Bodenbeläge auf der Domotex
Zuversichtlich ins Jahr 2006
Nach einem starken Dezember 2005 und einem vielversprechenden Start ins Jahr 2006 gab sich die Bodenbelagsbranche auf der Domotex so entspannt wie seit Jahren nicht mehr. Allerorten herrschte positive Stimmung, gute Laune, Zuversicht, Harmonie. Nicht mal die üblichen Messegerüchte machten die Runde. Signal dafür, dass sich der Markt allmählich beruhigt? Mitnichten. Die Konsolidierung ist noch lange nicht abgeschlossen. Nur die Schauplätze wechseln: Statt in der Industrie stehen derzeit die großen Veränderungen in den nachgelagerten Vertriebsstufen an, vor allem der Großhandel ist betroffen.
Das war dieses Jahr eine ausgesprochen gute Domotex. Die Großen der Branche alle präsent - ob sie nun Tarkett, Armstrong DLW, Forbo heißen oder Dura, Enia Carpets, Norddeutsche Teppichfabrik, Vorwerk - Aussteller wie Besucher positiv aufgeladen nach einem dynamischen Jahreswechsel und entsprechend optimistisch. Und keine Hektik durch konkurrierende Parallel-Veranstaltungen wie der Münchner Bau. Neben den beiden Bodenbelags-Haupthallen 5 und 6 ist Halle 4 zu einem weiteren Anziehungspunkt avanciert - nicht nur, weil hier die marktbedeutenden elastischen Belagsanbieter residieren, sondern weil sich die Contractworld zu einem vollwertigen Messe-Areal entwickelt hat.
Bahnbrechende Neuheiten suchte man vergebens, die Industrie konzentriert sich momentan mehr darauf, ihre Produktportfolio abzurunden und sich klar zu positionieren, als auf Gedeih und Verderb Innovationen zu bringen. So ist beispielsweise die bereits vor einem knappen Jahr angekündigte PVC-Designbelagskollektion Allura von Forbo fertig und lieferbereit, die Dura schloss den Relaunch ihres Objekt- sortiments mit gleich zwei neuen Service-Koffern ab (Contract Nadelfilz und Contract Dura Air), Objectflor stellte die jüngste Auflage seiner PVC-Designbelagskollektion Expona Domestic vor - wie immer perfekt marketingmäßig begleitet, gelungen vor allem die hochwertig aufgemachte Broschüre dazu, Infloor präsentierte einen neuen Wohn-Koffer, ebenso die Norddeutsche Teppichfabrik, Enia hat Ergänzungen im Objektbereich vorgenommen, und die Weseler bietet ihren Dauerbrenner Tretford, den Ziegenhaar-Rips jetzt auch als Patchwork-Teppich an.
Wohl das umfangreichste Neuheiten-Paket hatte die Condor-Gruppe geschnürt: Gleich 91 neue Artikel gab es auf dem Stand zu sehen, wobei sowohl Trendthemen wie Shaggys und Strukturschlingen abgedeckt wurden wie auch konsumige "Brot-und-Butter"-Ware. Darüber hinaus wollen sich die Niederländer über Themen-Kollektionen, etwa für Hotels, Türen zum bislang kaum angesprochenen Objektgeschäft aufstoßen. Tarkett, die Nr. 1 in Europa, unterstrich seinen Führungsanspruch durch den größten Messestand und ein Feuerwerk an Neuheiten in allen Produktsegmenten: CV-Beläge, elastische Objektbeläge, Laminat und Parkett. Und ein Marktführer dieser Größenordnung kann sich dabei auch Extravaganzen leisten wie hypermodische CV-Dessins oder die ausgefallene Lamin"Art-Kollektion.
Außerdem richtete Tarkett "das" Event der Domotex aus: Zur traditionellen Tarkett-Party im Alten Rathaus waren die Einladungen heiß begehrt und schnell vergriffen. Schließlich tummelten sich dort unter dem Motto Schwarz-Weiß 1.200 Gäste auf drei Ebenen und verlangten dem Caterer alles ab. Und damit die Gäste auch ja nicht zu kurz kommen, verzichtete die anwesende Tarkett-Mannschaft kurzerhand aufs Buffet....
Aus der Branche
In unserem Domotex-Kommentar vor einem Jahr haben bereits prognostiziert, dass der Bodenbelagsbranche weiterhin massive Veränderungen bevorstehen, wenn nicht sogar Umwälzungen. Nachdem in den Jahren zuvor vor allem die Industrie durch mehr oder weniger überraschende Akquisitionen, Transaktionen und Fusionen für Schlagzeilen sorgte, kommt jetzt immer mehr Bewegung in die nachgelagerten Distributionsstufen - speziell in den Großhandel. Dort findet ein regelrechter Ausleseprozess statt. Das resultiert zum einen aus der bekannten Marktentwicklung mit stetig schrumpfender Nachfrage, die den Wettbewerb anheizt und schwächeren Unternehmen gnadenlos die Beine wegzieht, und zum anderen aus dem Generationswechsel: die alte Gründergeneration, die jetzt in den 60er Jahren steht, tritt ab und macht Platz für die nächste, die aber unter Umständen gar nicht am Geschäft interessiert ist. Und schon steht wieder ein Großhändler zum Verkauf....Mit Sicherheit hat jeder einigermaßen potente Investor permanent mehrere Kaufangebote auf dem Tisch liegen.
