Deutschen Heimtextilien-Industrie: Gelungene Jahrestagung der in Berlin

"Unsere Branche sollte ruhig selbstbewusster auftreten"

Auf der diesjährigen Jahrestagung der deutschen Heimtextilien-Industrie in Berlin waren sich die Mitglieder einig: es herrscht "bedingte Zuversicht". Das heißt: die deutsche Heimtextilien-Industrie blickt wieder überwiegend optimistisch in die kommenden Monate. Zumal die aktuellen Zahlen der Heimtextilien-Industrie wie auch der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute mit klaren Wachstumsprognosen Signale für eine konjunkturelle Erholung setzen. Die Veranstaltung selbst war die beste seit Jahren: perfekt organisiert, gut besucht, mit einem interessanten Programm, dessen Höhepunkt der außergewöhnliche Festabend war. Und es gab viel Raum für Gespräche und Kontaktpflege, was rege genutzt wurde.

Johannes Schulte, der neue Vorsitzende des Verbandes, machte gleich am Anfang der diesjährigen Jahrestagung seine Freude deutlich, das Amt in einem Jahr übernehmen zu können, in dem möglicherweise auch eine Trendwende bei der langjährigen Talfahrt des textilen Bodenbelags auszumachen ist. Insbesondere das Exportgeschäft gewinne wieder an Fahrt, aber auch die Wachstumsimpulse im Inland verstärkten sich, führte Schulte aus. "Dabei verkenne ich jedoch nicht, dass dies nicht ein Nachlassen unserer Anstrengungen bedeuten kann", sagte er deutlich. Die "Geiz ist geil"-Mentalität sei noch nicht ganz verhallt, und man müsse sich in allen heimtextilen Produktgruppen weiter für Qualität, Produktsicherheit und Informations- und Wertigkeitsermitlung engagieren. "Dabei hat auch die Heimtextilien-Industrie ihre Schularbeiten gemacht und warte mit Innovationen bei den Textilien für Heim, Haus und Objekt auf - Heimtextilien eben mit erheblichem Zusatznutzen." Schulte nannte hier Gardinen und Dekostoffe zur Raumluftverbesserung, Teppichböden mit Transpondern oder Leichttechnik oder auch Bettwaren mit Funktionen abgestimmt auf die physiologischen Bedürfnisse der Schläfer.

Gerade hierzulande gebe es noch viel Brachland für heimtextile Produkte. Deshalb gelte es letztlich, die im Augenblick nicht sehr konsumfreudigen Deutschen wieder als echte Konsumenten zu gewinnen und davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, Heim und Haus aufzufrischen, modische Farben einzubeziehen und die eigenen vier Wände mit Textilien auszustatten, die auch einen Zusatznutzen bringen. "Wir als Verband sind gewillt, uns aktiv in diese Prozesse einzubringen, die notwendig sind, einen Bewusstseinswandel bei den Konsumenten zu erreichen", bekräftigte Schulte. Dabei forderte er die Mitglieder auf, Aktivitäten in vorhandenen wie neuen Märkten zu ergreifen und fit zu werden für den Wettbewerb, sich auf die Suche zu machen nach Innovationen, nach bahnbrechenden neuen Produkten und nach neuen, andersablaufenden Prozessen. "Innovationen von heute sind die Produkte und die Existenzbasis von morgen. Wo Widerspruch und scheinbar unüberwindbare Hindernisse auftreten, ist die Wiege von Innovationen. Innovationen entwickeln sich aus Zielkonflikten und scheinbaren Unmöglichkeiten. Machen wir uns auf den Weg, diese zu finden. Dann haben wir beste Voraussetzungen, zu wachsen und erfolgreich zu sein."

Als neues assoziiertes Mitglied im Verband begrüßte Schulte den Verband innenliegender Sicht - und Sonnenschutz (ViS) - dies ermögliche es den Mitgliedern des ViS, bestimmte Verbandsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen und dadurch wirtschaftlicher zu werden.

Um das Dienstleistungsspektrum zu verbessern und die Schlagkraft zu erhöhen, habe der Heimtextilienverband in Wuppertal seit April eine Bürogemeinschaft mit der Treuhandgemeinschaft für Textilindustrie, führte Schulte weiter aus. Diese beschäftige sich mit dem Forderungseinzug und der Insolvenzvertretung für Textilunternehmen.

