Interview mit Aad Kuiper

"Die Branche braucht mehr neue Produkte"


BTH: Herr Kuiper, als Systemhersteller haben Sie einen guten Einblick in die europäische Sonnenschutzbranche. Wie hat sie sich in den letzten Jahren verändert?

Aad Kuiper: Wenngleich sich die Branche allmählich konzentriert, hat sich strukturell noch nicht viel getan. Es gibt immer noch die gleichen Anbieter und sie machen immer noch die gleiche geringe Rendite.

Leider ist die Branche sehr traditionell und damit Veränderungen wie auch neuen Produkten gegenüber nicht sehr aufgeschlossen. Das gilt vor allem für Deutschland, aber auch für andere europäische Länder.

In Amerika ist das ganz anders. Bedingt durch die gute Konjunktur waren dort in den letzten zehn Jahren viele neue Produktentwicklungen wie Silhoette, Duette, Serenette und Luminette möglich, die dann später den Weg nach Europa fanden und dort inzwischen in einigen Ländern wie Spanien, Frankreich und den Niederlanden hervorragend laufen.

Unser Ziel ist es, immer Vorreiter bei innovativen Produkten zu sein. Wenn man jahrelang an den gleichen Produkten hängen bleibt, wird das für den Raumausstatter, für den Verbraucher und letztlich auch für den Konfektionär uninteressant. Die Branche braucht neue Produkte. Sie beleben das Geschäft.

BTH: Welche Neuheiten haben Sie denn jetzt aktuell im Köcher?

Kuiper: Wir kommen mit neuen, textilorientierten Produkten auf den Markt - wirklich innovativen Produkten. Auf der Heimtextil 2002 werden wir einiges zeigen.

Als Marktführer muss man aber in jedem Segment Neuerungen bieten, auch bei den Standardprodukten. Mit unserem "Eos"-Prinzip (= effektiv optimierte Systeme) liefern wir bei Rollos und Vertikals eine hochmoderne Technik.

Als nächstes werden Plissees, Jalousien und Dachflächenfenster-Systeme auf Eos-Standard gebracht. Außerdem wollen wir unsere Kompetenz im Textilbereich verdeutlichen und kontinuierlich mit neuen Qualitäten und Farben Trends setzen, etwa für Vertikals und Rollos. Und auch in der Außensonnenschutz- Sparte, insbesondere bei Außenraffstores und Screen-Produkten, gibt es kontinuierlich Verbesserungen und Innovationen.

BTH: Kommen wir noch einmal auf das Thema Konzentration im Markt zurück. Hunter Douglas ist bereits Marktführer. Denken Sie dennoch über weitere Akquisitionen, Fusionen oder strategische Allianzen nach?

Kuiper: Ja, das ist für uns immer ein Thema gewesen und wird es auch weiterhin sein. Die Zusammenarbeit mit Partnern - egal in welcher Form - ist wichtig und wird immer wichtiger. Schließlich ist es bei den vielen Produktlinien heute fast unmöglich, in allen Bereichen die Kompetenz selbst aufzubauen.

Neue Produkte und Systeme sind oft das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit. Zudem kann man Synergien in der Distribution, Lagerhaltung und Marktbearbeitung realisieren - und so die Rendite verbessern.

Ausgangspunkt sind immer die Kunden. Sie erwarten von von uns ein Vollsortiment. Deswegen lautet unsere Devise mehr und mehr "One-stop-shopping".

BTH: Welche Geschäftsfelder kommen konkret für Akquisitionen in Frage?

Kuiper: Nur Sonnenschutz und Fensterdekoration. Im Komponenten- und Systembereich gibt es pro Land und pro Produktlinien unterschiedliche Marktpositionen.

In den Benelux-Ländern, in Frankreich, Großbritannien, Irland und in den skandinavischen Ländern sind wir gut präsent, könnten uns aber generell mit länderspezifischen Systemen und Komponenten verstärken.

Zum Beispiel gäbe es im Außensonnenschutzbereich unzählige Produkte, die man in Komponentenform anbieten könnte.

BTH: Und wo sehen Sie geografische Lücken? In welchen Ländern ist für Hunter Douglas noch Potential?

Kuiper: Wie gesagt sind wir in Großbritannien, Frankreich, Spanien und den Benelux-Ländern sehr stark im Markt vertreten. Im Vergleich dazu sind wir in Deutschland bisher unterrepräsentiert. Deshalb ist Deutschland für uns der Zukunftsmarkt Nummer eins für Komponenten und Systeme.

