Interview mit Karl-August Siepelmeyer
Kritische Töne in Richtung Akzo und Tapetenhersteller
Ob Aussen- oder Innenarbeiten - die Maler sind wahre Allrounder. Kaum ein anderes Gewerk geht so flexibel auf die Anforderungen des Marktes ein. Neben der Kernkompetenz auf dem Sektor Farbe nimmt der Berufsstand mit 42.000 in die Handwerksrolle eingetragenen Betrieben längst auch bei Bodenbelagsarbeiten, der Wärmedämmung oder beim Trockenausbau Schlüsselpositionen ein. Zur Marktsituation und aktuellen Branchenthemen befragte BTH Heimtex Karl-August Siepelmeyer, Vizepräsident beim Hauptverband Farbe - Gestaltung - Bautenschutz.
BTH Heimtex: Herr Siepelmeyer, das vielschichtige Leistungsspektrum des Malerhandwerks gibt am ehesten Aufschluss über Tendenzen im Sanierungsmarkt. Wie geht es Ihrem Berufsstand?
Siepelmeyer: Im Moment sind fast alle Betriebe sehr gut ausgelastet. Aber das war auch höchste Zeit, nachdem sich im ersten Quartal kaum Geld verdienen ließ. Dafür haben wir ein neues Problem; bei Wärmedämmverbundsystemen gibt es im Moment enorme Lieferengpässe.
BTH Heimtex: Als Allrounder bietet der Maler auch Bodenbelagsarbeiten an. Wie entwickelt sich dieses Geschäftsfeld?
Siepelmeyer: Wer sich mit Boden befasst, deckt meist die ganze Bandbreite bis hin zu geklebtem Parkett ab. Der Anteil der Bodenbelagsarbeiten nimmt beim Maler insgesamt zu, immer mehr Betriebe bieten Komplettleistungen zur Innenraumgestaltung an, zirka 30 % des Gesamtumsatzes bei Bodenbelägen werden vom Malerhandwerk ausgeführt.
BTH Heimtex: Der Hauptverband Farbe - Gestaltung - Bautenschutz und die Mega Malereinkaufsgenossenschaft ließen vor einem Jahr mit dem Angebot einer Forderungsausfallversicherung aufhorchen. Jedes Handwerksunternehmen, das Mitglied in der Mega und einer Innung des Hauptverbandes ist, kann davon Gebrauch machen. Bewährt sich das Projekt?
Siepelmeyer: Die Forderungsausfallversicherung scheint gut zu laufen. Genau kann ich das aber nicht sagen, da die Inanspruchnahme von der Mega nicht veröffentlicht wird. Gleichwohl halte ich das für eine gute Sache.
BTH Heimtex: Erfährt das Malerhandwerk auch von der Industrie die gewünschte Unterstützung?
Siepelmeyer: Es gibt mit verschiedenen Herstellern zahlreiche Projekte mit dem Ziel, für das Malerhandwerk Märkte zu sichern und neue Marktfelder, beispielsweise bei der Kellersanierung oder dem Trockenbau, zu erschließen. Das Beispiel der Lehrerfortbildung zeigt, dass wir dabei über das Tagesgeschäft hinaus denken und insgesamt langfristig mit den Projekten an der Zukunft des Malerhandwerks arbeiten. Im Übrigen verhalten wir uns als Verband strikt herstellerneutral, wir arbeiten mit allen zusammen, denen an der Entwicklung der Branche gelegen ist. Gerade sind wir in Gesprächen, um das gemeinschaftliche Anliegen, mehr Markt für das Handwerk zu machen, in neue Aktivitäten zu bündeln.
BTH Heimtex: Sicher gibt es auch Desinteresse?
Siepelmeyer: Ja, Akzo hat die Teilnahe an der "Farbe - Ausbau und Fassade 2007" abgesagt, dieses ist für unser Handwerk eine Enttäuschung.
BTH Heimtex: Warum wäre Ihnen die Teilnahme von Akzo so wichtig gewesen?