Als Sprecher der Fachgruppe Teppichindustrie beklagte Schulte anschließend die gravierenden Probleme, die seiner Ansicht nach die geplante Einführung der neuen Chemikalien-Richtlinie (REACh) seitens der europäischen Kommission für die Branche bringt. Einerseits die Kosten für die vorgeschriebene Registrierung, die viel zu hoch sind, zumal es bei Inkrafttreten der Richtlinie bestimmte Stoffe und Farbstellungen nicht mehr geben wird. "Dabei werden Importe und Produkte, die im Ausland hergestellt werden, nicht erfasst - egal welche Komponenten sie enthalten." Zudem wirke sich REACh auch noch einmal negativ auf die exportorientierte europäische Wirtschaft aus im Wettbewerb mit außereuropäischen Märkten.

Bernd Kout, Sprecher der Fachgruppe Dekorationsstoffe, Gardinen und Polsterstoffe, bedauerte, dass für seinen Bereich der Konjukturmotor offensichtlich noch nicht richtig angesprungen ist. Die Gründe dafür seien zahlreich: die zunehmende Zahl privater Insolvenzen trage hier ebenso dazu bei wie die zunehmende Verschuldung der öffentlichen Hand und die anhaltend schlechte Situation in der Bauwirtschaft, die sich negativ auf den Auftragseingang für die Ausstattung von Objekten auswirke.

Als eines der größten Probleme, mit dem die heimische Textilindustrie zu kämpfen hat, nannte Kout den enormen Konkurrenzdruck aus den sogenannten Billiglohnländern - und hier insbesondere aus China. "Ungleiche Rahmenbedingungen bei den sozialen und arbeitsrechtlichen Verhältnissen, gerade auch durch die Plagiate und den Ideenklau machen aufgrund der ungleichen Ausgangsverhältnisse einen fairen Handel unmöglich." Den Vorwurf auch von der Politik, sich gegenüber einem fairen Handel abschotten zu wollen, wies Kout deshalb auch entschieden zurück. Deshalb setze er seine Hoffnung auf den kürzlich vom chinesischen Handelsministerium vorgelegten Aktionsplan 2006 für den Schutz geistigen Eigentums und dass dieser kein Lippenbekenntnis bleibt.

Dass die Deutsche Bettwarenindustrie gut aufgestellt ist und mit Zuversicht in die kommenden Monate blickt bekräftigte Klaus D. Kremers als stellvertretender Sprecher der Fachgruppe Bettwaren. Er sieht als Ursache für das aufwärtsgerichtete Konjunkturbarometer den zunehmenden Trend der Verbraucher, auch bei Bettwaren wieder auf Qualität, Service und Emotion zu achten. "Geiz ist in den Augen des Verbrauchers immer seltener geil. Der Verbraucher ist des steten Jagens nach Rabatten oder des Eilens hin zum nächsten Angebot zunehmend überdrüssig geworden", ist Kremers überzeugt. Statt dessen steige auch im Bettwarenbereich der Wunsch nach Differenzierung, Wertigkeit, Gesundheit, Langlebigkeit und nicht zuletzt auch Emotion.

Und die Hersteller haben nach Überzeugung von Kremers diesen Trend erkannt und auch in weiten Teilen forciert. Zwar boome der Discountbereich noch immer - aber mit abnehmenden Steigerungsraten. Parallel gewinne der höherwertige Bereich klar an Einfluß - und damit der Bereich mit den größeren Wachstumschancen in der Zukunft. Und nicht zu vergessen: In diesem Segment werden die dringend benötigten Deckungsbeiträge generiert.

Dabei haben die Hersteller einiges getan, um sich nach den Worten Kremers zu positionieren: Aktuelle Strömungen und Trends aufgegriffen, geforscht, entwickelt und innovativ neue Fasern, neue Füllmaterialien und Fasermischungen für einen gesunden Schlaf ermöglicht. "Gesundheit ist schon immer der Mega-Trend gewesen." Und nicht zuletzt setze die Industrie auf Emotionen und Individualität,werte die Produkte zunehmend mit optischen, haptischen oder olfaktorischen Details auf, die den Verbraucher in seiner Emotionalität positiv beeinflussen. Als wichtigstes Bindeglied zwischen Industrie und Verbraucher, als Multiplikator der Marketingkonzepte und unterstützt durch ergänzende Beratungsleistungen am Point of Sale obliegt dem Handel nach den Worten Kremers eine wichtige Funktion.

