Klassische handgearbeitete Teppiche auf der Domotex 2006
"Der Preis ist nicht mehr ausschlaggebend"
Der Markt für Orientteppiche hat in den vergangenen Jahren eine Phase der Konzentration und Bereinigung durchgemacht, deren Ende sich jetzt endlich andeutet: Klassisch gemusterte, handgearbeitete Teppiche wurden auf der diesjährigen Domotex gut verkauft. Allerdings wurde auch deutlich, dass mehr denn je Kompetenz, eine hohe Leistungsfähigkeit und gute Konzepte wichtige Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg sind.
Zwei Gesichter zeigte die Domotex in diesem Jahr im Bereich der klassischen Orientteppiche: Von "beste Domotex aller Zeiten" bis "noch nie so schlechte Ergebnisse gehabt" reichten die Bewertungen der Aussteller. Ein Anbieter berichtete glaubhaft, er habe dreimal so viel verkauft wie im Vorjahr, ein anderer 40 Prozent mehr, ein Dritter sagte, 70 Prozent seiner mitgebrachten Ware hätte er bereits bis zum Sonntag abgesetzt, und ein Vierter lies sich dreimal Nachschub liefern. Und tatsächlich sahen einige Stände bis zum Dienstag sehr gut absortiert aus, nur Restmengen waren liegen geblieben.
Doch es gab auch etliche Anbieter mit weniger fröhlichen Gesichtern. Wer ein schlechtes Messeergebnis erzielt hatte, schimpfte häufiger über die Besucherzahlen. Insgesamt schien die Frequenz auf Vorjahrsniveau zu stagnieren, vielleicht mit leicht fallender Tendenz. Das muss sich jedoch nicht negativ auswirken. "Ich habe den Eindruck, dass ich in diesem Jahr mehr Umsatz mit weniger Kunden gemacht habe. Das Einkaufspotential war deutlich höher, vielleicht weil die Kunden im letzten Jahr weniger eingekauft haben", bilanzierte ein Aussteller.
Da verwundert es, dass Domotex-Veranstalter Deutsche Messe einen neuen Besucherrekord ausweist - die gemeldete Zunahme an Besuchern von 10,6% war in den Hallen 14 bis 17 keinesfalls zu spüren. Sie müssen sich für andere Bodenbeläge in den Hallen 2 bis 9 interessiert haben.
Positive Neuerungen
Ein dickes Lob erhielt der Veranstalter für die neuen Parkflächen in den Hallen 11 und 12 im Süden des Messegeländes, die einen schnellen Zugang zu den Hallen für klassisch gemusterte, handgearbeitete Teppiche ermöglichten. Allerdings sollte noch einmal die Aufstellung der Absperrzäune und die Öffnung von Parkhaustüren übergedacht werden. Zumindest aber wäre eine klare Besucherführung per Hinweisschilder hilfreich, um doch wieder weite Wege zu vermeiden. Auf positive Resonanz stieß ebenfalls der Weg durch die Verbindungshalle 18, aber: er ist auf Dauer sicherlich keine optimale Lösung. Besuchern wie Ausstellern fiel der strukturierte Aufbau der Messe auf - auch dafür gab es Lob.
Bemerkenswert, wie unterschiedlich die einzelnen Messetage ausfielen, wobei für einige Aussteller der Abverkauf schon am Dienstag begann, dem Dienstag vor Messeöffnung wohlgemerkt, als sie gerade damit gestartet waren, ihre Ware auszupacken. Mittwoch und besonders Freitag brachten für einige Anbieter so gute Geschäfte, dass sie bereits vor dem offiziellen Messestart über dem Ergebnis des Vorjahres lagen. "Einen Messetag wie am Freitag habe ich noch nie erlebt. Ich mussten den Kunden Stapel zuweisen, so hoch war der Andrang", freute sich ein Anbieter. Bedenklich ist die Situation für die Zeit von Samstag bis Dienstag, der offiziellen Messe: "Nichts mehr los am ersten Messetag", übertrieb ein Anbieter.
Positivere Stimmung im deutschen Einzelhandel
Den Orienthallen fehlt nach wie vor der deutsche Einzelhandel, nur gelegentlich war von "vielen deutschen Kunden, besonders aus Süddeutschland" zu hören. Allerdings seien hierzulande in den Monaten November und Dezember gute Ergebnisse erzielt worden - das lässt hoffen. Ebenso die Aussage von Amir Tahbaz von der Firma Bahram Tahbaz, die hauptsächlich auf dem deutschen Markt agiert: "Die Stimmung im Einzelhandel ist besser als in den Jahren zuvor. Alle hoffen auf positive Auswirkungen durch die Fußball-Weltmeisterschaft und die Erhöhung der Mehrwertsteuer im nächsten Jahr."
Durch die Bank gelobt wurde das Einkaufsverhalten der ausländischen Messebesucher. Stark vertreten waren in diesem Jahr wieder die Länder Italien und Griechenland, ebenso Osteuropa und Russland, teilweise auch Skandinavien und Übersee.
