Ein kritischer Vergleich von Domotex und Heimtextil

Oh! What a mess!*

Ein durchaus kritischer, fast böser Kommentar von Dieter Kroh, mit dem unsere Redaktion nicht in jeder Aussage übereinstimmt, der den Finger aber an vielen Stellen in die Wunde legt und viele Diskussion wert ist.

Stellen Sie sich bitte einmal vor, BMW oder Porsche hätten Messestände sowohl auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt als auch auf einer fast zeitgleich stattfindenden Transportmittelmesse in Hannover. Da würde doch jeder potentielle Kunde vermuten, dass diese Firmen entweder zu viel Geld verdienten oder aus irgendwelchen taktischen Gründen ihre Kunden verwirren wollten. So gesehen erscheint es ziemlich unverständlich, dass sich führende deutsche Teppichbodenhersteller den Luxus gönnen, Stände sowohl auf der Heimtextil in Frankfurt als auch auf der Domotex in Hannover zu unterhalten.

Und was sagt der geneigte Kunde zu solchem Tun? Geht er etwa zu den selben Firmen in Frankfurt und in Hannover? Und lässt sich die selben Teppichboden-Kollektionen von den selben Verkäufern gleich zwei Mal vorstellen?

Wohl kaum!

Welch triftigen Grund kann es also für ein derart gespaltenes Bild geben? Möglicherweise - wenn auch unbestätigt - um beide Messen zu testen und dann die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Unter dieser Prämisse soll hier versucht werden, beide Messen - Heimtextil und Domotex - zu vergleichen. Da hier versucht wird, dieses Verhalten mit den Augen eines Kunden zu sehen, kann es zumindest teilweise durchaus zur subjektiven Beurteilung der Lage kommen. Kunden dürfen so etwas schließlich.

Heimtextil

Frankfurt hat zweifelsohne die größte Messetradition aller westdeutschen Städte und die Heimtextil gibt es seit mindestens 40 Jahren - 25 davon mit Teppichbodenbeteiligung. Die Teppichbodenindustrie wanderte 1989 nach Hannover ab, zu einer Zeit als ihre Produkte noch fast magnetische Anziehungskraft besaßen und man sich aussuchen konnte, welcher Branche die Ehre zuteil wurde, neben der eigenen ausstellen zu dürfen.

Aus durchaus egoistischen Gründen versäumte die deutsche Tufting-Industrie damals, die führenden Heimtextilienhersteller mit in das Boot zu bekommen und gemeinsam nach Hannover zu gehen (oder halt gemeinsam in Frankfurt zu bleiben). So blieben dann die modisch stärker geforderten und ausgerichteten Stoff-Unternehmen in Frankfurt und die Bodenbelags-Branche zog zur eher technisch orientierten Domotex.

Damit waren beide Messen nicht voll ausgelastet und jede der Messegesellschaften suchte sich branchenfremde Hallen- und Raumfüller. In Hannover waren dies vor allem die schärfsten Wettbewerber um die Kundengunst für den Primär-Bodenbelag: die Anbieter nicht textiler elastischer oder Hartbeläge einschließlich Holz.

Die Trennung funktionierte zunächst recht gut, da alle Produkte beim Verbraucher hoch im Ansehen standen und - noch - ein schönes Wachstum zu verzeichnen hatten.

Als der Markt enger wurde und die Konkurrenz schärfer, waren es die Teppichweber, die als erste Hannover den Rücken kehrten und zur Heimtextil zurückgingen. Als erster Tufter folgte dann Vorwerk.

Die Domotex selbst entwickelte sich in dieser Zeit mehr und mehr zur Bodenbelags-Messe mit Orientteppich-Abteilung. In der Folge glänzte dann auch nahezu jeder deutsche Tuftingteppich-Hersteller mindestens einmal mit Abwesenheit. Bedauerlicherweise war in der Abstinenz einzelner Firmen meist keine Strategie erkennbar.