Die Globalisierung der Welt wird von Kremers nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance begriffen. Der weltweite Handel auch mit Bettwaren nehme zu. "Damit einhergehen aber auch ein freier Welthandel mit gleichen Zöllen und fairem Wettbewerb." Als Problem nannte er nicht nur die Importe aus Billiglohnländern wie Polen, das Baltikum und Ungarn, die inzwischen zur EU gehören und damit zumindest von der Beschaffungsseite her den gleichen Voraussetzungen wie die deutschen Unternehmen unterliegen. Ein noch größeres Problem aber seien die Importe aus China, die allein im letzten Jahr um 40% gestiegen seien.

Darüber hinaus gebe es fast unüberbrückbare Probleme auf der Beschaffungsseite des Rohmaterials. China sei inzwischen zum größten Aufkäufer für Daunen avanciert. Mit trauter Regelmäßigkeit beantrage die europäische Chemiefaserindustrie zudem Anti-Dumping-Verfahren bei der EU-Kommission hinsichtlich des Imports von Polyesterfasern aus dem asiatischen Raum. Fasern, auf die einige Unternehmen in Deutschland dringend angewiesen sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben. "Und auch aktuell befinden wir uns in einem neuen Anti-Dumping-Verfahren betreffend die Einfuhr von Polyesterfasern mit Ursprung in Malaysia und Taiwan". Kremers erwartet, dass man auch hierfür die Interessen der deutschen Industrie in Brüssel vertreten muss, dass die Unternehmen auch auf der Beschaffungsseite faire Bedingungen vorfinden.

Oliver Schmitz vom Marktforschungsunternehmen GfK präsentierte anschließend den "Heimtextil Monitor GfK 2006 - Textiles Wohnen in Deutschland". Zur Heimtextil 2006 hatte die Messe Frankfurt zum fünften Mal eine Branchenstudie über den Markt für Haus- und Heimtextilien in Auftrag gegeben, der rund 8,2 Mrd. EUR umfasst. In diesem Jahr wurde der Endverbrauchermarkt näher untersucht.

Zur Untersuchung des Informations-, Einkaufs- und Einrichtungsverhaltens der Deutschen Haushalte wurden insgesamt 2000 repräsentative Haushalte befragt.

Gefragt wurde nach der Anzahl vorhandener Wohntextilien pro Haushalt, die zuletzt realisierten und demnächst geplanten Wohntextilien-Anschaffungen (hier jeweils Material, Einkaufsstätte und Ausgaben) auf der Basis von 31 Warengruppen (Dekostoffe, Handtücher, Matratzen etc.).

Ausserdem wurden gemäß der Einkaufspräferenzen sieben Heimtextil- Käufertypen identifiziert und detailliert beschrieben.

Danach sind sich über 90% der Deutschen Haushalte in einem Punkt einig - und das sogar mit steigender Tendenz: Zuhause ist der Ort zum Wohlfühlen und Entspannen. Dabei gibt es große Potentiale im Bereich Wohnen und Einrichten: jeder 10. findet, dass die eigenen Einrichtung eher veraltet ist. Dennoch verfügt der Durchschnittshaushalt über einen verhältnismäßig großen Bestand an Haus- und Heimtextilien. 25 Hand-/Frottiertücher, 22 Geschirrtücher, 14 Waschlappen und 13 Tischdecken besitzt jeder deutsche Haushalt im Durchschnitt. Am wenigsten vorhanden sind Tagesdecken (1,4), WC-Sets (2,4) und WC-/Badteppiche (2,5).

Im Rahmen des GfK Monitors hat das Marktforschungsunternehmen sieben Käufertypen für Wohntextilien bezüglich ihres Informations-, Einkaufs- und Einrichtungsverhaltens spezifiziert. So gehören 9,4% der deutschen Haushalte zu den desinteressierten Einrichtungs-Muffeln, die in kleineren Wohnungen leben und kein besonderes Interesse an schönen Dingen fürs ZuHause haben. 17,2% sind schnäppchenorientierte Heim-Schmücker: dekorieren gerne permanent neu mit textilen Elementen, wollen dabei aber ein Maximum an Qualität und Design zum bestmöglichen Preis ergattern (more for less). 20,3% sind als konservative Qualitäts-Käufer einzustufen: investieren ihre Zeit in Qualiträts- und Preisvergleiche, kaufen am liebsten beim kompetenten Fachhandel und sind mit ihrer Einrichtung am zufriedendsten. Sonderangebote lehnen sie eher ab. 17,7% sind informierte Selbermacher, kennen sich detailliert mit Materialien und deren Eigenschaften aus und schneidern sich ihre Haus- und Heimtextilien zum Großteil selbst. Preisfeilschende Zweck-Einrichter machen 8,4% aus - sie feilschen um den besten Preis, eher zweckmäßig eingerichtet und mit der aktuellen Einrichtung vergleichsweise unzufrieden. Handelsorientierte Qualitäts-Käufer (17,7%) legen höchsten Wert auf Materialqualität, Strapazierfähigkeit und Funktionalität und achten dabei auf eine umweltfreundliche Herstellung sowie bekannte Marken. Absolut design-, trend- und qualitätsorientiert ist die letzte Gruppe, die trendorientierten Premium-Käufer mit 9,3%, die mit jährlichen Ausgaben von 504 EUR das größte Käufer-Potential aufweisen Als bundesweiten Durchschnitt hat die GfK 345 EUR/Haushalt ermittelt.

