mit allen Mitteln geführt: Von der Auseinandersetzung im gewerkschaftlichen und politischen Raum über die Einschaltung von Juristen bis zur offenen Agitation.
Aus für "ein Zusatzgeschäft"
Für den Stilllegungsbeschluss waren - wie Direktor Manfred Mayer erläutert - verschiedene Faktoren ausschlaggebend, vor allem die Entwicklung des Marktes und der Kostenfaktor. Zu dem "harten und schnellen Schnitt" habe sich Bauwerk veranlasst gesehen, weil die gegenwärtige Marktsituation und die Zukunftssicherung des Unternehmens es erforderten, "in jeder Hinsicht effizient" zu agieren. Dabei dürfe es keine Tabus geben; auch historisch Gewachsenes müsse zur Disposition gestellt werden. Dies habe auf Bodelshausen zugetroffen.
Die Vermutung, der Rückzug sei von langer Hand vorbereitet, wies Manfred Mayer als "böswillige Unterstellung" zurück. Tatsächlich sei Bauwerk vor zweieinhalb Jahren davon ausgegangen, dass die Mosaikparkettproduktion in Bodelshausen noch etliche Jahre "tragen" werde. Folglich sei auch "für mehrere Millionen Mark" in die Produktionsanlagen und das Sägewerk investiert worden. Die Aufgabe der 10 mm-Massivparkett-Produktion ("Convent-Parkett") und die Auslagerung der kleinen Zweischicht- Produktion ins bereits spezialisierte, hoch-modern ausgerüstete Werk in Salzburg seien nicht in der Absicht erfolgt, die Produktion in Bodelshausen auszudünnen und zu schwächen, sondern im Interesse von Konzentration und Stärkung. Die angestrebte Entwicklung sei aber von der "ernüchternden" Marktentwicklung überholt worden.
Manfred Mayer nennt Gründe: Änderungen im Kaufverhalten, das Überangebot ("in dem zunehmend auch Nachahmerprodukte mitmischen"), erodierende Preise ("verursacht nicht nur durch das riesige Angebot aus Billiglohnländern, sondern u.a. auch durch kleine deutsche Familienbetriebe, die bei ihrer Kalkulation bis hart an die unterste Grenze gehen können"), vielfältige Kostenvorteile bei den Wettbewerbern aus Osteuropa sowie eine kontinuierlich sich verschlechternde Wirtschaftslage in Mitteleuropa ("besonders in Deutschland"). "Auf jeden verkauften Quadratmeter Mosaikparkett müssen wir 1 bis 2 Euro drauflegen." Das technologisch einfache Produkt enthält, laut Mayer, nicht genügend Rationalisierungspotential, um die Wettbewerbsvorteile der Hersteller in Osteuropa kompensieren zu können.
Die Vorteile der osteuropäischen Wettbewerber bestehen für Bauwerk in der Rohstoffverfügbarkeit und -beschaffung, in weitaus geringeren Kosten für Bauland, Neubau und Infrastruktur sowie in den Fertigungskosten. Das riesige Lohngefälle und die gute Arbeit, die inzwischen in diesen Ländern geleistet werde, mache den Osten Europas für viele Hersteller interessant. "Umso mehr, als Deutschland ein bekannt schwieriger Standort ist", wie Manfred Mayer im Hinblick auf den derzeitigen Gewerkschafts-Clinch anfügt.
Harte Fronten
In Bodelshausen herrsche "der totale Krieg", bedauert auch Bauwerk-Generaldirektor Dieter Betz. Die Schweizer seien darauf nicht vorbereitet gewesen. Ursprüngliche Vorstellungen von einem sozialverträglichen Ausklingen des Produktionsbetriebes würden jetzt vom harten Gewerksschaftsskurs in eine andere Richtung gezwungen. "Über Restlaufzeiten, Kündigungsfristen, Abfindungen und Sozialpläne sei gar nicht erst geredet worden", zitiert eine Regionalzeitung die Betriebsrats- und Gewerkschaftsmitglieder, die sich vom ersten Moment an "zum Kampf bereit" erklärten. Die Fronten sind verhärtet.
Dass die Produktionsaufgabe in Bodelshausen zu einem Politikum geworden ist, kommt in der örtlichen Tagespresse direkt und "zwischen den Zeilen" zum Ausdruck. Mit kritischem Unterton werden die häufigen Besitzerwechsel der ehemaligen Parkettfabrik Schlotterer erwähnt. Seitdem das Unternehmen "nur noch ein Glied in der Kette internationaler Konzerne" geworden sei, habe es in sieben Jahren rund 250 Arbeitsplätze freigesetzt. Überdies fühle sich die Belegschaft getäuscht. Der Begründung, dass mangelnde Nachfrage nach Mosaikparkett ein Grund für die Stillegung sei, stehe entgegen, dass "Überstunden einschließlich Samstagsarbeit gefahren" wurden. Ferner sei noch Anfang September 2002 ein ausdrückliches "Bekenntnis zum Standort Deutschland" abgegeben worden.
Aus der Schweiz verlautet zu diesem Vorwurf, die negative Entwicklung insbesondere für Mosaikparkett in Deutschland habe sich in diesem Jahr unerwartet beschleunigt. Um Schaden vom Unternehmen abzuwenden, seien schnelle Entschlüsse notwendig geworden. Dies erkläre auch, weshalb die angestrebte Schließung schon mitgeteilt worden sei, bevor eine definitive Ersatzlösung bekannt gegeben werden könne.
aus
Parkett Magazin 06/02
(Wirtschaft)