Erschwerend kam hinzu, dass vor allem belgische und holländische Hersteller ihre Chancen nutzten, um den zentraleuropäischen Markt besser zu bedienen. Sie waren es auch, die oft als einzige bedeutende Messeumsätze tätigten - obgleich bisweilen mit Kampfpreisen. So konnten sie ihre relative Bedeutung für sich insgesamt - und auf der Domotex im besonderen - , steigern.

Im gleichen Maße, in dem Teppichboden an Bedeutung auf der Domotex und im Markt verlor, legten vor allem die Hersteller von Parkett- und anderen Hartbelägen zu. Der vorwiegend technische Charakter der Domotex wurde unübersehbar.

Die Frankfurter Messe baute inzwischen ihr modisch-aktuelles Image weiter aus, weitere Teppichbodenhersteller wagten den Spagat und besuchten beide Messen. Es war halt schon immer ein Problem in der Teppichfamilie, auch einmal "Nein" sagen zu können.

Zwei Messen für weniger als einen Erfolg?

Wir versuchen zu ermitteln, was die beiden Messen heute dem Fachbesucher aus dem Handel bieten bzw. nicht bieten können.

Die Heimtextil erwarb vor allem durch moderne Heim- und Haustextilien ein modisches Flair und schuf sich ein freundlich-leichtes, trendiges und auch sehr internationales Image. Damit zieht sie in erheblichem Maße junges, kaufbereites und kaufstarkes (Fach-) Publikum an, dem sie positive und trendgerechte Gestaltungsvielfalt bietet. Diesem Ziel dient auch die alljährliche Trend-Sonderausstellung. Diese (Alibi)-Schau war dieses Jahr teilweise recht nett mit fantasievollen Exponaten gestaltet. Außerdem wurden die Trendfarben des Deutschen Modeinstitutes gezeigt - allerdings ohne Farbkarten zum Mitnehmen. Der Slogan dieser Schau: "There is no way to individuality. Individuality is the way" ist durchaus ins Deutsche übersetzbar und unterstrich den häufigen Hang moderner Texter zu Anglizismen. Also, immer schön autistisch, damit's nur nicht gleich jeder versteht!

Sprachlich noch schlimmer kam es mit dem offiziellen Gesamt-Programm zur Heimtextil. Das reichte von "Wonderland - Deco & Style" über "Sit & Feel" zu "Floor & More" und schließlich sogar zu einer "Sleep & Dream Academy". Dabei wäre für die Macher dieser Texte eine Akademie "Deutsch für Messemacher" sicherlich viel sinnvoller.

Bedauerlich ist, dass die meisten Teppichboden-Hersteller auf ihren Ständen die Decken- und Wanddekoration sträflich vernachlässigten. Dafür rächten sich dann die Gardinen- und Tapetenhersteller, indem sie die textile Bodengestaltung meist schlichtweg ignorierten. Diese Kurzsichtigkeit setzte sich bis in die Stände des Deco Teams fort, das ja einst antrat, gesamtheitliche Darstellung zu propagieren. Überhaupt das Deco Team: einst als Elitegruppe hochmodischer Wohntextilien gegründet und mit Moderatoren wie Sabine Christiansen gestartet, ist es heute nur noch eine Gruppe individueller, nicht besonders gut aufeinander abgestimmter Firmenstände. Frischer Wind tut hier zwingend Not!

Richtig schöne und interessante Anregungen konnte man auf dem Stand von Jab Anstoetz erhalten. Hier schwelgte man in Material- und Gestaltungsvielfalt. In abgepassten Exklusiv-Teppichen mixt man Nadelfilz mit Saxony, Wolle mit Leder- und Metall-Akzenten und demonstrierte zusammen mit neuen Dekos und Gardinen richtig schönes Wohnen - statt isolierter Einzelprodukte.

