Interview mit Digrhan Kiskan zum 50jährigen Bestehen von Kiskan Process

Mit Kiskan kam der Orientteppich nach Hamburg


Der Orient-Teppich: Wie kamen Sie darauf, ihre Firma 1952 gerade in Hamburg zu gründen?

Kiskan: Der Hintergrund war, dass einige iranische Trockenfrucht-Importeure damals beabsichtigten, neben ihren Früchten auch iranische, afghanische und andere handgeknüpfte Teppiche über den Hamburger Freihafen zu vermarkten. Zu jenem Zeitpunkt war Rotterdam der führende Teppichumschlagplatz Europas. Die Vorgabe für den Standort Hamburg, war, dass eine international angesehene Orientteppich-Wäscherei in diese Stadt geholt werden könnte. Die Wahl fiel auf die Firma meines Vaters. Er ist Urheber und Gründer der international anerkannten "Wiener Wäsche".

Der Orient-Teppich: Sie haben also eine Art Hamburger Dependance der "Wiener Wäsche" eröffnet.

Kiskan: Meinem 1964 leider viel zu früh verstorbenen Vater ist es zu verdanken, dass ich die Einladung nach Hamburg angenommen habe. Er war auf dem Gebiet der Teppichveredelung mit Abstand der größte Fachmann seiner Zeit und hat es vortrefflich verstanden, mich früh mit allen Schritten dieses Verfahrens vertraut zu machen. Neben der schulischen Ausbildung habe ich mein Fachwissen im Laufe der Jahre durch Praktika und Seminare vervollkommnen können.

Zum ersten Gespräch über die Firmengründung erwarteten mich im Hamburger Hotel "Reichshof" die Herren Touba, Milantchi, Boudaghian, Hassan Vladi und Kosrovshahi. Nach einer sehr interessanten Aussprache habe ich etwa zwei Monate reiflich überlegt und mich dann bereit erklärt, in Hamburg eine Teppichveredelung zu gründen.

Der Orient-Teppich: Sie mussten dazu Wien verlassen.

Kiskan: Ich hatte einige Bedenken, meine Heimat zu verlassen, weil ich in Wien zusammen mit meiner Familien ein sehr schönes Leben führte.

Rückblickend muss ich jedoch sagen, dass mir der Abschied dann doch nicht schwer gefallen ist. Hamburg und seine Menschen haben mir auf Anhieb sehr gefallen.

Der Orient-Teppich: Wie fanden sie einen geeigneten Standort?

Kiskan: 1951 wurde mir vom damaligen amtierenden Senat im Zuge der Industrieansiedlung ein passendes Objekt angeboten. Und zwar in dem ehemaligen Bahrenfelder Gaswerk. Natürlich waren bauliche Veränderungen und neue Einrichtungen nötig. Es war eine große Baustelle. Ich begann, die nötigen Maschinen und Geräte zu bestellen. Größtenteils habe ich sie selber konstruiert und bei verschiedenen Maschinenfabriken bauen lassen. Im März 1952 konnten wir dann in begrenztem Rahmen mit den ersten Veredelungen beginnen.

Der Orient-Teppich: Wie sind die ersten Waschergebnisse ausgefallen?

Kiskan: Es klappte auf Anhieb. Ich kann mich erinnern, dass mein erster Auftrag von der Firma Hrand Boudaghian kam. Es handelte sich um gute Ware aus Täbriz, Heriz, Isfahan und anderen Provenienzen. Jedoch waren bei allen die Farben total verlaufen. Ich dachte: "Na, das fängt ja gut an!", ging aber forsch ans Werk. Zu meiner und des Kunden Freude konnten die Stücke zu 70 % tadellos in Ordnung gebracht werden.

Mein Kunde war so begeistert, dass er mich an einem Freitag nach Travemünde einlud, wo er seine Wochenenden zu verbringen pflegte. Nach eine Kasino- und Barbesuch kam ich wieder zurück nach Hamburg - einigermaßen "beschädigt" von der Siegesfeier. Ja, damals verstand man es trefflich, seiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen.

Der Orient-Teppich: Wie haben Sie denn die Probleme mit dem Zoll gelöst? Sie waren ja nicht im Freihafen ansässig.

