GHF-Jahrestagung 2001 in Bamberg

Nur geschlossen hat der Großhandel eine Überlebenschance

Ungewohnt kämpferisch gab sich der Großhandel auf seiner diesjährigen Tagung in Bamberg. Statt wie bei früheren Veranstaltungen in Harmonie zu ersaufen und die drängenden Branchenprobleme am Rande abzuhaken, wurde dieses Mal Klartext geredet: Der Großhandel muss mehr Geschlossenheit zeigen und sich zu übergreifenden Maßnahmen zur Kostensparung durchringen, denn die Lage ist inzwischen wirklich ernst. Jetzt müssen den Worten nur noch Taten folgen.

Eins ist nach der diesjährigen Tagung des Großhandels-Verbandes Heim & Farbe wohl jedem klar: So kann es nicht weitergehen. Wenn der Großhandel nicht endlich gemeinsam und geschlossen für seine Interessen kämpft, setzt er seine Existenz aufs Spiel. Die Kosten-Erlös-Schere geht immer weiter auf und droht, die letzten Reserven aufzufressen.

Dass sich die Lage im Großhandel zuspitzt, belegen nicht nur die zunehmenden Insolvenzen und Übernahmen, sondern auch zwei Briefaktionen, die für reichlich Aufregung sorgten: Das ausschließlich in Ostdeutschland engagierte Berliner Großhandelshaus Thomas & Co. bittet in seinem Schreiben angesichts der prekären Situation in seinem Absatzgebiet um einen "Ostbonus" von 5 % bis zum Jahresende 2002.

Jordan aus Kassel, durch seine aggressive Übernahmepolitik inzwischen bundesweit einer der größten Großhändler, fordert seine Lieferanten zu einer Rückvergütung von 1 % per 1. Januar 2001 für Kreditrisiken auf und geht automatisch von ihrem Einverständnis aus, sofern nicht innerhalb einer bestimmten Frist geantwortet wird.

Für die Branche sind diese im Lebensmittelbereich durchaus üblichen und dort noch viel drastischer durchgesetzten Praktiken neu. Wobei Jordan und das Thomas-Schwesterunternehmen IBS im vergangenen Jahr mit der Forderung nach "Hochzeitsrabatten" zur Förderung ihrer Akquisitionen schon einmal erfolgreich waren.

Dieses Mal wollen Mitbewerber und auch die Industrie den Alleingang einzelner Großhändler nicht tolerieren und kommentarlos zusehen, wie eventuelle Sonderboni gewährt werden. So bezeichnet der Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie ein "Nachkarten" bei den Konditionen als "nicht hinnehmbar für die von ihm vertretenen Lieferanten, absolut unüblich und wettbewerbsverzerrend."

Verbindlich formuliert, aber knallhart in der Aussage ist die Antwort der Hometrend Inku-Gruppe, ihrerseits eine der größten Großhandels-Formationen, auf die "schrittweise Verwilderung der Marktusancen": Sie weist vorsorglich darauf hin, dass sie ebenfalls "Forderungen im gleichem Umfang auch rückwirkend und für die Folgejahre" geltend machen wird, sofern dem Ansinnen ihrer Wettbewerber stattgegeben wird.

Zurück zur GHF-Tagung nach Bamberg. Die Kernbotschaft war klar und deutlich: Der Großhandel muss Kosten sparen, um seine Ertragslage verbessern. Das kann er besser in der konzertierten Aktion - wenn er sich nämlich auf breiter Front zum Beispiel über Mindermengen-Zuschläge verständigt. Regional haben sich einige Großhändler bereits abgestimmt und angefangen, Kostenpauschalen für Kleinstmengen-Lieferungen zu berechnen. "Leider machen nicht alle mit", beklagt Norbert Sonnen von Sonnen-Herzog aus Düsseldorf die mangelnde Solidarität von Mitbewerbern. Der übliche Satz scheint sich bei 15 DM Pauschale bei einem Auslieferungswert von 150 DM einzupendeln.

Einsparungspotential gibt es noch mehr: Bei Expresskosten oder Kollektionsaufwendungen, bei sogenannten Komplexitätskosten und vor allem bei den Prozess- und Kommunikationskosten. Gerade die sind aber ein besonders heißes Eisen, wie sich an der aktuellen Diskussion um die Artikelstammdatenpflege zeigt.

Während der GHF hier für eine übergreifende Branchenlösung mit einer zentralen Clearing-Stelle plädiert, macht sich der Großhandelsverbund VFG für seinen Insel-Datenpool stark, der bis Ende des Jahres stehen soll und "selbstverständlich auch für alle mittelständischen, nicht VFG-gebundenen Grossisten offen ist". Eine einheitliche Linie innerhalb des Großhandels ist zur Zeit noch nicht zu erkennen.

Gut gemeint, aber letztlich unergiebig war ein zweistündiges E-Commerce-Forum mit Diskussionsbeiträgen von Vertretern des Großhandels, der Industrie und des Handwerks. GHF-Geschäftsführer Hartmut Plümer mühte sich tapfer, die Runde zu anzuheizen, doch fehlte ein roter Faden.

Die Qualität der Referenten war wie immer sehr unterschiedlich. Mit Spannung erwartet wurde der Vortrag von Thomas Wolf, dem Vorstandsvorsitzenden des börsennotierten Baustoffhändlers Mühl, der mit seinen ehrgeizigen E-commerce-Plänen auf sich aufmerksam gemacht hat.

Und der wohlfrisierte Mühl-Chef enttäuschte seine Zuhörer nicht: Eloquent entwarf er das Bild eines dynamischen, zielstrebigen, expansiven Konzerns mit 1,5 Mrd. DM Umsatz - davon 3%, sprich 45 Mio. DM im Bodenbelagsgroßhandel - und einem durchdachten B2B-Konzept, das von über 500 Außendienst-Mitarbeiter zu potentiellen Kunden transportiert wird. Flankiert von einem eigenen Logistik-Unternehmen und einem eigenen Bausoftware-Anbieter wolle die Mühl-Gruppe bis 2004 mit E-Commerce 500 Mio. EUR Umsatz generieren.

Das klingt gut - die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus, wie ein Bericht über die Mühl-Gruppe in der FAZ von Anfang Oktober offenlegt.

Danach muss der Baustoffhändler einen strikten Konsolidierungskurs einschlagen, 30 seiner bundesweit 150 Standorte schließen, die Zahl der Mitarbeiter um 10 % auf 1.800 zurückfahren und für diese Maßnahmen Rückstellungen von 60 Mio. DM bilden. Trotz dieser hohen Belastungen werde für 2001 nicht mit einem Verlust gerechnet, heißt es in der FAZ weiter, sondern mit einem Jahresüberschuss zwischen Null und 10 Mio. DM. Dies sei aber nur zu schaffen, wenn der Verkauf der Logistik-Tochter gelinge - die Wolf noch in Bamberg als ein wesentliches Element der B2B-Aktivitäten pries....

Ein völliger Reinfall war das Referat der "Unternehmerin des Jahres 1999", Call-Center-Pionierin Helga Schuler, die ihr Thema komplett verfehlte. Positiv fielen dagegen die Ausführungen von IKB-Chefvolkswirt Kurt Demmer zum Rating und vor allem von Rechtsanwältin Dr. Karin Ebel über den Beirat als Instrument zur Unternehmensführung auf. Beide Vorträge boten praktische Substanz, was nicht selbstverständlich ist.

Die nächste GHF-Jahrestagung findet im Herbst 2002 voraussichtlich in Leipzig statt.
aus BTH Heimtex 11/01 (Wirtschaft)