Erfreulicher Weise gibt es nach den Ausführungen von Oliver Schmitz trotz der "Geiz ist geil"-Mentalität nach wie vor offensichtlich mehr Deutsche, die hochwertige Heimtextilien wie Stoffe, Vorhänge usw. im kompetenten Fachgeschäft einkaufen als Verbraucher, die beim Kauf so lange die Preise vergleichen, bis das beste Angebot gefunden ist oder die einen extrem günstigen Preis suchen.

Beim Kauf von Heim- und Haustextilien zählen das Preis-Leistungs-Verhältnis, die optische Kompatibilität zur verhandenen Einrichtung, das Design und die Funktionalität und Pflegeleichtigkeit deutlich mehr als ein günstiger Preis. Dabei sind es vor allem die Frauen, die über die Auswahl von Wohntextilien entscheiden. Gut für die Branche, dass, wie die Umfrageergebnisse ergeben haben, es vor allem die Frauen sind, die mit ihrer aktuellen Einrichtung am wenigsten zufrieden sind.

Anselm Bilgri, ehemaliger Prior und Cellerar des Klosters Andechs, heute Berater des Zentrum für Unternehmenskultur, verstand es auf eindrucksvolle Weise, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Angesichts lauter werdender Rufe nach Orientierungshilfe von Mittelständlern, wie man die Werteorientierung erhalten kann, war sein Thema: "Werte für den Wandel. Wandel als Grundprinzip menschlichen Lebens." Im Wandel liegt nach seinen Worten seit jeher auch die Antriebskraft für Innovationen - allerdings liege das Besondere in unserer Zeit an der Geschwindigkeit, da Menschen, Kapital und Informationen heute mobiler denn je sind. Zwar werde das Leben, das geführt wird, vielfach sehr interessant, doch es werde auch ein Preis für diese Mobilität gezahlt: Das Verhältnis zu den Wurzeln, die Erde, droht nach den Worten Bilgris verloren zu gehen. "Die Festigkeit und Tiefe von Beziehungen droht daran zu leiden , Halt und Orientierung sind immer neu zu erarbeiten." Nach seinen Worten ist es deshalb ratsam, sich auf Werte zu besinnen, die Stabilität bedeuten und uns einen guten Umgang miteinander sichern, den Menschen mehr in Zentrum zu stellen und auf diese Weise Veränderungsprozesse menschengerecht zu gestalten.

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Neuwahlen des Präsidiums

Vorsitzender: Johannes Schulte, Vorwerk
Stellvertretender Vorsitzender: Friedrich Ermert, Billerbeck Betten-Union
Schatzmeister: Hubert Günther, Müller-Zell
Past-President: Justus Schmitz, Schmitz-Werke/Drapilux
Ehrenvorsitzender: Peter Schwartze, TWN

Sprecher der Fachgruppen und deren Stellvertreter:

Teppichindustrie: Johannes Schulte, Vorwerk
Stellv.: Harald Baumann, Norddeutsche Teppichfabrik

Dekorationsstoff-, Gardinen- und Möbelstoffindustrie: Bernd Kout, Gebr. Munzert
Stellv.: Hubert Günther, Müller-Zell und Justus Schmitz, Schmitz-Werke/Drapilux

Bettwarenindustrie:
Friedrich Ermert, Billerbeck Betten-Union
Stellv.: Klaus D. Kremers, Paradies

Vorstandswahlen bei der Konvention:
Vorsitzender: Harald Cleven, Longlife Teppichboden
Stellv.: Justus Schmitz, Schmitz-Werke/Drapilux
Schatzmeister: Hubert Günther, Müller-Zell
aus BTH Heimtex 06/06 (Wirtschaft)