Siepelmeyer: Es kann uns nicht freuen, wenn ein Hersteller mit dem internationalen Anspruch von Akzo die Einladung des Handwerks zur weltweit bedeutendsten Fachmesse im Bereich Farbe ausschlägt. Nur bei dieser Messe können wir Innovationen und neue Techniken im Leistungsvergleich zwischen den Herstellern sehen, anders als bei einer kleinen Hausmesse. Ich möchte nicht eine Vielzahl von Hausmessen besuchen müssen, um einen Marktüberblick zu bekommen. Wenn mehr als 54.000 Besucher zur Messe kommen und Neues sehen, ist dies ein wichtiger Impuls zur Endverbraucherwerbung. Die Besucher erleben innovative Produkte und Technologien, die sie in ihrer Kundenansprache direkt einsetzen können. Zudem haben die Architekten längst die Messe als wichtige Veranstaltung entdeckt.
BTH Heimtex: Das müsste die anderen Farbenhersteller doch erst recht motivieren, sich auf der Messe zu engagieren?
Siepelmeyer: Sollte man meinen, und die jetzigen Anmeldezahlen belegen dies auch. Bereits heute ist der Anmeldestand von der "Farbe 2005" weit überschritten. Verschiedene Großhändler haben ihr Engagement erweitert und bieten zusätzliche Besuchsprogramme zur Messe an, um in die Lücke hinein zu stoßen, die Akzo mit seiner Entscheidung hinterlassen hat. Wir wissen um die Reaktionen von Großhändlern, die mit Akzo verbunden sind und sich Hilfe suchend an andere Hersteller gewandt haben, um mit diesen gemeinsame Programme anzubieten, damit sie nicht den Kontakt zum Markt und zum Kunden verlieren.
BTH Heimtex: Hinsichtlich ihrer Lieferanten sind die Maler in zwei Lager gespalten. Die einen bevorzugen den Malergroßhandel und die Malereinkaufgenossenschaften, andere Direktanbieter wie Brillux oder Sto, die ihren Marktanteil als Kofa auf zirka 50 % ausgebaut haben.
Siepelmeyer: Brillux zum Beispiel ist ein Unternehmen, das sehr gute Produkte herstellt und den Malermarkt mit einem pfiffigen Konzept versorgt. Zirka 130 Verkaufsstellen ermöglichen eine beeindruckende räumliche Nähe.
BTH Heimtex: Ist diese räumliche Nähe deshalb so wichtig, weil Maler eher dazu tendieren, abzuholen?
Siepelmeyer: Eine Vielzahl der Marktanforderungen, die auf uns zukommen, können wir nicht planen. Es gehört zum Alltagsgeschäft, kurzfristig auf Kundenentscheidungen reagieren zu müssen - und darauf sind einige Anbieter perfekt eingestellt.
BTH Heimtex: Viele Maler halten ihren Marken ein ganzes Berufsleben die Treue. Gab es für Sie schon einmal einen Grund für einen Wechsel?
Siepelmeyer: Ja, aber das liegt schon 30 Jahre zurück. Damals haben wir fast ausschließlich mit einer Marke gearbeitet, bis der Konzern nicht mehr in der Lage war, bei einer waschbeständigen Innendispersionsfarbe eine gleich bleibende Qualität zu gewährleisten. Das macht man auf Dauer nicht mit. Maler neigen aber nicht dazu, auf einen Schlag zu wechseln, sondern die Produkte eines anderen Herstellers kommen peu à peu zum Einsatz bis schließlich der komplette Bedarf umgestellt ist. Ebenfalls wichtig ist bei einem Wechsel, dass die Mitarbeiter mitziehen.
BTH Heimtex: Wie halten Sie es mit Tapete?
