Dämmstoffmarkt: Interview mit Bertram Abert und Claus W. Doppler
Welche Auswirkungenhat die neue europäische Normung bei Dämmstoffen?
Die europäische Normung hat bei Dämmstoffen zu neuen Bezeichnungen geführt. Viele Estrichleger sind darüber nicht informiert und benutzen weiter die alten Bezeichnungen. FussbodenTechnik sprach mit Claus W. Doppler, Leiter der Bundesfachabteilung Qualitätssicherung EPS-Hartschaum im Industrieverband Hartschaum (IVH) und mit Bertram Abert, Estrichlegermeister und komm. Bundesfachgruppenleiter Estrich und Belag im Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB).
FussbodenTechnik: Vor kurzer Zeit wurden die europäischen Normen auf dem Estrichsektor auch bei den Dämmstoffen eingeführt und in nationale Anwendungen umgesetzt. Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Anwendung der neuen Normen?
Claus W. Doppler: In Deutschland gelten seit Anfang 2004 für werkmäßig hergestellte Dämmstoffe die harmonisierten europäischen Produktnomen, z.B. DIN EN 13163 für Produkte aus expandiertem Polystyrolschaum (EPS) mit der Verpflichtung der CE-Kennzeichnung. Die Einsetzbarkeit dieser Dämmstoffe in Deutschland wird für die verschiedenen Anwendungsgebiete in der bauaufsichtlich eingeführten Norm DIN V 4108, Teil 10, verbindlich geregelt. Unsere Mitgliedsfirmen haben in kurzer Zeit alle Produkte nach diesen Regelwerken umgestellt und liefern für das Estrichlegerhandwerk aktuell die Anwendungstypen EPS DEO (Wärmedämmung) und EPS DES (Trittschalldämmung) in verschiedenen Varianten.
FT: Können Sie bitte kurz die Abkürzungen erklären?
Doppler: EPS ist expandierter Polystyrolschaum und DEO steht für "Decke unter Estrich ohne Schallschutz". DES beim Trittschallschutz bedeutet "Decke unter Estrich mit Schallschutzanforderungen". Die früheren, alten Bezeichungen hießen PS 20, PS 30 als Wärmedämmstoff bzw. PST als Trittschallschutz.
FT: Wie verbreitet sind diese Bezeichnungen bei den Estrichlegern?
Doppler: Dank der Mitgliedsfirmen vom Industrieverband Hartschaum (IVH) wurden die Estrichleger aufgeklärt und viele verwenden auch die neuen Bezeichnungen in den Angebotstexten. Leider ist die Umstellung der Normen und Anwendungen bei den Planern nur ganz vereinzelt angekommen. Auch etliche Estrichleger - hauptsächlich Betriebe, die nicht in einem Verband organisiert sind - kennen die neuen Bezeichnungen immer noch nicht.
FT: Dann dürfte der Vergleich zwischen zwei Angeboten mit jeweils alter und neuer Norm schwierig sein.
Bertram Abert: Ja, ich erlebe es immer wieder, dass ein Planer eine aufwändige und hochwertige Dämmschicht ausschreibt und dann auf Grund des Preises nur Dämmstoffe für den einfachsten Anwendungsbereich bekommt. Teilweise sogar auch in der Ausführung, weil der Planer die Unterschiede selbst meist nicht kennt.
Doppler: Auch wir bekommen dies täglich mit und sehen, dass wir zusammen mit den entsprechenden Fachverbänden und unseren Mitgliedsfirmen noch mehr in die Offensive gehen müssen - das bedeutet mehr Öffentlichkeitsarbeit.
FT: Welche Auswirkungen hat die neue Normung ansonsten in der Praxis?
Abert: Die europäische Normung hat uns andere Typen von Dämmstoffen gebracht und die Estrichleger können diese nicht unbedingt richtig einsetzen. So beobachte ich den Typ EPS DEO 100 kPa in einer Qualität, dass mir die Haare zu Berge stehen. (EPS DEO 100 kPa bedeutet, dass der Dämmstoff bei einer Belastung von 100 kPa nur 10% gestaucht werden darf, die Redaktion.)
Meiner Meinung nach ist dies ein Rückschritt bei der Qualität. Hier wäre es besser gewesen, dass man unter Estrichen als Wärmedämmung, vor allem dann, wenn diese zusammen mit einer Trittschalldämmung oder in einer Dicke ab 50 mm verlegt wird, mindestens 150 kPa gefordert hätte.
