Messebericht: 6. internationale Estrich-Fachmesse 2002 in Feuchtwangen
Rasanter technischer Fortschritt
Die 6. Estrich-Fachmesse behält auch nach ihrem Umzug nach Feuchtwangen ihren Status als wichtigste Informationsbörse der Branche. Dafür sorgte ein zielgruppenorientiertes Angebot, eine Vielzahl an Neuheiten und eine perfekte Organisation am neuen Standort. Im Mittelpunkt standen Renovierungs- und Sanierungslösungen, Schnellbauprodukte sowie rationelle Verarbeitungstechniken - darunter einige völlig neue Technologien und viele Anregungen für ein zukunftsfähiges Leistungsangebot.
Klagen waren auf der diesjährigen Estrich-Fachmesse eigentlich nur hinsichtlich der hohen Temperaturen zu hören - obgleich auch Petrus mit dem sommerlichen Wetter seinen Beitrag zum Erfolg der Veranstaltung beitrug. Ansonsten blickte man bei Besuchern und Ausstellern gleichermaßen in zufriedene Gesichter. Die EFM 2002 erwies sich trotz schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen als rundherum gelungener Branchentreff des Estrichgewerbes - als hätte man kollektiv beschlossen, die anhalte Krise im Bau- und Ausbaugewerbe für ein paar Tage einfach zu vergessen.
Eine Erklärung lieferte Alfred Chini, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Estrich und Belag im Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), in seiner Eröffnungsansprache: "Wir Unternehmer sind gerade in schwierigen Zeiten zum positiven Denken und Handeln angehalten." Um sich auch in Zukunft erfolgreich am Markt behaupten zu können, seinen "neue Konzepte, Methoden und Hilfsstoffe" gefragt ebenso wie ein zeitgemäßes Leistungsangebot nach dem Motto "alles aus einer Hand". "Die EFM kann uns dabei helfen - machen Sie davon Gebrauch", appellierte Chini an die angereisten Handwerksunternehmer.
Hans-Uwo Fresse, Vorsitzender des technischen Bundesverbandes des Estrich- und Belaggewerbes (BEB), formulierte seine Grußworte noch optimistischer: "Wir hoffen, dass sich die negativen Prognosen nicht bestätigen werden, sondern dass wir uns über neue technische Lösungen neue Chancen am Markt erschließen können." Der BEB-Vorsitzende gab damit praktisch das Motto der Veranstaltung vor.
Veranstalter stellten gelungene Fachmesse auf die Beine
Zwar lagt die Ausstellerzahl der 6. Estrichfachmesse mit gut 100 um rund 20 % unter der EFM 1999 und auch die Besucherzahl erreichte mit 3.200 nicht ganz das Rekordergebnis der Vorgängerveranstaltung. Angesichts der derzeitigen Untergangstimmung in der Baubranche bewerteten die Veranstalter die erste Estrichfachmesse in Feuchtwangen dennoch zu Recht als Erfolg. Bundesfachgruppe, Bundesverband und Bundesfachschule Estrich und Belag war es gelungen, ihre Mitglieder trotz des harten Tagesgeschäftes für einen Messebesuch und den Blick auf neue Produkte und Verfahren zu motivieren.
Wesentlichen Anteil am Erfolg hatten die Organisatoren vor Ort - allen voran das Team um Wolfgang Bux, dem Geschäftsführer der Bayerischen Bauakademie, die ihr Gelände für die EFM zur Verfügung stellte. Bux hatte schon als Direktor des LBB-Schulungszentrums in Burgthann für die Ausrichtung der vorangegangenen Estrichfachmessen verantwortlich gezeichnet. Sein Team erwies sich auch bei der diesjährigen EFM als professioneller Veranstaltungsausrichter.
Der lediglich dreijährige Veranstaltungsrhythmus sorgte zudem für eine große Zahl an Neuheiten. Die Industrie reagiert auf die verschärften Marktbedingungen mit einem unglaublichen Entwicklungseifer, durch den die Grenzen des technischen Machbaren neu definiert werden: der Zement, der nicht mehr schwindet, oder die "flüssige Dämmplatte", mit der sich ohne Probleme bei der Aufbauhöhe Unebenheiten und Rohrleitungen am Rohboden ausgleichen lassen, scheinen keine Utopien mehr zu sein - sondern wurden den staunenden Messebesuchern in Feuchtwangen als künftiger Stand der Technik präsentiert.
Der Fußbodenbau erlebt gerade im Gewerk Estrich einen rasanten technischen Wandel - wer sich hier nicht auf dem Laufenden hält, steht mit seinem Angebot schnell im Abseits. Auch dies wohl ein Grund, warum so viele Estrichunternehmer die Reise ins Fränkische auf sich nahmen.
