Kerakoll geht in die Offensive
Mit deutscher Tochter und zwei Marken Großhandel und Objekteure im Visier
Im Jahre 2001 ließ der italienische Klebstoffhersteller Kerakoll die deutsche Fußbodenszene erstmals aufhorchen, als mit SLC Rinaldi ein Wettbewerber übernommen wurde, der sich am hiesigen Markt bereits etabliert hatte. Doch der erwartete Effekt sollte sich nicht einstellen. Weder von Kerakoll noch von SLC gingen in Deutschland nennenswerte Impulse aus. Umso heftiger wirkt der jüngste Paukenschlag: Mit der neu gegründeten Kerakoll GmbH will der Konzern unmittelbar in das hiesige Marktgeschehen eingreifen, und dieses Mal soll offensichtlich nichts dem Zufall überlassen bleiben: Mit Hans-Dieter Albreit wurde ein erfahrener Top-Manager und Branchenkenner ins Boot geholt.
An Zündstoff mangelte es der Nachricht nicht: Der ehemalige Geschäftsführer der Mapei GmbH wechselte ausgerechnet zum italienischen Konkurrenten Kerakoll, um in gleicher Funktion für den Durchbruch des Unternehmens am deutschen Markt zu sorgen. Erst Anfang April hatte sich Hans-Dieter Albreit bei Mapei auf eigenen Wunsch verabschiedet, was selbst für seine engsten Mitarbeiter völlig überraschend kam. Schon wenige Wochen später das Comeback unter neuer Flagge: Als Alleingeschäftsführer der Kerakoll GmbH möchte der 58-Jährige seine berufliche Karriere krönen.
Um was für ein Unternehmen handelt es sich hier überhaupt, das sich zutraut, in diesem schwierigen Branchenumfeld Fuß zu fassen? Ulrich Baumert, stellvertretender Chefredakteur der BTH-Heimtex, hatte Gelegenheit, bei einem Besuch in der Unternehmenszentrale am Standort Sassuolo mit Geschäftsführer Gianluca Sghedoni, einem Sohn des Firmengründers Romano Sghedoni, über die Zielsetzungen zu sprechen.
"In drei Jahren eigene Produktion in Deutschland"
Kerakoll sieht sich als eine der bedeutendsten Bauchemiefirmen der Welt mit gewichtigen internationalen Marktanteilen in den Bereichen professionelle Verlegesysteme, chemische Spezialprodukte sowie Lösungen für die Renovierung von Altbaubeständen. "Wer die Ambition hat, weltweit die Nummer 1 zu sein, muss auch am wichtigsten zentraleuropäischen Markt adäquat vertreten sein", unterstreicht Gianluca Sghedoni, der in dem Unternehmen für strategisches Marketing verantwortlich zeichnet. Unter "adäquat" versteht er den Produzentenstatus. "Unser Business-Plan für Deutschland sieht vor, in drei Jahren über ein eigenes Werk zu verfügen", präzisiert der 39-Jährige. Zusammen mit seinem Bruder Fabio (Finanzen) und Schwester Emilia (operatives Marketing) wird er eines Tages das Lebenswerk des Vaters fortsetzen.
Verlegezubehör für Fliesen- und Steinzeug stellt die Kernkompetenz von Kerakoll dar. 1968 wurde die Firma in Sassuolo (Region Emilia Romagna) gegründet, mitten im Herzen der italienischen Keramikindustrie, die jährlich weltweit 650 Mio. qm vermarktet. Im Bereich "Bauchemie" beansprucht Kerakoll auf internationaler Ebene die 5. Position, während man sich in Italien als Branchenführer sieht. Wie Sghedoni darlegte, dominiert der deutsche Baumarkt im europäischen Vergleich mit 19 Prozent. Es folgen Frankreich (14,6%), Italien (13,3%), Großbritannien (13%) und Spanien (11,8%). "Auf diese fünf Länder entfallen fast drei Viertel des gesamten Umsatzes der europäischen Bauindustrie", erläutert der Geschäftsführer.
Mit SLC starke Marke auf dem Parkettsektor übernommen
Die Übernahme des Klebstoffherstellers SLC Rinaldi ermöglichte Kerakoll eine Kompetenzausweitung auf Parkett, textile und elastische Beläge; ein weiteres Standbein stellen Parkettsiegel dar. Vor allem im Holzbereich besitzt SLC europaweit großes Renommee. Als vor zirka 20 Jahren die Öko-Welle anrollte und Parkett eine Renaissance erfuhr, trugen die Italiener mit wichtigen Problemlösungen zur positiven Entwicklung dieses Marktsegmentes bei. Beispiel: Um das für den damaligen Renovierungsmarkt bedeutende "Dünnparkett" (heutige Bezeichnung 10-mm-Massivparkett bzw. Lamparkett in südeuropäischen Ländern) dauerhaft auf den Boden zu bringen, gab es kaum geeignete Klebstoffe.