Von den Teppich-Herstellern zeigte Gerd Hoffe bei Wüst den meisten Mut. Nicht der Firmenname dominierte den Stand, sondern "Color" war das übergeordnete Thema. Schönheit und Komfort eines guten Teppichbodens wurden durch seine teilweise Abwesenheit verdeutlicht und der Wunsch nach Teppich wurde gerade durch diesen Teppich-Entzug verstärkt. Rohe Holzbohlen, lediglich grob behandelt, bildeten das Umfeld für eine Teppichboden-Insel.

Dura hatte einen kleinen, aber feinen Stand, zusammen mit der Schwesterfirma Filzfabrik Fulda, sowie einen McLaren/BMW-Boliden als Blickfang und Querverweis auf die erheblichen Aktivitäten im Automobilbereich.

Trotz einiger Schwachpunkte der Heimtextil könnte man hier eine bessere Heimat für Teppichboden finden. Das nicht allzu üppige Flächenangebot könnte dabei helfen, sich mit sparsameren und bescheideneren Messeständen zu begnügen - möglicherweise zusammen mit Herstellern anderer Heimtextilien

Domotex

Die Domotex wird unübersehbar mehr und mehr zum "Baumarkt mit Teppichboden-Abteilung". Die Zahl der Teppichboden-Aussteller und zugehöriger Fachbesucher sinkt fast schneller als die westeuropäische Tuftingteppich-Produktion.

Ein Lichtblick hier war die "Contract World" (na also, die Hannoveraner können's auch auf Englisch). In neuer, konjunkturgerechter, sachlicher Bescheidenheit präsentierten sich Firmen wie Anker, Dura und Du Pont. Selbst Du Pont fügte sich gut in das nüchterne Gesamtkonzept und zeigte lediglich den Firmennamen und Antron Excel statt der "chinesischen Wandzeitung" früherer Tage.

Fasermarken waren im übrigen eher unterrepräsentiert. 3M versuchte seine Scotchgard-Marke zu pflegen, Aquafil, treuester aller Domotex-Kunden, hatte einige interessante Produktentwicklungen zu bieten.

Brauchen wir eine ganz andere Messe?

Bewertet man beide Messen - Domotex und Heimtextil - also den Status Quo, muss man in aller Fairness anerkennen, dass beide sowohl ihre Stärken als auch ihre Schwächen haben. Die Kunst besteht nun darin, die Stärken beider Messen zu bündeln und sich zu bemühen, Besseres als das Jetzige zu schaffen.

"Contract World" zeigte Ansatzpunkte für eine bessere und effizientere Messe, allerdings sollten dazu noch strategische Partner gefunden werden, die das Angebot insgesamt attraktiver machen würden - und auch einen Teil der Kosten übernehmen könnten. Diese Partner könnten aus den Bereichen Heimtextilien (siehe Heimtextil) oder dem Büro-Objekt-Bereich kommen (siehe Neo Con Chicago oder Orgatec in Köln).

Die schlechteste Alternative allerdings wäre, in Zukunft gar drei statt bisher zwei Messen zu besuchen! Die sinkende Akzeptanz von Teppichböden lässt ein "weiter so" schon aus Kostengründen auch bei den Fachmessen nicht mehr zu. Jetzt ist es nicht nur an der deutschen, sondern an der gesamten kontinental-europäischen Teppichboden-Industrie, neue, zukunftsfähige Messekonzepte zu erarbeiten und sie gemeinsam umzusetzen. Unkonventionelles Denken und die Zuwendung zum Produkt sind dabei besonders gefragt. Da allerdings - wie im richtigen Leben - Reformen hierzulande als das gelten, was andere bei sich ändern müssen, hält sich der Optimismus für eine baldige Lösung in Grenzen.

Dennoch: Wer sich nicht bewegt, kann nichts bewegen!

(* Ausruf eines amerikanischen Beobachters der deutschen Teppichboden-Messe-Landschaft und fälschlicherweise übersetzt in: "Oh! Was für eine tolle Messe!". Richtig übersetzt heisst dies jedoch: "Oh! Was für ein Durcheinander!")
aus BTH Heimtex 02/02 (Wirtschaft)