Tendenz zu höherwertigerer Ware
Insgesamt ließ sich eine Tendenz zu höherwertigerer Ware ausmachen. "Keiner interessiert sich für Aktionsware, nur saubere, hochwertige Ware geht", stellte ein Anbieter fest. "Das Hochpreisige ist gut gelaufen", hieß es oft. So hatten viele der weniger zufriedenen Aussteller große Mengen an Kommerzware mitgebracht, die auf der Messe aber nur sehr schwer verkäuflich war. Die Besucher scheinen auch im Bereich der klassischen Teppiche die Messe mehr und mehr als Informationsmesse zu nutzen. Besondere Stücke werden auch gern noch mitgenommen. Es wollen aber viele nicht mehr knappe Messezeit opfern um sich durch tausende von Quadratmetern Ware zu arbeiten.
Gefragt waren also vornehmlich feine persische Klassiker, insbesondere feine Bidjar und Mahi-Täbriz. Wichtig sind Seidenanteile, besonders beim Bidjar. Beim Mahi-Täbriz sind beige oder olivfarbene Bordüren angesagt. Entsprechend den allgemeinen Farbtrends, sind auch beim persischen Teppich Rot und Beige die beliebtesten Kolorits. Auch wichtig sind die richtigen Größen.
Stark zurück gegangen ist die Nachfrage nach den "normalen" persichen Gabbeh. Er steht unter starkem Wettbewerbsdruck seitens der immer besseren Kopien aus Indien. Fein geknüpfte, modern dessinierte Gabbeh dagegen laufen weiterhin gut.
"Die Kunden suchen etwas Besonderes, Hauptsache neu muss es sein", hieß auf vielen Ständen. Der Preis sei nicht mehr so wichtig, vielmehr die Schönheit eines Teppichs. Und: "Die Kunden wissen genau, was sie wollen. Die Stücke, die in der Abteilung länger liegen bleiben könnten, sind kaum noch verkäuflich."
Teilweise drastisch angestiegene Preise
Die teilweise drastisch angestiegenen Preise, besonders für persische Ware, wurden vom Handel auf der Messe akzeptiert. Sie beruhen auf erhöhten Rohstoffpreisen im Weltmarkt, einem gegenüber dem Euro stärker gewordenen US-Dollar sowie Preissteigerungen in den Ursprungsländern, vielfach resultierend aus einer Verknappung der Ware.
Unter Preisdruck stand dafür der Zieglerteppich. Die nach wie vor anhaltende starke Nachfrage nach dieser Warengruppe hat dazu geführt, dass fast jeder Importeur mit einer gewissen Menge nach Hannover gekommen ist. So kam es dazu, dass eine starke Nachfrage einem noch größerem Angebot gegenüber stand. Der Preisverfall war vorprogrammiert. Für weiter sinkende Preise sorgten einige Anbieter, die Ziegler unter Einkaufspreis auf den Markt warfen.
Es geht aber auch anders: Einige Anbieter hatten das Jahr über sehr intensiv an Ihren Ziegler-Kollektionen gearbeitet. Das Ergebnis waren hochwertige Stücke in besonders harmonischer Dessinierung. Diese Ware hatte bis auf den Namen recht wenig mit den billigen Zieglerangeboten zu tun. Die Preise hier waren stabil und die Verkäufe sehr gut. Der bei der persischen Ware beobachtete Trend setzt sich also auch hier fort.
Nach wie vor gut laufen Kaschmir-Seidenteppiche. Diese Gruppe trifft mit den harmonischen pastelligen Farben und dem guten Preisleistungsverhältnis weiter den Nerv der Endkunden: Es ist die günstigste Möglichkeit einen echten Seidenteppich mit einem - zumindest bei den gehobenen Qualitäten - ordentlichen Gebrauchswert zu kaufen.
Fazit: Es deutet sich eine Rückkehr des hochwertigen Klassikers an. Grundlage dafür scheinen bessere Konjunkturdaten der deutschen Wirtschaft zu sein, auch hier zeichnet sich ein Aufschwung ab. "In dem Moment, wo der Endverbraucher bereit ist, mehr Geld auszugeben, kommt er zum hochwertigen, klassischen Teppich", ist Ali Ipektchi von Ipek überzeugt.
Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg sind heute Kompetenz, die sich in einem aktuellen, marktgerechten Sortiment manifestiert, Leistungsfähigkeit in Bezug auf Lagerhaltung und Lieferfähigkeit sowie ein gutes Konzept, um sich von Mitbewerbern abzuheben. Das hat die Domotex mit ihren zwei Gesichtern im Bereich Orientteppiche ganz deutlich gezeigt.
Ein Branchenkenner drückte es so aus: "Diejenigen, die Spezialisten sind, sind zufrieden, diejenigen, die mal dies, mal das machen, sind unzufrieden." Oder wie es ein Anderer formulierte: "Wer mit Herz, Freude und Verstand arbeitet, macht ein besseres Geschäft.
aus
Heimtex Orient 01/06
(Wirtschaft)