Das ungünstige Verhältnis von Breite und Dicke der Elemente sowie der bei wasser- und lösemittelbasierten Klebern auftretende Quelldruck führten zu Verwerfungen. Erst als Rinaldi den inzwischen legendären "Silovil L34" auf Epoxi-Polyurethan-Basis einführte, war die Problematik beherrschbar. Inzwischen wurde 10-mm-Massivparkett fast vollständig durch zweischichtiges Klebeparkett ersetzt.
Dass eine Marke Gesichter braucht, wurde von SLC eindrucksvoll vorexerziert. Die Kontaktpflege des damaligen Inhabers Rinaldo Rinaldi sowie des Forschungsleiters Dr. Armando Papini galt auch am deutschen Markt als vorbildlich. Für Hans-Dieter Albreit dürfte es eine weitere reizvolle Aufgabe sein, diesen Unternehmensbereich aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken und das zweifellos vorhandene Marktpotential auszuschöpfen. Gianluca Sghedoni verkennt die Problematik bei SLC keineswegs. "Es war für die Firma relativ leicht, die Produkte auf den internationalen Wachstumsmärkten zu verteilen. Als es dann aber schwieriger wurde, fehlten geeignete Strukturen, um die Position zu behaupten", sagt er.
Als eines der erfolgreichsten italienischen Unternehmen ausgezeichnet
Dennoch scheint das Gesamtunternehmen den Erfolg abonniert zu haben. 2003 schnitt man bei der Erhebung des renommierten Geldinstituts Mediobanca überaus erfolgreich ab. 3.500 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 50 Mio. EUR wurden auf ihr dynamisches Wachstum untersucht, wobei Kerakoll als rein italienische Firmengruppe den 2. Rang belegte. "Und für dieses Jahr erwarten wir ein ähnliches Ergebnis", sagt der Geschäftsführer. Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg dürfte der große Aufwand für Forschung & Entwicklung darstellen. Die für diesen Komplex bereit gestellte Summe gibt der Hersteller mit 5,4 Prozent vom Gesamtumsatz an, was 2005 einer Summe von 13,5. Mio. EUR entsprach.
Auch bei Parkettversiegelungen stark im Kommen
Im Bereich der Verlegesysteme für Fliesen und Naturstein beziffert Kerakoll seinen Marktanteil in Italien auf 41%; für Parkett werden sogar 48 Prozent veranschlagt. "Auch bei Parkettversiegelungen ist es uns innerhalb von 3 Jahren gelungen, mit 30 Prozent eine Spitzenstellung einzunehmen", bilanziert Sghedoni. In Italien verfügt Kerakoll über 5 Produktionsstätten, 3 in Sassuolo und 2 bei Padua. Je ein Werk gibt es in Polen, Griechenland und Spanien. Um speziell den Anforderungen am deutschen Markt gerecht zu werden, wurde soeben ein neues Werk in Rubiera errichtet.
Für den Geschäftsführer ist es ein Widerspruch, wenn ein umweltfreundliches Produkt wie Parkett immer noch zu großen Teilen mit stark lösemittelhaltigen Klebstoffen verlegt wird. Mit neuen bioökologischen Werkstoffen sieht Sghedoni für das Unternehmen gute Chancen, sich auch am deutschen Markt vom Wettbewerb abzuheben.
Einen Schwerpunkt bilden natürliche Baumaterialien, die unter der Marke "Biocalce" geführt werden. Damit will Kerakoll eine Alternative zu herkömmlichen zementbasierten Materialien bieten. Bereits seit April 2005 gibt es in diesem Segment einen biologischen Putzmörtel für innen und außen, der zu 100% aus Naturkalk besteht. Geplant ist auch ein Sortiment natürlicher Anstriche in 362 Farben. Die Idee zu dieser Produktreihe geht auf Baustoffe im alten Rom zurück.
Zu den jüngsten Neuheiten zählt darüber hinaus eine dekorative Bodenbeschichtung, die ebenso am deutschen Markt eingeführt werden soll wie ein Renovierungssystem für historische Gebäude. Aber das soll Schritt für Schritt erfolgen. "Bei einem Markteintritt macht es keinen Sinn, Produkte zu bringen, die der Wettbewerb bereits etabliert hat", ist der Geschäftsführer überzeugt.
Das Ziel von Kerakoll besteht nicht allein darin, Produkte zu exportieren. Es geht dem Unternehmen vielmehr darum, die in Italien angewandte Marktstrategie so weit als möglich nach Deutschland zu übertragen. Hochtechnologische Produkte sicher und einfach anzuwenden sowie größte Effizienz im Service sind dabei wichtige Säulen. Am Heimmarkt sorgen 26 Regionalverkaufsleiter mit einem Heer von 210 versierten Außendienstlern dafür, dass eine Baustellenbetreuung innerhalb von 24 Stunden möglich ist.