Siepelmeyer: Die Tapetenindustrie bringt ein schickes Muster nach dem anderen auf den Markt und hat auch sonst das Produkt entscheidend weiter entwickelt. Zum Beispiel die moderne Vliestapete, aber, hier braucht man einen absolut gleichmäßigen Untergrund, um mit den landläufigen Ausführungen eine fachgerechte Verarbeitung zu gewährleisten. Dem Selbermacher ist das egal, doch wer als Handwerker Qualität abliefern will, kommt an sehr aufwändigen Vorbereitungen nicht vorbei, und die bekommt man nur schwer bezahlt. Ohne Frage ist es eine tolle Sache, wenn sich die Bahnen bei der nächsten Renovierung problemlos abziehen lassen. Nicht selten kommt es jedoch vor, dass sich die Ecken bereits aufstellen, während der Tapezierer noch im Haus ist. Was auch immer die Ursache ist: Der Maler klebt Tapeten nur noch in geringsten Mengen. Das finde ich schade, weil einige Hersteller richtig schöne Kollektionen anbieten.
BTH Heimtex: Was sollten die Tapetenhersteller tun, damit die Maler wieder mehr Freude an der Tapete haben?
Siepelmeyer: Die Tapeten müssten wieder einfacher in der Handhabung sein, beispielsweise durch einen etwas dickeren Träger. Wie oft kommt es vor, dass nach dem Auftrocknen Mängel sichtbar werden. Die Industrie beruft sich in der Regel auf den Beipackzettel. Die Konsequenz des Malers: Er zaubert sich seine Tapetenoptik selbst. Schließlich verfügen alle wichtigen Farbenhersteller über entsprechende Kreativtechniken. Das war nicht immer so: Als ich anfing zu tapezieren gab es die Schweizer Tapeten-Fabrik Salubra. Die machten traumhaft schöne Tapeten in einer Superqualität. Gelegentlich stoßen wir noch auf Treppenhäuser, die unsere Firma vor Jahrzehnten tapeziert hat. In einigen Fällen streichen wir nur die Decken und Unterzüge, während die Tapeten lediglich abgewaschen werden müssen, und zwar ohne dass sich irgendetwas ablöst. Die drei führenden Tapetenhersteller - A.S Creation, Marburger und Rasch - werden auf der "Farbe- Ausbau und Fassade" eine eigene Sonderschau gestalten. Sicherlich ein positives Zeichen pro Tapete für das Malerhandwerk.
BTH Heimtex: In der Vergangenheit stießen die Innungsstrukturen gelegentlich auf Kritik. Zeichnen sich Veränderungen ab?
Siepelmeyer: Da bewegt sich unheimlich viel. Was keiner für möglich gehalten hat, ist eingetreten: Auf Innungsebene gibt es viele Fusionen und was die Kreishandwerkerschaft betrifft, stellen wir ein Zusammenrücken in vielen Regionen fest, bis hin zu Zusammenschlüssen.
BTH Heimtex: Werden Innungen überhaupt noch gebraucht?
Siepelmeyer: Ja, natürlich. Wenn es um die Aus-, Fort- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter geht, ist die Innung vor Ort unerlässlich. Ergänzende Angebote von Herstellern können durchaus hilfreich sein, sind jedoch meist mit dem Stempel des jeweiligen Unternehmens versehen .Wir sorgen über die Zertifizierung wichtiger Seminare beim HV Farbe - Gestaltung - Bautenschutz dafür, dass bundesweit die Inhalte und Anforderungen vergleichbar sind. Wir wissen im Handwerk am besten, wo wir Schwerpunkte bei der Aus-Fort- und Weiterbildung setzen müssen, um das Qualitätsniveau weiter zu steigern. Die Mitgliedschaft in einer Innung ist die beste Versicherung, die ein Betrieb überhaupt abschließen kann, um im Alltagsgeschäft schnell und unbürokratisch technische, wirtschaftliche oder arbeitsrechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Ein sehr wichtiger Bereich der Verbandsarbeit geschieht fast unsichtbar hinter den Kulissen. Hier werden im Bereich der Normen und Merkblätter wichtige Positionen des Handwerks vertreten und durchgesetzt. Dies gilt auch für die politische Lobbyarbeit.
aus
BTH Heimtex 11/06
(Wirtschaft)