Interview mit Marc Assa

"Tarkett wird bis 2008 mit profitablem Wachstum den Umsatz auf 2 Mrd. EUR steigern"

Tarkett-Vorstandsvorsitzender Marc Assa hat eine Vision: Er will Europas größten Bodenbelagskonzern weltweit ganz nach vorne in die Champinons League führen und hat dazu den Masterplan eines globalen Netzwerks konzipiert. Im Eiltempo hat er die multinationale Gruppe mit Umstrukturierungen, Devestitionen und Investitionen umgebaut und damit den Boden geebnet für die Realisierung seines Ziels. Allein in diesem Jahr hat er Tarkett mit drei weitsichtigen Akquisitionen - und einer vierten, die unterschriftsreif ist - gestärkt und die Voraussetzungen für weiteres profitables Wachstum geschaffen. BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Weidt-Steinert sprach mit Assa am Rande der Einweihung des neuen serbischen Parkettwerks darüber, wie weit seine Strategie bereits gediehen ist und wo Tarkett morgen stehen soll.

BTH Heimtex: Herr Assa, Sie haben gerade Ihr neues Parkettwerk im serbischen Backa Palanka seiner Bestimmung übergeben, eine der modernsten Parkettfabriken der Welt - und ein Mosaikstein Ihrer Strategie, Tarkett global aufzustellen.

Vor einem Jahr hatten Sie angekündigt, in dreistelliger Millionenhöhe in internes wie externes Wachstum zu investieren - mit dem Ziel, weltweit ganz vorn mitzuspielen. Tatsächlich haben Sie 2005 gleich drei große Akquisitionen abgeschlossen, die vierte ist unter Dach und Fach und ganz nebenbei innerhalb der Organisation Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität optimiert. Sind Sie zufrieden damit? Haben Sie das erreicht, was Sie sich vorgenommen hatten?

Marc Assa: Zufrieden sollte man nie sein. Aber wir sind auf jeden Fall entscheidende Schritte vorangekommen. Tarkett ist mit aktuell 1,6 Mrd. EUR Umsatz bereits die klare Nr. 1 in Westeuropa und Osteuropa und einer der führenden Bodenbelagsanbieter der Welt und will bis 2008 den Umsatz auf 2 Mrd. EUR steigern.

Die Märkte verändern sich. Ein Markt wie Westeuropa ist gesättigt, wird künftig maximal im einstelligen Prozentbereich wachsen oder sogar stagnieren. Dort können wir also nur durch Verdrängung weiter zulegen. Andere Märkte wie Osteuropa haben ein enormes Potenzial auch mittel- und langfristig - mit hoch zweistelligen Wachstumsraten, von dem wir bereits profitieren, das wir aber noch mehr ausschöpfen wollen. Oder ein Markt wie China, der aus unserer Strategie gar nicht wegzudenken ist, zu dem wir bereits Kontakte geknüpft haben und in den wir auch investieren werden.

Auf Produktseite ist es ähnlich. Dort gibt es Produktfelder, wo wir uns überproportionales Wachstum versprechen wie Laminat, und andere, die stagnieren.

Vor diesem Hintergrund haben wir eine Strategie für Tarkett entwickelt, die auf drei Säulen beruht: Die erste ist die Konzentration auf unsere Kerngeschäfte. Wir haben bereits einige Jahre zuvor entschieden, dass wir uns auf drei Segmente spezialisieren: elastische Beläge, die gegenwärtig über 60% unserer Erlöse ausmachen, Holz mit 20% Umsatzanteil und Laminat mit erst knapp 10%, aber stark steigender Tendenz.

Die zweite Säule ist die Globalisierung dieser Aktivitäten, die wie in die Vertriebsschienen Handel und Objekt gegliedert haben. Über unser weltweites Netzwerk in Westeuropa, Osteuropa und Nordamerika sind wir bereits mit Vertrieb und Marketing in den Märkten vor Ort präsent. Das wollen wir auch mit der Fertigung. Wir wollen konsequent mit der Produktion dorthin, wo wir die entsprechenden Produkte auch verkaufen.

Mit der Produktion vor Ort realisieren wir drei Effekte: Wir sparen Transportkosten, die immer teurer werden und weiter im Steigen begriffen sind, wir machen uns unabhängig von Währungsschwankungen und wir unterliegen nicht Importzöllen oder ähnlichen Tarifen. Das sind alles Risiken, die das internationale Geschäft belasten - und wir setzen uns diesen Risiken nicht mehr aus.

Und die dritte Säule ist profitables Wachstum zu generieren: sowohl organisches durch Neuentwicklungen bei den Produkten, verbesserte Produktivität und die Etablierung in neuen Marktsegmenten wie auch externes durch Akquisitionen, Kooperationen und Joint-Ventures. Insgesamt investieren wir bis 2007 über 500 Mio. EUR.