Dabei beginnt sich eine neue Struktur in der deutschen Großhandelslandschaft abzuzeichnen. Statt wie bisher Grossisten jeglicher Couleur und Größenordnung wird sich das Feld polarisieren, wobei man zwischen dem klassischen Bodenbelagsgroßhandel und seinen mehr oder oder komplett farben-orientierten Kollegen differenzieren muss.
Im Bodenbelagsgroßhandel erweisen sich neben den beiden großen überregional bis bundesweit agierenden Formationen Jordan und Steffel - auch Dresing ist hier in gewisser Weise zuzurechnen - zunehmend starke Regionalgrossisten als bedeutende Marktkräfte, die künftig noch mehr an Gewicht zu gewinnen werden. Hier sind in erster Linie die Bonflair-Gruppe mit Stammhaus Veeser, Lotter + Liebherr und Weigel/Müller zu nennen. Daneben gibt es einige Großhandelshäuser, die sich regional nicht ganz so weit ausdehnen, aber in ihrem unmittelbaren Einzugsgebiet den Markt maßgeblich mitbestimmen wie Geiger, der jetzt sogar mit einer Niederlassung in Köln den Schritt nach Westen wagt, die SKV, Ruhe & Co., Wilts, Rettberg, Engelhardt, Orth. Wobei diese Aufzählung keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Danach wird die Luft dann merklich dünner. Kleine haben nur Chancen mit Nischenpolitik oder Spezialisierung.
Die Großen werden hier auch weiter wachsen und ihr Standortnetz verdichten. Durch Zukäufe oder neue Filialen. Wie Dr. Frank Steffel, der 2005 mit dem spektakulären Erwerb von Hometrend Inku, heute wieder Gallion, nach vorne preschte, oder Jordan, die erst im Herbst neue Dependancen einweihten und weitere in der Pipeline haben. Sehr aktiv sind auch die Geb. Schlau, die Großhandels-Sparte der Schlau-Hammer-Gruppe, deren Gesellschafter Eberhard Beeth unlängst seinen 70. Geburtstag feierte. Sie hatten im vergangenen Jahr das Bodenbelagsgeschäft des Hamburger Grossisten König & Kritzmann übernommen und wollen jetzt anscheinend einen zweiten Standort in der Hansestadt installieren, auf der anderen Elbseite. Darüber hinaus soll Schlau bei Schröder in Sulingen eingestiegen sein, den Großhandels-Standort weiterführen und den Einzelhandel in einen Hammer-Markt umwandeln wollen....
Eine Frage, die vielen auf den Nägel brennt, ist die nach der Zukunft der SKV. Es sieht so aus, als könne sich der inzwischen einigermaßen betagte Inhaber Dr. Wolfgang Lampe nicht recht zu einem Verkauf entschließen. Einen Nachfolger hat er allerdings auch nicht parat.... Und die SKV ist mit ihrer starken Stellung in Hessen sozusagen ein Filetstück. Aber es tut keinem Unternehmen gut, wenn die Perspektiven so ungewiss sind.
Im Farbenbereich ist die Situation anders. Hier macht nicht der Großhandel das Rennen unter sich aus, hier zieht die Industrie die Figuren auf dem Schachbrett. Die beiden Platzhirsche Caparol und Akzo Nobel liefern sich inzwischen eine regelrechte Übernahmeschlacht, Zug um Zug. Während Caparol vor gar nicht langer Zeit die Akquisition von Ullmann vermelden konnte, der querab den ganzen Norden abdeckt, ging die jüngste Partie an die Niederländer, die das Traditionshaus Schmitt & Orschler in Aschaffenburg in ihren Großhandelstöchter eingegliedert haben sollen. So melden jedenfalls die Buschtrommeln.
Bei diesem Duell ist noch lange kein Ende in Sicht, zumal die Kontrahenten kapitalmäßig gut ausgestattet sind. Wer ganz pessimistisch ist, könnte angesichts dieser Entwicklung befürchten, dass es in geraumer Zeit nur noch wenige oder gar keine freien Farben-Großhändler mehr auf dem deutschen Markt geben wird wie in Frankreich oder den Niederlanden.... Wir wollen das nicht hoffen, weil es fatal für die Branche wäre, die auch von ihrer Vielfalt lebt.
Der Wettbewerb hat auf jeden Fall schon mit den ersten Auswirkungen zu kämpfen. Kleinere Farbenproduzenten, die durch den Eigentümerwechsel Kunden in einer Region verlieren, keinen adäquaten Ersatz finden und dann gezwungenermaßen direkt an den Maler gehen, um ihren Absatz zu sichern, müssen sich von ihren anderen Kunden dann den Vorwurf gefallen lassen, sie würden vom Häfa zum Kofa mutieren....
