Mattes & Ammann

Nicht zwangsläufig mit dem Strom schwimmen

Meßstetten-Tieringen - Made in Germany: Ein Begriff für die hohe Qualität deutscher Produkte, der heute immer seltener industriell hergestellte Ware auszeichnet. Branchen übergreifend verlagern immer mehr Hersteller ihre Produktion ins Ausland, um Lohnkosten zu sparen und zum Teil um Subventionen abzugreifen. Sieht so die Zukunft der deutschen Wirtschaft aus? Oder kann auch in Deutschland derart kostengünstig produziert werden, dass eine Abwanderung uninteressant wird? Die Mattes & Ammann KG ist ein Fallbeispiel von der schwäbischen Alb, das zeigt, dass eine Standortverlagerung nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss ist.

Bereits in der Jungsteinzeit waren primitive Hochwebstühle bekannt, mit denen erste Textilien aus Wolle, Leinen und Bast gefertigt wurden. In den 5.000 Jahren, die zwischen Ötzis Zeit und unserer Gegenwart liegen, sind die Rohstoffe zwar zum Teil gleich geblieben, die Fertigung hat sich allerdings vom heimischen Webstuhl auf hochmoderne, industrielle Produktion verlagert. So stehen in den Hallen des schwäbischen Familienunternehmens Mattes & Ammann Kettenwirkautomaten, Rundstrick- und Rundwirkmaschinen, die täglich rund um die Uhr Textilien für den Heimbereich und die industrielle Weiterverarbeitung fertigen. Das 1951 von Albrecht Ammann und Christoph Mattes in Meßstetten-Tieringen gegründete Unternehmen beliefert nicht nur die Möbelindustrie und Matratzenhersteller, sondern zählt auch zu den bedeutenden Zulieferern der deutschen Automobilindustrie.

Der Firmensitz der Maschenstoff-Spezialisten befindet sich in einem aufwändig restaurierten Fachwerkhaus, an das sich die modernen Gewerbehallen anschließen. Tradition und Fortschritt verschmelzen so optisch zu einer Symbiose. Ein Detail, das sich zu erwähnen lohnt, vergleicht man es mit einer seit vielen Jahren zu beobachtenden Entwicklung: Laut einer Studie der renommierten Unternehmensberatung Wieselhuber und Partner erzielt ein Viertel aller deutschen Unternehmen über 40 Prozent seines Umsatzes im Ausland - mit steigender Tendenz in den nächsten fünf Jahren. Auch das Institut der Deutschen Wirtschaft gab bekannt, dass im Jahr 2005 etwa sieben Prozent der mittelständischen Industriebetriebe jenseits der Grenzen investierten - für 2006 wird ein Anteil von acht Prozent prophezeit.

Die Nähe zum Markt nutzen

Warum also plant Mattes & Ammann auch für die Zukunft ausschließlich mit dem Produktionsstandort Deutschland? Die Antwort des stellvertretenden Geschäftsführers Werner Moser ist sowohl nahe liegend als auch überzeugend: "Trotz der Globalisierung vergisst man oft, dass Industrieunternehmen Güter zu transportieren haben. Mit einer Produktion vor Ort haben wir also viele Vorteile: Wir sind schneller, liefern vorhersehbarer und pünktlicher und können bei akutem Sendebedarf vor allem sehr schnell reagieren."

Immerhin bleiben 70 Prozent der Textilien des Traditionsunternehmens im heimischen Deutschland. Die für den Export bestimmten 30 Prozent nehmen ihren Weg in alle Staaten Europas, nach Südafrika, Argentinien, Taiwan und China und natürlich in die USA. Obwohl Moser betont, dass es kein Problem sei, binnen sechs Monaten eine Produktionsstätte in einem dieser Länder aufzubauen, schließt er diese Möglichkeit doch gleichermaßen aus: "Natürlich sind billige Löhne und hohe Subventionen der jeweiligen Länder bzw. der EU verlockend. Der Lohnkostenanteil unserer Produkte ist aber vergleichsweise gering, und außerdem vertrauen wir lieber auf die Flexibilität und die sehr gute Ausbildung unserer Mitarbeiter hier in Deutschland." Das hat sich ausgezahlt: Seit 1995 hat das Unternehmen seine Mitarbeiterzahl laut Moser von 108 auf 244 mehr als verdoppelt.

