Wulff: Beschichtungssysteme für Textilbeläge
Mit Teppichböden neue Dimension erschlossen
Teppichboden lose verlegen ohne offene Nähte, Faltenwurf, Blasen- oder Beulenbildung - spezielle Rückenbeschichtungen machen es möglich. Dass mit der Firma Wulff ausgerechnet ein Klebstoffhersteller zu den Protagonisten dieser Technologie gehört, klingt zunächst paradox. Doch ohne Know-how auf diesem Sektor wäre es kaum möglich, für den uneingeschränkten Objekteinsatz Textilbeläge anzubieten, die nicht am Untergrund arretiert werden müssen.
Klebstoff stellt quasi eine Grundkomponente des Teppichbodens dar - zum Beispiel, um den Fasern auf dem Träger Halt zu geben. "Was die Industrie Kaschierung oder Vorstrich nennt, ist im Grunde genommen Klebstoff. Das kann zum Beispiel SBR-Latex oder Acrylat sein", erläutert Wulff Geschäftsführer Ernst Dieckmann. Diesen Kleberanteil beim Teppichboden schätzt er auf 60 bis 70%. Noch mehr ist es, wenn der Belag lose verlegt werden soll und eine Beschichtung aufweist. "Bei 500 Gramm Oberware pro qm kann eine Textilfliese durchaus 3kg wiegen, von denen 2,5kg auf Klebematerial entfällt wie Bitumen oder PVC-Compound*", verdeutlicht der Geschäftsführer. Man könnte also meinen, dass sich das Wertvollste einer Fliese immer auf der Rückseite befindet. "Das ist auch so", bestätigt Dieckmann. "Aber es gibt Beläge, die stinken, weil sie die falschen Kleber haben und es gibt Kleber, die stinken wegen der falschen Bindemittel."
Wulff stellte sich schon vor Jahren der Herausforderung, einen geruchsneutralen, emissionsarmen und maßstabilen Teppichboden mit verbessertem Liegeverhalten zu entwickeln. Den Hintergrund bildete die Erkenntnis, "dass Textilbeläge unter schwankenden Klimabedingungen schrumpfen und wachsen - teilweise in einem Ausmaß, dass nur wenige spezielle scherfeste Klebstoffe mit zusätzlich hoher Wärmestandfestigkeit in der Lage sind, diese Nachteile zu minimieren".
Marktführer setzt auf lose Verlegung
Für Ernst Dieckmann stellte sich zudem die Frage: Welchen Sinn macht es, einen Teppichboden so zu verkleben, dass das Auswechseln hinterher teurer ist als die Anschaffung? Bei einem der weltweit größten Hersteller von Teppichfliesen, scheint die Entscheidung bereits gefallen zu sein, wie Dieckmann bei einem Besuch in den USA erfuhr: "Dort ist man überzeugt, dass eine Teppichfliese komplett lose liegen muss. Fixierungen oder Klebstoffe werden nicht gewünscht." Diese Tendenz dürfe nicht ignoriert werden, denn auch der Laminatboden sei zunächst als lose liegendes System und den damit verbundenen Schwächen belächelt worden.
Dieckmann räumt ein, dass die in seinem Haus entwickelten Beschichtungen nur eine von mehreren Problemlösungen ist. Als Beispiel präsentierte er eine Fliese, ein ausgesprochenes High-Tech-Produkt, das nicht weniger als 7 Schichten aufweist:
- Polschicht
- Tuftträger
- Vorstrich
- Heißschmelzkleber
- Glasgelege
- PU-Schaum
- Vliesabdeckung
Einziges Manko: Solch ein Produkt würde der deutsche Markt aufgrund des Preises kaum akzeptieren. Gegenüber Bitumen-Ausführungen beträgt die Differenz bei 1qm etwa 9 EUR in der Herstellung. Laut Dieckmann kommt für diesen Produzenten ein Bitumen-Produkt schon wegen der Umwelteigenschaften nicht infrage. "Bitumen gehört auf die Straße", sei man überzeugt.