Kiskan: Da gab es eine ganze Reihe von Hürden. Zunächst habe ich die Devisen-Inländer-Eigenschaft erlangt. Trotzdem waren die zolltechnischen Vorgaben immer noch kompliziert. Für jeden Teppich sollte Zoll hinterlegt werden. Das konnte aber mittels einer Bankbürgschaft erledigt werden.

Ich erhielt dann die absolute Ausnahmegenehmigung, Teppiche aus dem Zoll ohne Kaution zu übernehmen und nach der Veredelung wieder zurück zu führen. Für die Bewilligung musste mein damaliger Rechtsanwalt mit dem Wirtschaftsministerium in Bonn verhandeln. Nach langem Hin und Her wurde für mich eine "Lex Kiskan" geschaffen. Jedes Stück wurde nun durch Zollbeamte in meinem Betrieb mit einer Zollplombe versehen.

Der Orient-Teppich: War das nicht sehr zeitaufwändig?

Kiskan: Nicht nur das, es war auch problematisch. Denn wenn diese Plomben sich nicht am untersten Rand der Ecke befanden, wurden sie manchmal beim Durchlauf in den Maschinen abgerissen. Das kam einer mittleren Katastrophe gleich. Wir mussten die Plomben kunstgerecht wieder am Teppich anbringen.

Nach einigen Jahren konnten wir dieses Problem jedoch lösen. Der Zoll fasste Vertrauen in meine Firma und wir mussten keine Plomben mehr verwenden. Ich wurde in die Liste der "sicheren Zollbegleitscheinnehmer" aufgenommen.

Der Orient-Teppich: Sie haben sich einen internationalen Ruf erworben. Verraten Sie uns das Geheimnis Ihres Erfolges?

Kiskan: Ich habe mich nicht nur für die Kunst des Veredelns eingesetzt, sondern auch für die technische und mechanische Ausrüstung. Zum Beispiel auf dem wichtigen Gebiet der Entstaubung. Hier wurden die herkömmlichen Schläger und Klopfmaschinen durch große Entstaubungstrommeln ersetzt. Die verrichten ihre Arbeit wesentlich schonender.

Außerdem habe ich das Vacuum-Vibrationspult erfunden, mit dem auch das letzte Staubkorn heraus geholt wird. Des weiteren wird in meinem Betrieb, als einzigem in der Branche, eine Dampfstrahl Florgeradericht- und Entwirrmaschine verwendet. Die ist ebenfalls eine eigene Neukonstruktion. Nicht zuletzt sei meine Rofix-Veredelung erwähnt. Sie ist europaweit patentiert und trägt das Prädikat "schadstoff- und abwasserbelastungsfrei".

Der Orient-Teppich: Wie ist Ihre Auftragslage in der gegenwärtig schwachen Wirtschaftssituation?

Kiskan: Mit Genugtuung stelle ich fest, dass sogar in konjunkturell schlechten Zeiten wie jetzt mein Betrieb mehr als ausreichend beschäftigt ist. Mein Personal war nie in Gefahr, die Arbeit zu verlieren. All die genanten Verfahren und die immense Erfahrung aus 50 Jahren Hamburg, dazu das große Wissen aus meiner Wiener Zeit, haben mich in die Lage versetzt, meine international anerkannte Position zu behaupten.

Einer der Gründe für die Auslastung meines Betriebes ist, dass meine Stammkunden wissen, was ich mit meinen verschiedenen Wascharten erreichen kann. So wurde manch eine Partie Teppiche, die ein unverkäufliches Dasein fristete, durch eine passende Antik-, Tönungs- oder Umfärbewäsche verkaufsfähig gemacht.

Der Orient-Teppich: Wie betrachten Sie Ihren Beruf heute nach 50 Jahren?

Kiskan: Dieser schöne Beruf hat mir stets sehr viel Freude bereitet. Wenn ich sehe, was aus den Teppichen wird, die aus dem Iran oder aus anderen Ländern in meinen Betrieb gesandt werden, dann ist das schon sehr befriedigend. Nach der Behandlung durch meine Veredelung erfahren sie eine Verwandlung in Bezug auf Glanz, Farbe und im Hinblick auf die seidig-samtartige Florfläche. Das gibt mir die Gewissheit, den richtigen Beruf auszuüben. Denn nur, wer seinen Beruf liebt, kann Höchstleistungen vollbringen.
aus Heimtex Orient 04/02 (Wirtschaft)