Sachverständigenseminar des ZVPF in Kassel
PU-Beschichtung im Fokus
Die Stühle und Tische im Tagungshotel La Strada in Kassel reichten zunächst gar nicht für alle 138 Teilnehmer des Sachverständigenseminars vom Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik (ZVPF) aus. Der gelungene Themen-Mix der Organisatoren hatte für eine so große Nachfrage unter den Sachverständigen gesorgt. Das Thema PU-Beschichtung von elastischen Belägen sowie einige Parkett-Themen hatten "den Nerv der Sachverständigen" getroffen. Über die Parkett-Vorträge berichtet unsere Schwesterzeitschrift Parkettmagazin ausführlich.
Eine gute Aus- und stetige Fortbildung ist für Sachverständige unerlässlich, betonte Organisator und ZVPF-Vorstand Sönke Stoltenberg schon in seiner Eröffnungsrede. Da neuerdings auch IHK-Sachverständige Handwerksleistungen beurteilen dürfen, müsse man sich bewusst von weniger ausgebildeten Gutachtern abgrenzen. Auch der stellvertretende ZVPF-Vorsitzende Gert F. Hausmann warnte in seiner Begrüßungsrede vor "denjenigen, die bewilligt, aber nicht befähigt sind". Immer häufiger werde man mit Gutachten konfrontiert, die regelrecht falsch seien. "Aber vielleicht schreckt die neue verschärfte Haftungsdauer von zwei Jahren für Sachverständige solche Gutachter vor leichtfertigen Ausführungen ab", hofft Hausmann.
Gleich drei Vorträge auf dem ZVPF-Sachverständigenseminar in Kassel widmeten sich dem Thema PU-Beschichtung von elastischen Bodenbelägen. ZVPF-Vorstandsmitglied Norbert Strehle bemängelte an der PU-Beschichtung von Linoleum, dass das Wasser mehr im Belag gehalten wird als früher beim diffusionsoffenen Finish. Aus seiner Erfahrung als Sachverständiger berichtete Strehle, dass Stippnähte vor zwanzig Jahren verbreitet waren, aber seit Jahren kaum noch auftrat. Jetzt würde das Problem bei elastischen Bodenbelägen wieder auftreten. Strehle kritisierte, dass der Linoleum-Erfinder Frederick Walton 1863 einen Belag aus natürlichen Stoffen entwickelt habe, der jetzt mit einer PU-Beschichtung versehen würde, die ein Inbegriff der chemischen Industrie sei. Strehle stellte die Vermutung in den Raum, dass der Hintergrund für diese Entwicklung die Abdeckung des typischen Geruchs von Linoleum sei.
Karsten Krause, Fachgruppenleiter der Bodenleger im ZVPF, näherte sich dem Thema PU-Beschichtung aus einer anderen Warte: "Parkett ist ohne Oberflächenbehandlung nicht nutzbar, bei elastischen und anderen Bodenbelägen war dies bisher anders, aber die Bodenbelagshersteller wollen sich ja voneinander unterscheiden." Das häufig gehörte Argument "Weniger Aufwand bei Reinung & Pflege" wertete Krause als Marketing-Argument, das nicht zuende gedacht sei. In der Nutzungsphase sei die PU-Schicht stellenweise nicht mehr vorhanden und würde dazu führen, dass die Reinigung & Pflege wesentlich schwieriger würde, als sie vorher je war.
Krause bemängelte auch die fehlende Klärung, was PU eigentlich sei: "Es handelt sich um einen chemischen Begriff, aber Qualitätsstufen sind nicht bekannt, obwohl es ernorme Unterschiede bei den Formulierungen gibt." Die Kunden hätten keine Chance nachzuvollziehen, was "drauf ist". Als Beispiele für PU-Beschichtungen nannte Krause DLW PUR, Tarkett Extreme Finish, Marley PU und Forbo Topshield.
Berger zweifelte Industrieaussagen an
Der dritte Referent zum Thema PU-Beschichtung, Lothar Berger vom Reinigungssystemanbieter Cleanmaster, hatte sich intensiv mit Aussagen der Bodenbelags- und Reinigungsindustrie auseinander gesetzt. Berger war zum Thema PU-Beschichtung auf Aussagen wie "hält während der gesamten Lebensdauer des Belages" gestoßen, die er als Falschaussage bezeichnete. Als weitere Aussagen seitens der Industrie zweifelte er folgende an:
- "Keine Einpflege über die gesamte Lebensdauer des Belages"
- "Es sind keine Pflegeprodukte notwendig"
- "Dauerhafte Kostenreduzierung"
- "... auch die Grundreinigung in regelmäßigen Zeiträumen entfällt nun"
Bergers Tipp zum Umgang mit PU-Beschichtungen lautete: "Man sollte im Einzelfall immer Tests auf dem vorliegenden Belag machen, um festzustellen, wie und womit eigentlich die PU-Beschichtung funktioniert." Die Industrie forderte Berger zu mehr Ehrlichkeit bei der Beschreibung von PU-Beschichtungen auf.