Welche Bedeutung das klebstofffreie Verlegen von Teppichböden in den USA hat, wurde den Besuchern aus dem Hause Wulff bei der Besichtigung eines Hochhauses klar, das mit 270.000 Quadratmetern Textilfliesen ausgestattet war - "und zwar ohne jede Verwendung eines Bodenbelagsklebstoffes, einer Fixierung oder eines Klebe- und Klettbandes". Dennoch wird offensichtlich auch bei den Amerikanern nach preislichen Alternativen gesucht. Und da scheint Wulff der geeignete Partner zu sein.
Auch für das im westfälischen Lotte ansässige Unternehmen ist Bitumen kein zeitgemäßes Material. "Bodenbelagshersteller, die das anders sehen, sind für uns keine Partner", stellt Dieckmann klar. Die nach eigener Rezeptur entwickelte Rückenbeschichtung basiert auf Spezialzementen, Metallpulver und sehr emissionsarmen Kunststoffanteilen. Wie es heißt, handelt es sich durchgehend um kennzeichnungsfreie Rohstoffe.
Der hochreaktive Spezialzement ist der "Stabilisator", der größere Maßänderungen des Belags unterbinden soll. Das fein gemahlene Eisenpulver optimiert das Liegeverhalten des Teppichbodens und sorgt dafür, dass sich die Kanten bei Temperaturschwankungen nicht aufstellen. Durch die Kunststoffvergütung wird dem Rücken die erforderliche Flexibilität verliehen. Wie Dieckmann mitteilt, erfolgt die Feineinstellung auf die jeweiligen Produkte in Zusammenarbeit mit den Bodenbelagsherstellern.
Die für die Produktion der Beschichtung angeschaffte Anlage hält ständig Material bereit. In Wechselcontainern oder mit einem Tankfahrzeug gelangt das Material zu den Kunden.
Zusammenarbeit mit Halbmond
Ein engagierter Mitstreiter aus der Bodenbelagsindustrie ist Halbmond, Hersteller Chromojet bedruckter Textilbeläge, der eine Alternative zu Bitumen- und PVC-Beschichtungen suchte. Schon über 8 Jahre währt die Zusammenarbeit der beiden Firmen. Das Resultat ist "Easy Lift", ein mit einem patentierten umweltfreundlichen Werkstoffgemisch hergestellter Belag. Damit ist es möglich, maßstabile Bahnenware und rapportgenaue Fliesen aus einer Charge und mit gleicher Beschichtungshöhe zu produzieren. "Auf einen Niveauausgleich bei der Verlegung der beiden Produkte nebeneinander kann verzichtet werden - ein enormer Zeit- und Kostenvorteil", schwärmt Halbmond in seiner Kundenzeitschrift. Auch in Zukunft wollen die beiden Unternehmen neue Wege beschreiten.
Girloon gehört ebenfalls zum Kreis der Kooperationspartner aus der Belagindustrie.
Ein weiteres Betätigungsfeld stellen Nadelvliesbeläge dar. "Auf diesem Sektor haben wir in enger Zusammenarbeit mit Vebe, einem der bedeutendsten europäischen Nadelvlies-Hersteller in den Niederlanden, unseren Faserbinder bei der Produktion eines Belages eingesetzt", berichtet Dieckmann. Findeisen verwende das Bindemittel ebenfalls, um so einen geruchsneutralen Nadelvlies-Belag herzustellen. Bei weiteren namhaften Belagsherstellern laufen zur Zeit viel versprechende Versuche.
Apropos "geruchsneutral": Brancheninsider wissen, dass Dieckmann bei der Bodenverlegung Emissionen jeder Art und die daraus resultierenden Beanstandungen für ein weiteres Kardinalproblem der Branche hält. Da der unverklebte Systemaufbau keine geruchsintensiven Klebstoffe aufweist, würde es sich um eine ideale Problemlösung handeln. Weiterer Vorteil: Der Belag kann jederzeit aufgenommen werden, was vor allem für den Objektbereich mit seinen teilweise kurzen Renovierungszyklen ein wichtiger Aspekt ist.
"Das Potential dieser Entwicklung ist enorm", ist Ernst Dieckmann überzeugt. "Aber meine 40jährige Branchenerfahrung sagt mir, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis sie sich durchsetzt."
* Als Compound bezeichnet man Werkstoffmischungen aus einem oder mehreren polymeren Kunststoffen mit Füllstoffenoder Zuschlagsstoffen.
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