Schwerpunkt Renovierungs- und Sanierungslösungen
Im Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit der Industrie steht eindeutig der Renovierungs-, Modernisierungs- und Sanierungsbereich. Hier erwartet die Branche in Zukunft offenbar die größten Wachstumschancen. Bei der Bauchemie dominierten unter den vorgestellten Neuprodukten dementsprechend Schnell- und Leichtbauprodukte - bei den Werkzeug- und Maschinenherstellern Lösungen für die Aufarbeitung kritischer Altuntergründe. Selbst im Industriebodenbau, der auf der EFM traditionell sehr stark vertreten ist, rücken Sanierungslösungen zunehmend in den Mittelpunkt.
Darüber hinaus wurden ganz neue und "wiedererweckte" Lösungen gezeigt, mit denen sich interessante Nischenmärkte erschließen lassen: Estriche als Nutzböden - eingefärbt, nach Terrazzo-Art geschliffen und poliert oder effektvoll beschichtet - waren in Feuchtwangen unter anderem ein Thema. Hinzu kamen Anregungen für sinnvolle Erweiterungen des angestammten Leistungsangebotes - zum Beispiel die Bautrocknung, Trockenbaulösungen oder der Systembodenbau.
Bauzeitverkürzung ohne Qualitätseinbußen
Außerdem spielt das Stichwort "Effektivität" im Fußbodenbau eine immer größere Rolle: Estriche können dank Neuentwicklungen in der Material- und Maschinentechnik in immer kürzerer Zeit mit immer weniger Personal auf immer größeren Flächen verlegt werden; selbst Spachtelmassen müssen heute maschinell verarbeitbar und möglichst selbstverlaufend sein; die Wartezeit bis zur Belegreife des Bodens wird immer kürzer angesetzt. Gleichzeitig soll sich die Verarbeitungssicherheit erhöhen und das Gewährleistungsrisiko minimieren. Glaubt man der Industrie, bedeutet dies heute keinen Widerspruch mehr. Damit kann auch der Estrichleger der Bauherrenforderung nach einer stetigen Bauzeitverkürzung entgegen kommen.
Die große Resonanz auf das umfangreiche Vortragsprogramm am Rande der EFM zeigte einen weiteren akuten Bedarf im Fußbodenbau auf - den nach permanenter Weiterbildung. Viele der neuen Materialien und Verfahren erfordern eine entsprechende Zusatzqualifikation ebenso wie die Leistungsausweitung auf lukrative Nischen- und Randmärkte. Die Fachverbände des Estrich- und Belaggewerbes haben bereits reagiert - insbesondere BEB und Bundesfachschule bieten regelmäßig Seminare zu aktuellen Themen und Problemfeldern an. Auch die Hersteller haben vielfach ihr Schulungsangebot ausgebaut.
Industrie und Handwerk suchen neue Formen der Zusammenarbeit
Hier deutet sich ebenfalls ein Trend an: Das Bedürfnis nach einer engen Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handwerk wächst auf beiden Seiten. Neue Materialien und Verfahren lassen sich nur erfolgreich vermarkten, wenn sie vom Verarbeiter auch angenommen werden - der verlangt jedoch als Gewährleistungsträger eine intensive anwendungstechnische Betreuung und kulante Hilfe bei Problemen. Die Industrie erwartet im Gegenzug die Bereitschaft zur Fortbildung und eine entsprechende Lieferantentreue. So entstehen neue Formen der Zusammenarbeit, die teilweise Franchise-Konzepten nahe kommen - jedoch ohne entsprechende Vertragsbindung.
Die Geschäftspraktik der Chemotechnik Abstatt, die ihre Kunden traditionell genau auswählt, bildet nur ein Beispiel. Knauf will sein neues Hohlraumbodensystem nur an zertifizierte Betriebe weitergeben, die zuvor eine entsprechende Schulung besucht haben. Sie erhalten im Gegenzug eine Art Exklusivvertretungsstellung. Bei Trotec schließt das neue Bautrocknungs-Vermarktungskonzept "KAR" sogar vielfältige direkte Unterstützungsmaßnahmen des Herstellers bei der Marktbearbeitung ein. Auch hier wurden in Feuchtwangen zahlreiche neue Konzepte vorgestellt.
Vor diesem Hintergrund präsentierte sich die 6. Estrich-Fachmesse als eine Neuheitenschau, die diesen Namen verdient hat. Nun bleibt abzuwarten, ob sich die positive Stimmung der EFM nachhaltig auf die Branche übertragen lässt. Das hängt davon ab, die vorgestellten Anregungen für ein wirtschaftliches, nachfrageorientiertes Leistungsangebot vom auch Handwerk angenommen werden. Das Interesse an neuen, zukunftsfähigen Lösungen müsste angesichts der dramatischen Marktsituation im klassischen Estrichgeschäft eigentlich sehr groß sein.
FussbodenTechnik stellt die wichtigsten Neuerungen bei Produkten und Service in einem ausführlichen Messebericht vor.
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FussbodenTechnik 04/02
(Wirtschaft)