In den letzten Monaten haben wir bereits einige Projekte dieser Art in Europa und Nordamerika realisieren können, mit denen wir das Wachstums bei unseren Kernprodukten forcieren werden. Unser Osteuropa-Joint Venture mit Sintelon, das mittlerweile seit drei Jahren besteht, ist der beste Beweis dafür, wie erfolgreich diese Strategie ist. Sein hoher Ergebnisbeitrag hat wesentlich dazu beigetragen, dass Tarkett 2005 im fünften Jahr in Folge seinen Gewinn erhöhen konnte.

BTH Heimtex: Ich möchte noch einmal auf den ersten Punkt zurück kommen, Stichwort Konzentration auf die Kernkompetenzen. Textile Beläge zählen Sie nicht dazu, obgleich Sie immerhin noch fast 115 Mio. EUR damit umsetzen.

Assa: Nein. Im Handelsbereich werden wir sie in begrenztem Umfang als Handelsware zur Sortimentsabrundung weiter führen, eine eigene Produktion unterhalten wir schon seit längerer Zeit nicht mehr. Und für die Produktion unserer textilen Objektbeläge im französischen Sedan stehen wir derzeit in der Zielgeraden für Verkaufsverhandlungen.

BTH Heimtex: Mit Interessenten aus der Branche? Wer?

Assa: Ja, es handelt sich um namhafte Unternehmen aus der Branche, ich bitte Sie aber um Verständnis, dass ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keinen Namen nennen will, so lange die Verhandlungen nicht abgeschlossen sind.

BTH Heimtex: Im Gegensatz zu textilen Belägen zählen Sie Laminat zu Ihren Kernaktivitäten, obgleich dieser Bereich 2005 mit 135 Mio. EUR nur gut 8,5% Ihrer Konzernerlöse ausgemacht hat und Sie damit auch in der Branche weit abgeschlagen hinter den ganz Großen liegen.

Assa: Ich gebe Ihnen Recht, dass Laminat zur Zeit noch ein kleines Produktfeld für uns darstellt - aber ein sehr dynamisch sich entwickelndes, expansives, dass sich von Anfang an sehr erfolgreich gestaltet hat. Wir haben im Jahr 2000 das Joint Venture mit Egger begonnen, 2001 auf Anhieb 5 Mio. qm verkauft und sind 2005 mit 21 Mio. qm an die Kapazitätsgrenzen gestoßen.

Abgesehen davon war das Joint Venture mit Egger nicht mehr in Einklang mit unserer Strategie zu bringen. Wir wollen uns rückwärtig vertikal integrieren, um noch wettbewerbsfähiger und innovativer zu werden und wir wollen wie bereits gesagt mit der Produktion in die Märkte vor Ort, um die Kunden dort besser bedienen zu können. Daher werden wir die Zusammenarbeit mit Egger zum Frühjahr 2007 beenden und sind stattdessen drei andere Joint-Ventures eingegangen.

Mit dem chilenischen Holzwerkstoffhersteller Aconcagua werden wir Nordamerika abdecken und in Clarion im US-Bundesstaat Pennsylvania das größte vertikal integrierte Laminatwerk mit einer Produktionskapazität von 25 Mio. qm errichten.

Westeuropa werden wir zusammen mit dem portugiesischen Sonae-Konzern bedienen und dazu dessen deutsches HDF-Produktion in Eiweiler zu einem ebenfalls integrierten Laminatwerk ausbauen. Die Kapazität wird 24 Mio. qm betragen.

Und für Osteuropa haben wir gerade ein Letter of Intent für ein drittes Joint Venture mit der Schweizer Krono-Gruppe unterzeichnet.

Damit wollen wir unseren Absatz bis 2008 über 50 Mio. qm steigern und den Marktanteil in Westeuropa von 4 auf 10%, in Osteuropa von 5 auf 27 und in Nordamerika von 1 auf 9% erhöhen. Und ich bin absolut sicher, dass wir das erreichen werden.

Laminat ist ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie im Bereich Handelsbeläge.

BTH Heimtex: Kann es sein, dass Sie über die Laminat-Euphorie Ihr originäres Stammgeschäft Holz vernachlässigt haben? Dort haben Sie dringend Handlungsbedarf.

Assa: Nicht mehr. Der Umbau ist in vollem Gange. Wir befinden uns hier in unserem neuen Parkettwerk - einem der modernsten weltweit, von dem aus wir die wachsenden Märkte Russland, den Balkan und die Ukraine bedienen werden. Im ersten Schritt haben wir bereits unsere schwedischen Aktivitäten restrukturiert, der zweite war die Investition in Serbien, der dritte wird die Eröffnung eines neuen Werks in Polen im Oktober 2007 sein und im vierten werden wir Nordamerika in Angriff nehmen. Parallel fahren wir ein Programm zur Kostenreduzierung und implementieren 2006 in Europa eine neue Marketingstrategie. Damit werden wir uns gegen die neuen Wettbewerber aus Polen, Tschechien, Spanien, China, Malaysia und Indonesien durchsetzen und bis 2008 sowohl den Umsatz wie auch das EBITA signifikant erhöhen.

BTH Heimtex: Eine Ihrer absoluten Stärken sind CV-Beläge - in West- wie in Osteuropa, wo Sie absoluter Marktführer sind. Wie laufen die beiden Anlagen im russischen Otradny?

