Handgearbeitete Teppiche auf der Domotex 2002
Klassisches bleibt, moderne Teppiche immer individueller
Nach einem schwachen Start ins Jahr 2002, der der gesamten Einrichtungsbranche deutliche Minuszahlen gebracht hat, sehen wir noch einmal auf die
Domotex zurück. Unser Fazit - weniger Besucher, aber keine schlechteren Geschäfte - die Domotex hat auch im Januar 2002 ihre Position als Leitmesse für Orientteppiche behauptet. Trotzdem oder deswegen - wir wünschen uns von der Messegesellschaft Aktivitäten, die über die reine Vermietung der Ausstellungsfläche hinausgehen und unserer Branche Impulse geben. Die Carpet Performance war gut gedacht, aber schlecht gemacht. Wir fordern die Umsetzung des Konzeptes ein.
ie Schlussbilanz der Messegesellschaft bestätigt, was der Teppichhandel während der Messetage bereits diagnostizierte: Weniger Fachbesucher als in den Jahren zuvor hatten den Weg nach Hannover gefunden.
Waren es 2001 noch 45.558 Fachleute, die sich über Trends informierten und ihre Lager mit Klassischem und Modernem bestücken wollten, so waren es in diesem Jahr nur noch 43.000. Erfreulich in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Zahl ausländischer Besucher zugenommen hat. Sie stieg von 49,4 % auf 52,5 %. Vermisst wurden amerikanische Kunden, was darauf zurückgeführt wurde, das die Teppichmesse in Atlanta unmittelbar im Abschluss an die Domotex stattfand.
Die Zahlen geben nur einen Trend an, denn es ist uns unbekannt, wie viele Fachbesucher sich den Teppichhallen zuwenden. Die Domotex ist schließlich eine Mehrbranchenmesse, die den Ausstellerschwerpunkt von Jahr zu Jahr weiter in Richtung Parkett und Laminat verschiebt.
Aber die "gefühlten Werte" der Teppichaussteller bestätigen die Zahlen: die Gänge in den Hallen sind leerer, was für die Stimmung auf der Messe immer abträglich ist, aber alle wichtigen Einkäufer waren da und haben geordert.
Vermisst wird zunehmend der deutsche Einzelhandel; kein Wunder, es gibt von Jahr zu Jahr weniger Geschäfte. Was dabei besonders frustrierend ist - es sind oft die Guten, die ihre klassischen, gepflegten Einzelhandelsgeschäfte aufgeben, meist aus Altersgründen.
Das Teppichgeschäft verlagert sich deutlich zu großen Ketten und Möbelgiganten, die mit großflächigen Orientabteilungen durchaus gutes Geld verdienen.
Dazwischen gibt es nach wie vor zahlreiche Bodenbelags- und Heimtextilien-Fachgeschäfte, die in der Regel moderne Teppiche - Nepalteppiche und Handtufts - im Sortiment führen. Diese Geschäfte gilt es zu pflegen und an den klassischen Orientteppich heranzuführen.
Der erste Schritt wurde in den letzten Jahren mit Gabbeh-Teppichen gemacht. Die rustikalen Nomadenteppiche haben die moderne Einrichtung erobert. Fortsetzung dieser Entwicklung sind feinere Nomaden, Loribaff genannt, die vor einem Jahr auf der Domotex den Gabbeh-Trend fortsetzten.
Trendsetter war das Schweizer Importhaus Zollanvari, das für iranische Nomadenware weltweit den besten Ruf geniesst. Wer den aktuellen Trend wissen will, geht zu den Schweizern. In diesem Jahr hatten sie auf ihrem hermetisch verschlossenen Messestand Nimbaffs ins Angebot genommen, natürlich Nomadenware, halb geknüpft, halb gewebt. Der Name drückt es aus - Nim (persisch) heisst halb, Baff ist der Knoten oder heisst geknüpft. Die Teppiche haben eine überaus reizvolle Optik und werden ihre Liebhaber finden.Wir sind bei Trends, und die sind im klassischen Orientteppich-Bereich immer schwer auszumachen. Die klassischen "Perser" laufen praktisch immer. Auf der Messe wurde vor allem hochwertige Ware gezeigt, feine Knüpfungen, oft mit Seidenanteil.
Einen Trend gab es im klassischen Bereich aber doch - Tschubis, das sind Teppiche mit den beliebten Ziegler-Motiven. Sie haben eine ähnlich flächige Dessinanmutung wie Azeris, blasse Farben, die in gehobene Einrichtungstile passen, wie sie etwa in hochwertigen Einrichtungshäusern wie Bornholdt in Hamburg gepflegt werden.
Tschubis werden überwiegend in der pakistanisch-afghanischen Grenzstadt Peschawar hergestellt, in der sich Tausende afghanischer Flüchtlinge mit Knüpfen über Wasser halten. Erstaunlich ist das "Marketing" dieser Knüpfregion, denn von hier kommen schon die erfolgreichen kaukasich inspirierten Tschitschins. Mit den Tschubis scheinen die Händler in Peschawar wieder die richtige Nase zu haben. Warten wir allerdings ab, was aus dieser Grenzstadt wird, wenn die afghanischen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren.