Verschweißen von PU-beschichteten PVC-Belägen
Der Sachverständige Richard A. Kille berichtete über eine eigene Versuchsreihe zum thermischen Verschweißen von PU-/PUR-beschichteten PVC-Belägen. Werkseitig PU-/PUR-versiegelte PVC-Bodenbeläge stellen im Vergleich zu unbeschichteten Oberflächen heterogener und homogener PVC-Bodenbeläge besondere Anforderungen an die Art und Weise der thermischen Verschweißung. Killes Untersuchungen haben gezeigt, dass einerseits die Verarbeiter dieser Bodenbeläge nicht über jedes Detail Bescheid wissen und andererseits die Hersteller selbst manchmal überrascht sind, welche Situationen nach dem thermischen Verschweißen werkseitig schutzversiegelter PVC-Bodenbeläge entstehen.
Kille berichtete, dass vor vielen Jahren homogene Polyolefin-Bodenbelägen mit zusätzlichen Schutzschichten ausgestattet wurden. Damals wurde auch eine spezial Schnellschweißdüse eingeführt, die es vermied, dass es zu Runzelbildungen der Schutzfolien links und rechts von der thermischen Verschweißung kam. Die speziellen Schnellschweißdüsen zeigten als Merkmal einen besonderen, schmalen Luftaustritt, der nicht größer sein sollte als 0,9 mm, um zu gewährleisten, dass die Strömung der heißen Luft sich soweit wie möglich auf den gefrästen Fugenraum begrenzt. Das Problem besteht darin: Je breiter der Luftaustritt einer Schweißdüse ist, desto mehr trifft die > 180 C ausströmende Luft auch auf die Oberfläche des Bodenbelages links und rechts der gefrästen, thermisch zu verschweißenden Fuge.
In der Vergangenheit wurde der Verarbeiter entsprechender Werkzeuge/Geräte beim thermischen Verschweißen von PVC-Bodenbelägen aufmerksam, wenn sich links und rechts der thermischen Verschweißung eine glänzende Spur zeigte. Erfolgte in klassischer Weise eine Grundreinigungsmaßnahme und anschließende Einpflege - letztlich Beschichtung - waren diese aus "Fehlleistungen" resultierenden Begleitspuren neutralisiert.
Während entsprechendes Equipment für Handschweißgeräte verfügbar sind, scheint eine Fußbodendüse mit schmalem Luftaustritt für einen Schweißautomaten eher unbekannt zu sein. Dabei haben Killes Recherchen ergeben, dass tatsächlich die Möglichkeit besteht, Düsen mit schmalem Luftaustritt auch für Schweißautomaten zu bekommen. Das Jonglieren mit der Temperatureinstellung des Schweißautomaten (400 bis 600 C), die Vorlaufgeschwindigkeit in m/min und auch der Einstellung des Luftvolumenstroms erforderte laut Kille eine "filigrane Uhrmacherleistung". Je nach Belag sei das Erzielen eines einwandfreien Ergebnisses manchmal auch unmöglich.
Der Verarbeiter habe damit zu kämpfen, dass thermisch verschweißte Nähte bei PVC-Belägen keine Schutzversiegelung mehr aufweisen. In der Folge kann es links und rechts der thermischen Verschweißungen - je nach Farbgebung des Belages - auf einer Gesamtbreite von 2 bis 3 cm zu dunklen Streifen in Form von Schmutzpartikelanhäufungen kommen.
Kille belegte dies mit Bildern aus seiner Sachverständigentätigkeit. Nach dem dritten betroffenen Großobjekt, bei denen drei Beläge unterschiedlicher Hersteller betroffen waren, startete er seine eigene Versuchsreihe.
Seitens des IFR Köln wird angestrebt, mit den Werkzeug- und Geräteherstellern zu überlegen, ob die alten, klassischen Geräte, letztlich Düsen gegebenenfalls modifiziert werden können, damit wieder ein "Sicherheitspuffer" entsteht, der das Gelingen einer optisch und technisch einwandfreien Schweißnaht nicht dem Zufall überlässt. Kille plant noch in diesem Jahr, PU-beschichtete Kautschukbeläge in weiteren Testreihe zu untersuchen.
aus
FussbodenTechnik 05/06
(Wirtschaft)