Erklärtes Ziel: Bis 2010 den Umsatz auf 500 Mio. EUR erhöhen
2005 hat Kerakoll einen Fünf-Jahres-Plan mit dem Ziel verabschiedet, den Gruppenumsatz bis 2010 auf 500 Mio. EUR zu verdoppeln. Für Investoren soll das Unternehmen allerdings nicht geöffnet werden. "Wir haben keine Schulden und sind in der Lage, sämtliche Projekte, die mittelfristig anstehen, selbst zu finanzieren", unterstreicht Sghedoni.
Ein Abstecher bei SLC in Brugine (im Raum Padua) belegt, dass man auch hier mit der Zeit gegangen ist. Die Anlagen sind auf dem neuesten Stand und die Produktionsstätte besticht durch ihre Sauberkeit. Der jährliche Klebstoffabsatz beträgt 13.000 Tonnen, wovon knapp 60 Prozent auf den Parkettbereich entfallen. Der Anteil lösemittelhaltiger Produkte wird auf 20 Prozent beziffert. Die zirka 15 Jahre alte Fabrik hat die Kapazitätsgrenze erreicht. Da ein weiterer Ausbau nicht möglich ist, soll in 25 Kilometern Entfernung ein neues Werk entstehen.
Zukunftsfähige Strukturen für deutsche Tochterfirma
Für Hans-Dieter Albreit also beste Voraussetzungen, um ein weiteres Unternehmen an den hiesigen Markt zu führen. SLC wird es in Deutschland nicht mehr als eigenständiges Tochterunternehmen von Kerakoll geben, sondern als Marke für Fußbodentechnik mit dem Schwerpunkt Parkettklebstoffe. Den Firmenstandort am Münchener Autobahnring übernimmt vorerst die neu gegründete Kerakoll GmbH. Nach Ansicht Albreits ist die geografische Lage optimal, "um vor allem in der Anfangsphase als Brückenkopf für nördliche Regionen zu dienen". Der Begriff "Kerakoll" steht zugleich für Verlegewerkstoffe auf dem Sektor Fliesen und Naturstein.
"Meine vorrangige Aufgabe besteht darin, eine Vertriebs- und Marketing-Strategie zu entwickeln, gekoppelt mit dem Aufbau einer schlagkräftigen Mannschaft", schildert Albreit. Damit einher gehe die Implantierung marktgerechter Verkaufsförderungspakete. Aber auch was Produktkataloge, aussagefähige Verpackungen, Preis- und Konditionensysteme sowie Merkblätter betrifft, sieht sich der Geschäftsführer zunächst in die Pflicht genommen.
Dass der Markt auch in dieser schwierigen Zeit einen weiteren Hersteller von Verlegewerkstoffen braucht, begründet Albreit mit "der Flucht vieler Händler in Private Labels, um sich der Vergleichbarkeit zu entziehen". Mit Kerakoll und SLC bestehe die Chance, sich weitgehend exklusiv zwei vorerst noch kleine aber überaus feine Marken mit einem beachtlichen Entwicklungspotenzial zu sichern. Wie Albreit betont, weisen die Produkte höchste Qualität auf. "Wir werden ein Preisniveau im mittleren bis oberen Segment belegen. Dumpingangebote sind nicht unser Ziel - weder mit Kerakoll noch mit SLC", versichert er.
Von Anfang an flächendeckende Marktbearbeitung
Neben dem Fachgroßhandel setzt der Deutschland-Chef als weitere bewährte Vertriebsschiene auf den Objekteur. Um bereits in der Anfangsphase flächendeckend zu arbeiten, benötigt er nach eigener Einschätzung 15 Verkäufer mit handwerklicher Erfahrung. Einige Anwendungstechniker sollen das Team ergänzen, so dass bis Ende 2007 etwa 30 Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Trotz vielfältiger administrativer Aufgaben will sich Hans-Dieter Albreit so oft wie möglich im Markt aufhalten. "In der wichtigen Aufbauphase darf mir nichts zuviel sein", ist seine Überzeugung.
Kerakoll S.P.A. - Telegramm
Kerakoll S.P.A., Sassuolo, Italien
Gegründet: 1968
Produktspektrum: Bodenbelagsklebstoffe, Ausgleichsmassen, Verlegewerkstoffe für Fliesen und Naturstein, Bauunternehmerprodukte (Bauwerksabdichtungen, Reparaturmörtel etc.)
Produktionsstandorte: 8 (Italien, Spanien, Polen, Griechenland)
Mitarbeiter: 850
Umsatzentwicklung: 1990 zirka 11 Mio. EUR; 2005 zirka 240 Mio. EUR
Export: 30%
Finanzaufwand Forschung & Entwicklung: 5,4% vom Gesamtumsatz
Finanzaufwand Schulungen: 3,2% vom Gesamtumsatz
Schulungen: 2001 bis 2005 über 80.000 Teilnehmer
Kerakoll GmbH
Gewerbestraße 12, D-85652 Pliening
Marken: Kerakoll (Verlegewerkstoffe für Fliesen und Naturstein), SLC (Klebstoffe für Parkett, textile und elastische Beläge)
aus
BTH Heimtex 05/06
(Wirtschaft)