Warum Geiz nicht geil ist

Der Erfolg spricht für die Strategie von Mattes & Ammann: Lag der Gesamtumsatz des Unternehmens 1995 noch bei umgerechnet 34,6 Mill. Euro, ist er elf Jahre später bereits auf 58,0 Mill. Euro gestiegen - und das auf dem hart umkämpften Textilmarkt, auf dem der Preisdruck immer weiter steigt. Immer größer wird jedoch auch der Anteil der Kunden, die bereit sind, für Qualität einen angemessenen Preis zu zahlen. Deshalb stellt sich Mattes & Ammann auf die Wünsche seiner Abnehmer ein. Die Nachfrage regelt das Geschäft.

Nachdem das Unternehmen die Produktion der Matratzenbezugsstoffe bereits 2005 um 35 Prozent erhöht hat, steigt die Produktion in 2006 abermals um 40 Prozent. Und auch die neue Economy-Produktlinie ist speziell auf definierte Abnehmer zugeschnitten: Durch den Einsatz von Garnen aus Asien und den GUS-Staaten in Kombination mit leichteren Warengewichten entstehen bei Mattes & Ammann seit dem Herbst 2006 Heimtextilien, die besonders für Discounter und Versender interessant sind. Vom geographischen Standpunkt aus gesehen, plant das Tieringer Unternehmen zwar, den osteuropäischen Markt in Zukunft stärker zu bedienen. Denn die Kaufkraft im Osten wächst, und wo Geld ist, soll auch die Ware nicht auf sich warten lassen. Doch die Produktion bleibe hier, versichert Moser.

Firmenchef Christoph Larsen-Ammann sieht verschiedene Gründe für die überaus erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens in den letzten Jahren. Eine permanente Modernisierung des Betriebes bei hoher Investitionsbereitschaft, eine konsequente Qualitätspolitik, kunden- und anforderungsspezifische Produktentwicklungen sowie nicht zuletzt eine hohe Servicebereitschaft durch umfangreiche Lagerhaltung sind für ihn die Erfolgsfaktoren, welche die Grundlage für das starke Umsatzwachstum gelegt haben. "Außerdem pflegen wir kein "Gießkannenprinzip", sondern sind sehr exklusiv und damit sehr individuell in unserer Kundenbetreuung", so Larsen-Ammann.

Kapazitäten mehr als verdoppelt

Für die Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele mussten auch die Kapazitäten von Mattes & Ammann den steigenden Anforderungen angepasst werden. Bei einer Produktionssteigerung von anfangs 14,4 Mill. qm Textilien im Jahr 1995 auf nahezu 50 Mill. qm in 2006 ist es nur logisch, dass sich auch die Zahl der Maschinen im gleichen Zeitraum von 196 auf 455 weit mehr als verdoppelt hat. Eine Entwicklung, die zeigt, dass ein Unternehmen nicht zwangsläufig mit dem Strom schwimmen muss, um erfolgreich zu sein. Laut Werner Moser lebt Mattes & Ammann die eigene Interpretation des Begriffs "Globalisierung" vor: Nicht die oft kostengünstigere Produktion im Ausland sei entscheidend, sondern die Produktion hochwertiger Produkte für das Ausland mache den Unterschied. Zumindest in Deutschland. Und zumindest für Mattes & Ammann.


Mattes & Ammann - Firmentelegramm

Mattes & Ammann KG
Fabriken feiner Maschenstoffe
Brühlstraße 8
72469 Meßstetten-Tieringen
Tel.: 07436/877-0
Fax: 07436/1895
Bildtelefon: 07436/877-20
Mail: info@mattesammann.de
www.mattesammann.de

Vorstand:
seit 2003 Alleininhaber: Christoph Larsen-Mattes
Geschäftsführer: Werner Moser
Umsatz 2006: rund 58 Mill. Euro
Exportquote: rund 30 Prozent
Output 2006: knapp 50 Mill. qm Textilien
Kapazitäten: 244 Mitarbeiter, 455 Maschinen
Produktionsstandorte: Meßstetten-Tieringen, Obernheim
Produkte:
Rundstrickerei und -wirkerei:
- doppel- und einflächige Jacquardqualitäten
- Uni-Qualitäten
- Frottee-Qualitäten in Hoch-Tief- und Mehrfarbentechnik
- Uni-Frottee-Qualitäten
- Velours-/Rauhqualitäten in Hoch-Tief- undMehrfarbentechnik
Kettenwirkerei: Velours, Samt, Filet, Tüll, Charmeuse, Schlingengewirke, Polware
aus Haustex 01/07 (Wirtschaft)