Assa: Bestens. Wir haben dort in eine dritte 4 m-Linie investiert, die im ersten Halbjahr in Produktion geht...

BTH Heimtex: Ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen, dass Sie mit Ihren Produktionen näher an die Märkte rücken wollen. Dennoch erscheint es mir unsinnig, dass Sie angesichts der massiven Überkapazitäten im Markt zusätzliche Kapazitäten aufbauen. Sie verfügen gerade im CV-Bereich über hoch leistungsfähige Werke. Wäre es nicht ökonomischer, diese erst einmal auszulasten?

Assa: Nein, man muss da weiter denken. Sie können heute nicht längerfristig ökonomisch eine Importstrategie Richtung Osteuropa oder Nordamerika fahren. Das mag sich bei sehr exklusive Ware rechnen, aber nicht bei austauschbaren Commodity-Produkten. Dort ist der Konkurrenzkampf zu groß.

Man muss heute einfach flexibler sein. Wir sondieren gerade im CV-Bereich alle Möglichkeiten, schließen auch Kooperationen, Joint-Ventures und den Verkauf von Kapazitäten nicht aus. Mit einem großen Mitbewerber haben wir seit geraumer Zeit eine erfolgreiche Kooperation, die jetzt eben in ein Joint Venture gemündet ist. Das sind ganz normale Geschäftsvorgänge.

BTH Heimtex: Welche Rolle spielt Nordamerika für CV?

Assa: Dort werden wir mit unserer neuen Produktionslinie in Kanada als derzeit alleiniger Produzent von CV-Belägen auf Glasvlies das Wachstum beschleunigen.

BTH Heimtex: Sprechen wir über Ihre Objektdivision. Auch hier haben Sie 2005 große Investitionen getätigt und zwar sowohl in Produkte wie in den Vertrieb.

Assa: Ja. Wir werden unsere führende Marktposition bei elastischen Objektbelägen nicht nur behaupten, sondern weiter ausbauen. Und uns dazu systematisch neue Märkte und Marktsegmente erschließen. Mit der Übernahme von Marley 2004 hatten wir uns entscheidend in England verstärkt, einem der großen Märkte Europas, wo Marley die Nr. 2 ist und zugleich Kompetenz bei Sicherheitsbelägen gewonnen. Außerdem werden wir in Russland die Produktion von homogenen wie von heterogenen Belägen starten und auch in China über ein Joint Venture mit einer Produktion vor Ort präsent sein.

Bei Linoleum liegt der Focus auf Deutschland, den nordischen Ländern und Nordamerika, wo wir die Verkäufe forcieren wollen.

In Nordamerika setzen wir unsere Expansionsstrategie mit der Akquisition von Johnnsonite fort. Johnnsonite ist eine starke Marke im US-Objektgeschäft, einer der führenden Hersteller von Spezialböden und hauptsächlich Belagszubehör und in den letzten Jahren extrem gewachsen. Von 1997 bis 2005 hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt und wir wollen das Tempo wenigstens beibehalten. Johnnsonite kann über sein hervorragendes Vertriebsnetz mit den homogenen und heterogenen Belägen sowie Linoleun von Tarkett sein Produktportfolio verbreitern, die Basis für weiteres überproportionales Wachstum. Tarkett wiederum erhält durch Johnsonite Zugang zu Gummibelägen.

Mit dem kanadischen Sportbodenhersteller Fieldturf haben wir unser Sportbeläge zu Fieldturf Tarkett fusioniert und zugleich unseren Anteil an Fieldturf auf 70% erhöht. Mit einem Umsatz von über 220 Mio. USD ist Fieldturf Tarkett weltweit die Nr. 1 bei Kunstgrassystemen für den Sportbereich. Künftig wollen wir das Geschäft mit Hallensportbelägen auf der Basis von PVC-Belägen, Holzböden und Linoleum signifikant ausbauen.

Neben diesen großen Projekten haben wir übrigens auch kleinere initiiert wie die strategische Allianz mit Witex, Resopal und Knauf über die Vermarktung eines neuartigen Produktes mit dem wir neue Marktsegmente und Nischen besetzen. Cera-clic ist ein leimlos verlegbares Boden-Element in einer neuen Werkstoff-Kombination, das als Alternative zu Naturstein im Objekt- und auch im Wohnbereich eingeführt wird. Und die Vertriebsverantwortung liegt eben bei uns.

BTH Heimtex: Sie haben viel bewegt, viele Projekte auf den Weg gebracht. Konkretisieren Sie noch einmal bitte das Ziel: Wie wird Tarkett 2008 aussehen?

Assa: Tarkett wird 2008 ein global starker Anbieter sein von elastischen Bodenbelägen, Holz und Laminat für die Bereiche Handel einerseits und Objekt andererseits mit einem Umsatz von 2 Mrd. EUR, führend in Entwicklung, Produktion und Vertrieb. Und das Ziel von Tarkett ist, Kunden und Endverbrauchern mit der jeweils qualitativ besten und serviceoptimalen Bodenbelags-Alternative zu gewinnen.
aus BTH Heimtex 01/06 (Wirtschaft)