Nepal-Teppiche schlagen die Brücke zum modernen Teppich. Hier haben wir es in der Regel mit Kollektionsware zu tun, deren Designs oft in europäischen Ateliers entstanden sind. Die Teppiche folgen aktuellen Modeströmungen und sind den Zielgruppen angepasst. Verkäuflichkeit zählt, und Logistik. Davon später mehr.
Auffallend sind im Nepal-Bereich viele Importeure, die Wunschteppiche anbieten. Der Kunde kann sich in Mappen oder am Computer seinen individuellen Teppich zusammenstellen. Der Wunsch der Verbraucher nach Individualität scheint groß zu sein, es wird auf Nachfrage aber auch gerne bestätigt, dass die Ergebnisse zumindest gewöhnungsbedürftig sind. Nicht jeder Verbraucher ist eben ein Designer. Aber was der Kunde will, soll uns recht sein.
Trends entstehen auch im Nepalbereich in den gehobenen Kollektionen und hier wiederum meist bei den besseren Qualitäten, bei 80er bis über 100 Knots-Ware. Ganzert, immer vorn dabei, stellte erstmals Afrika-inspirierte Farben vor, Teppiche in Colorits von warmem Gelb über ein rotes Braun bis in den Orangebereich hinein.
Trend im modernen Bereich sind auf jeden Fall Langflorteppiche bis hin zum Hirtenteppich in jeder Konstruktion. Kaum ein Modejournal, keine Wohnzeitschrift, in der diese Teppiche nicht dekoriert sind.
In diesem Umfeld schwimmen auch die europäisierten Berber wieder mit, die stets ein gutes Preis-/Leistungs-Verhältnis haben. Diese beigefarbenen Berber mit ihrer reduzierten Zeichnung haben nichts gemeinsam mit den echten Berbern aus dem Hohen Atlas. Mit ihrer durchaus zeitgemäßen groben Knüpfung, warmen Orangetönen und rustikaler Zeichnung wünschen wir diesen ursprünglichen Berbern den Durchbruch; sie bleiben aber wohl noch lange Zeit Liebhaberstücke.
Wer mit Verbänden und Konzernen arbeiten will, muss auch im Teppichbereich in die Logistik investieren. Das heisst im Klartext, großes Lager, sofortige Lieferbereitschaft, Computerverbund mit den Konzernen. Die haben in jedem Haus von jedem gelisteten Teppich ein Musterstück in den verkäuflichen Grössen. Geht dieser Teppich über die Scannerkasse, muss sofort nachgeliefert werden. Das schaffen nur die großen wie Wissenbach, Keller und Petersen, um die "Big Three" im Nepal- und Handtuftgeschäft zu nennen.
Wir haben bereits gesagt, dass die Zahl der Orientteppich-Geschäfte deutlich abnimmt. Um so wichtiger ist es, Bodenbelags- und Heimtextilgeschäften zu zeigen, wie man mit Teppichen Geld verdienen kann. Wie Sortimente zusammengestellt werden sollten, wie eine Präsentation im Geschäft aufgebaut werden muss. Denn an dieser Verkaufsfront muss der Käufer gewonnen werden. Die Veranstalter der Domotex hatten die gute Absicht, mit einer Sonderschau Verkaufshilfe zu leisten. Dafür hat man die stimmungsvolle und beliebte Orientteppich-Performance geopfert und dafür die Carpet-Performance aus der Taufe gehoben.
Die Idee - dem Handel zu zeigen, wie Teppiche im Geschäft repräsentiert werden sollen, war zweifellos richtig, das Ergebnis nicht der Rede wert. Aber ein Ärgernis, wenn man bedenkt, dass für diese Nonsens-Schau nach unserer Schätzung 150.000 DM (nicht Euro) vergeudet wurden. Chance vertan. Dabei hat es unsere Branche so nötig.
Ansonsten das immer gleiche Bild in den Orienthallen: Mit Teppichen vollgestopfte Gänge, was keinen stört, auch den Besucher nicht; es gehört zur Atmosphäre. Kritisieren wollen wir aber wieder den frühen Standabbau am letzten Messetag. Viele Aussteller beginnen schon vormittags, ihre Ware einzupacken, was die Messegesellschaft unterbinden sollte.
Peinlich finden wir Polizeirazzien nach Schwarzarbeitern unter den Stapelkräften. Natürlich ist auch eine Messe kein rechtsfreier Raum - aber müssen in den Messehallen regelrechte Menschenjagden veranstaltet werden? Gejagt werden wie immer die Ärmsten der Armen. Kein schönes Bild von Deutschland, was den internationalen Ausstellern und Besuchern da geboten wurde.
aus
Heimtex Orient 01/02
(Wirtschaft)