Überhaupt nicht zu unterschätzen sind im Farbenbereich zudem die Malereinkaufsgenossenschaften, allen voran die Mega, die Vorstandsvorsitzender Walter Stüven in den letzten Jahren zu einem gewaltigen Marktfaktor formiert hat - getreu seiner vor gar nicht langer Zeit postulierten Devise: "Von 12 Malereinkaufsgenossenschaften sind 11 zu viel." Inzwischen sind es nur noch 6 - mit weiter abnehmender Tendenz....Erst vor kurzem haben die Hamburger ihren Filialen einige neue im Osten hinzugefügt.
Werfen wir auch einen Blick ins Ausland. Während der Großhandel in der Schweiz eine zumindest nach außen hin friedliche Ko-Existenz pflegt, wackelt in Österreich das lange Zeit stabile Gefüge. Marktführer Inku ist trotz Kapitalzuflusses durch die Trennung von Hometrend-Inku und Italien angeschlagen, was die Konkurrenz weidlich für sich ausgenutzt hat. Und es rumort noch immer in Klosterneuburg. Schon länger ahnten Insider, dass das Gleichgewicht zwischen oberster Heeresspitze, Aufsichtsrat und Haupt-Anteilseigner sehr fragil war und die Interessenlagen nicht immer korrelierten. Äußeres Zeichen dafür war, dass dem Vorstandsvorsitzenden Uwe Heinemann ab Juli 2005 mit Dr. Michael Pistauer ein Vertreter der Aktionärsgruppe Sares an die Seite gestellt wurde, der zum Jahresanfang 2006 offiziell in den Vorstand aufrückte. Parallel übernahm mit Manfrd Wildauer im November 2005 ein Neuzugang die Aufgabe als Verkaufschef für den Konzern.
Offensichtlich gingen die Vorstellungen über künftige Strategie und Firmenpolitik dann letztlich doch zu weit auseinander. Jedenfalls wurde Anfang Februar offiziell, was im Grunde unausweichlich war und für Kenner der Szenerie auch nicht wirklich überraschend kam: Heinemann kündigte auf der Salzburger Casa an, dass "Aufsichtsrat und Vorstand der Inku AG einvernehmlich mit ihm" entschieden hätten, seine Tätigkeit als Vorstand zu beenden und zwar zeitlich vorgezogen zum 31. März.
Damit geht eine Ära bei der Inku zu Ende. Über ein Jahrzehnt hatte der rührige, bei Kunden wie Mitarbeitern beliebte Heinemann den Grossisten gelenkt. Sein schneller, farbloser Abgang wird dem Mann und dem, was er in Klosterneuburg geleistet hat, nicht gerecht. Er bleibt der Branche aber auf jeden Fall erhalten, da er weiterhin als Geschäftsführer für die Steffel-Tochter Gallion wirkt. Nun wartet die Branche gespannt, wie sich Nachfolger Pistauer macht. Wohl hinterließ er bei Gesprächen auf der Domotex einen guten Eindruck, es gehört aber mehr als nur betriebswirtschaftliche und finanztechnische Kompetenz dazu, ein Unternehmen wie die Inku zu führen. Es muss sich zeigen, ob er sich auch in die Branche und ihre Besonderheiten eindenken und einarbeiten kann....
Aus der Industrie gibt es aktuell relativ wenig zu berichten. Tarkett-Vorstandschef Marc Assa ist seine Textilaktivitäten so gut wie los. Mit einem der beiden Interessenten, die zuletzt um die Übernahme wetteiferten, hat er ein Letter of Intent unterschrieben. Während der Produktion dieser Ausgabe lief die Due Diligence.
Hinter vorgehaltener Hand wurde in Hannover gemunkelt, dass sich auch die britische Allied-Gruppe mit Trennungsabsichten von ihrer Tochter Halbmond trage, die zuletzt eine recht ordentlliche Performance abgeliefert hat und deren Spritzdruck-Kapazitäten gut ausgelastet sind.
Als substanzlos erwiesen sich dagegen Gerüchte von einer Verbindung zwischen Condor und Edel. Wohl mag es mal Gespräche zwischen den Niederländern gegeben haben, Tatsache ist jedoch, dass Edel eine umfassende Reorganisation und Bereinigung erfolgreich hinter sich gebracht hat und nun mit neuem Sortiment, neuer Verkaufsstruktur und neuem Elan durchstarten will. Neben der Stamm-Marke Edel führt das im Besitz der Familie de Lange befindliche Unternehmen als zweites Label Telenzo für ausschließlich Wolle im mittleren bis gehobenen Bereich. Im Vertrieb will sich der Tufter, der auch gut im Geschäft mit Kunstrasen ist, künftig mehr in Richtung Großhandel und Verbände orientieren.
aus
BTH Heimtex 02/06
(Wirtschaft)