Ich glaube, dass wir über unsere Marktkontakte, unsere Marktnähe und unsere technischen Innovationen gute Chancen haben, unser Geschäft in Deutschland weiter zu entwickeln.

BTH: Warum ist denn der Marktführer im großen Sonnenschutzmarkt Deutschland unterrepräsentiert?

Kuiper: In Deutschland haben wir zwei Jahrzehnte lang einfach nicht ausreichend kommuniziert. Der Kundenkontakt war nicht optimal und man hat das Produktangebot nicht den deutschen Bedürfnissen angepasst. Da hatten die deutschen Komponentenlieferanten schon einen Heimvorteil.

Auch ist in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern der Qualitätsanspruch sehr hoch - speziell was Technik und Funktion der Produkte betrifft. Darauf haben wir reagiert und das Entwicklungszentrum in Bremerhaven etabliert, damit deutsche Spezialisten die Produkttechnik entwickeln. Damit haben wir in den letzten Jahren gute Ergebnisse erreicht.

BTH: Wie haben sich die verschiedenen Produktgruppen bei Ihnen entwickelt? Welche sind Ihre strategischen Produkte?

Kuiper: Jalousien und Plissees sind beides Produkte mit gewaltigen Zuwachsraten. Für uns ist es schon eine Überraschung, wie stark das Jalousien-Geschäft sich immer weiter entwickelt. Da profitieren wir von unserer jahrzehntelangen Kompetenz.

Duette steigert sich ebenso seit Jahren, zwar auf kleinerem Level, aber mit erheblichen prozentualen Zuwachsraten. Silhouette hat europaweit immens zugelegt, vor allem nach Einführung der neuen Kollektion. Rollos stagnieren auf hohem Niveau - übrigens unterschiedlich in den einzelnen Ländern - Vertikals ebenso. Wir sind aber sicher, dass unser Eos-Hardwarepaket und eine neue Textilkollektion das Geschäft ankurbeln werden. Ich bin absolut zuversichtlich, dass wir in allen Produktlinien Steigerungen haben werden.

BTH: Außensonnenschutz haben Sie gar nicht erwähnt. Gibt es Überlegungen in Rotterdam, in Deutschland auch ins Markisengeschäft einzusteigen?

Kuiper: Nein, wir wollen uns hauptsächlich auf Außenraffstores und Screen-Produkte konzentrieren. Hier sind die Komponenten und Systeme sowohl für deutsche Konfektionäre, Rolladenbauer und Fachhändler einsetzbar, als auch für die anderen europäischen Ländern.

Im Markisengeschäft sind die länderspezifischen Unterschiede größer. Und obwohl wir über ausreichend Kompetenz verfügen, ist es für uns weniger interessant, individuelle Lösungen für die verschiedenen Länder zu entwickeln.

BTH: Mal vorausgedacht. Wo soll Hunter Douglas in fünf Jahren stehen?

Kuiper: Wir wollen weiter unsere innovative Stärke unter Beweis stellen und uns über diesen Weg eine gesunde Zukunft sichern. Ich glaube, wenn wir in den nächsten fünf Jahren so weitermachen wie in den vergangenen fünf Jahren, dann werden wir in unserem Kernsegment Sonnenschutz und Fensterdekoration eine noch stärkere Position im Markt erreicht haben.

----

Aad Kuiper begann seinen beruflichen Werdegang bei Akzo Nobel, wo er für Akzo Nobel Coatings und die Marke Sikkens vier Jahre als zentraler Vertriebsleiter in Deutschland tätig war, danach als Direktor in Belgien. 19997 wechselte der Betriebswirt zur Hunter Douglas-Gruppe, und übernahm dort Verantwortung für das Kerngeschäft Sonnenschutz und Fensterdekoration in Europa.

Unlängst wurde der 40jährige zum Europa-Direktor des Konzerns berufen, gleichzeitig ist er Mitglied des Vorstandes von Hunter Douglas weltweit. Neben seinen zahlreichen beruflichen Aufgaben, die er mit Freude und Organisationstalent bewältigt, bleibt dem vierfachen Familienvater nur wenig Zeit für sein erklärtes Hobby - die Psychologie.
aus BTH Heimtex 06/01 (Wirtschaft)