Doppler: Auch unserer Meinung nach wäre die Qualitätstype EPS DEO 150 kPa als Dämmstoff unter Estrichen oder Böden allgemein anzuraten - auch wenn die Norm 100 kPa zulässt.
FT: Sehen Sie das als Empfehlung oder müsste die Norm geändert werden?
Doppler: Meiner Meinung reicht eine Empfehlung im Rahmen gemeinsamer Qualitätsrichtlinien.
Abert: Ich sehe dies genau so. In Verbindung mit Trittschalldämmstoffen sollte man einen Wärmedämmstoff mit 150 kPa verwenden. Ab einer Estrichdicke von 50 mm würde ich ebenfalls die Qualität 150 kPa einsetzen. Jeder verantwortungsvolle Estrichleger sollte diese Option auch seinen Kunden anbieten und sich dadurch von Billiganbietern abgrenzen.
FT: Viele Estrichleger beklagen sich über sprunghafte Preisentwicklung und fehlende Lieferkapazität der Dämmstoffhersteller. Können Sie das bestätigen?
Abert: Ich finde es unmöglich, wenn ein Estrichleger heute ein Angebot abgeben muss, die Arbeitsausführung aber erst in 3 Monaten oder später stattfindet. Der Estrichleger kann die zukünftigen Einkaufspreise für Dämmstoffe gar nicht kennen bzw. deren Preisentwicklung abschätzen.
Doppler: Hier muss man die Hersteller von Dämmstoffen etwas in Schutz nehmen. Diese sind ebenfalls von Vorlieferanten abhängig und diese wieder von der Petrochemie.
Abert: Aber warum trifft es dann die Handwerker? Vertraglich sind die Handwerker an Preise gebunden, die in Angeboten abgegeben werden. Wenn die Situation so weiter geht, sind die Handwerker gut beraten, wenn die Angebote auf eine absehbare Zeit begrenzt werden. Es ist empfehlenswert, eine Preisgleitklausel zu vereinbaren. Hier bräuchten wir dann aber auch die Unterstützung der Industrie, die rechtzeitig darüber informieren muss.
FT: Worauf muss der Estrichleger jetzt besonders achten?
Abert: Meine Empfehlung lautet, bei der Trittschalldämmung nur eine Lage einzubauen. Wenn möglich würde ich auf der Rohdecke Wärmedämmstoffe mit der Qualitätstype EPS DEO 150 kPa verwenden. Die gleiche Empfehlung gilt auch für Dämmstoffdicken ab 50 mm oder als Rohrhöhenausgleich. Im Rahmen der werkseigenen Produktionskontrolle sollte man Lieferscheine prüfen und Beipackzettel der Dämmstoffe in die Bauakte beilegen, damit noch nach Jahren Lieferant oder Herstellerwerk nachvollzogen werden kann. Auch im Schadensfall ist eine vollständige Bauakte hilfreich.
Doppler: Eine geregelte Anwendung der Dämmstoffe nach harmonisierten Normen gemäß der europäischen Bauproduktenrichtlinie setzt die Kenntnis der erforderlichen Produkteigenschaften und die Einhaltung der Mindestwerte voraus. Planer und Handwerker sind gut beraten, nur Dämmstoffe auszuschreiben und einzubauen, deren Werte verbindlich deklariert sind und eine Qualitätssicherung, z.B. durch das Qualitätszeichen der Bundesfachabteilung Qualitätssicherung EPS-Hartschaum (BFA QS EPS) nachweisen.
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Der Industrieverband Hartschaum
Der IVH Industrieverband Hartschaum e.V., Heidelberg, ist der Dachverband der Hersteller von Dämmstoffen aus Styropor und wurde im November 1973 in Frankfurt gegründet. Der Verband besteht derzeit aus 19 Mitgliedern, die über 90 Prozent des deutschen Marktes für EPS-Hartschaum repräsentieren, sowie sechs Rohstoff- und fünf Maschinenherstellern. Weiterhin sind dem IVH befreundete Verbände angeschlossen. Hierzu zählen der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks, der Fachverband Wärmedämm- Verbundsysteme sowie der Bundesverband der Flächenheizungen.
aus
FussbodenTechnik 05/06
(Wirtschaft)