2. Zukunftssymposium des Gesamtverbandes Deutscher Holzhandel
Von Mega-Trends und Mini-Baumärkten
Nach dem großen Erfolg des ersten Zukunftssymposiums entschied sich der Gesamtverband Deutscher Holzhandel (GD Holz) zu einer Neuauflage der Veranstaltung. Und der Erfolg gab den Organisatoren Recht: Rund 170 Holzhändler und Industrievertreter haben sich in Kassel, über zukünftige Entwicklungen bei Bau- und Heimwerkermärkten, über Mega-Trends und Future Business informiert.
Die Zukunftsfähigkeit des Holzhandels stellte Gastgeber und GD-Holz-Vorstandsmitglied Jürgen Roggemann in den Vordergrund seiner Begrüßungsworte. Nur die Holzhändler, die sich intensiv mit Zukunftsentwicklungen auseinander setzen, würden den anhaltenden Strukturwandel der Branche erfolgreich überstehen. Auch wenn sich das aktuelle Geschäftsjahr vergleichsweise gut entwickelt, mahnt Roggemann: "Wer nicht zu den Besten gehört, wird früher oder später vom Markt verschwinden."
Holzhandel und Baumärkte liegen gleichauf
Dabei wird die Entwicklung der Holzbranche wesentlich auch von den Strategien des Wettbewerbs beeinflusst. Heute haben Bau- und Heimwerkermärkte einer BBE-Studie zufolge im Bereich Holz und Holzwerkstoffe (ohne Bauholz) mit 1,1 Mrd. EUR einen ähnlich hohen Anteil am Endverbrauchermarkt wie der Holzhandel selbst. Da die Ergebnisse bei Bau- und Heimwerkermärkten laut Ulrich Eggert (BBE-Unternehmensberatung) aber seit Jahren stagnieren, sucht diese Branche händeringend nach neuen Strategien.
Großflächen erweitern Dienstleistungsangebot
Grundsätzlich übersteige die Nachfrage nach Dienstleistungen in Deutschland heute die Waren-Nachfrage. Mehr als 50% ihrer Ausgaben verwenden die Deutschen mittlerweile für Dienstleistungen. Immer öfter bietet der Handel nicht mehr nur die reine Ware an, sondern Produkte in Kombination mit verschiedenen Zusatzleistungen. Entsprechend bemühen sich auch die Bau- und Heimwerkermärkte um eine Ausweitung ihres Dienstleistungsangebots und greifen damit den Fachhandel in einer seiner Kernkompetenzen an.
Baumärkte erweitern Sortimente
Auch die verstärkten Bemühungen der Baumärkte um Handwerkskunden könnte der Holzhandel zu spüren bekommen, schätzt Ulrich Eggert. Darüber hinaus sehe der Wettbewerb des Holzhandels seine Zukunft in einer weiteren Ausdehnung des Sortiments. Einerseits würden die bestehenden Sortimentsgruppen breiter angelegt. Andererseits entwickeln sich Bau- und Heimwerkermärkte mehr und mehr zu Freizeit- und Einrichtungsmärkten und bieten zunehmend neue Produktgruppen an. Damit macht diese Branche u.a. dem Möbelhandel schwer zu schaffen, der aus Sicht von Eggert schwierige Jahre mit zunehmendem Wettbewerb noch vor sich hat.
Eine weitere Strategie sei die Einrichtung von Mini-Baumärkten. Bereits jetzt entstehen vereinzelt so genannte Nachbarschaftsmärkte, in denen Baumarktketten auf einer relativ kleinen Fläche ihre Kernsortimente vertreiben. Damit reagieren die Bau- und Heimwerkermärkte laut Ulrich Eggert vor allem auf den verstärkten Wettbewerb durch die Lebensmitteldiscounter. Mit ihren rollierenden Non-Food-Sortimenten machen diese schon jetzt den Baumarktkonzernen Konkurrenz, möglicherweise folgen in Zukunft ganze Non-Food-Geschäfte von Aldi, Lidl und Co.
Grenzen des Discounts sind erreicht
Bau- und Heimwerkermärkte sind nur eine Wettbewerbsgruppe des Holzhandels. Dr. Susanne Eichholz-Klein, ebenfalls von der BBE-Unternehmensberatung, erläuterte in ihrem Vortrag die aktuelle Situation im deutschen Handel. Gekennzeichnet sei der Handel in Deutschland von einem schwachen privaten Konsum, der seit Beginn der 90er Jahre nur um 3,0% zugenommen habe. Im Einzelhandel inklusive Kfz-Handel, Tankstellen und Apotheken lagen die Umsatzzuwächse bei mageren 1,5%. Der Einzelhandel im engeren Sinne habe sogar seit mehr als einem Jahrzehnt mit stagnierenden Umsätzen auskommen müssen.
Gewinner des Wettbewerbs um die schmalen Geldbörsen der Verbraucher waren im letzten Jahrzehnt Discounter aller Art. Nicht nur die Umsätze der Lebensmitteldiscounter legten laut BBE-Studie seit 1995 deutlich zu, auch SB-Warenhäuser, E-Commerce und Fachmärkte zeigten positive Umsatzentwicklungen. Versandhandel, Supermärkte, traditioneller Fachhandel und Kauf-/Warenhäuser hingegen mussten in den letzten zehn Jahren teilweise deutliche Einbußen hinnehmen.
Doch die BBE-Expertin meint, dass die Grenzen des Discounts erreicht sind. Schon jetzt zeige sich, dass nur der Discount allein den Endverbraucher auf Dauer langweilt. "Convenience und Erlebnis" seien weitere wichtige Bedürfnisse der Konsumenten. Deswegen ist nach Einschätzungen von Eichholz-Klein entscheidend, dass die Vielfalt des Handels erhalten bleibt, weil sonst der gesamte Konsum in Deutschland weiter sinkt.
Veränderte Kundenerwartungen
Erwartungen der Kunden waren das Thema von Prof. Dr. Norbert Bolz (TU Berlin) auf dem Zukunftssymposium des GD Holz. Da die heutige Wohlstandsgesellschaft keinen echten Bedarf an bestimmten Produkten mehr hat, wird die Nachfrage viel mehr von Wünschen gesteuert. Vor allem Produkte mit einem "spirituellen Mehrwert" stoßen beim Konsumenten auf großes Interesse, beobachtet Bolz. Die Käufer müssten von den Produkten "verführt" werden. Technikthemen hingegen hätten kaum eine Chance, weil der Kunde fast immer als Laie einkaufe. Statt dessen wünscht sich der Käufer ein Produkt, "mit dessen Hilfe er jemand anderes sein kann". Starke Marken haben in diesem Zusammenhang laut Bolz eine große Bedeutung, weil sie "wie eine Nussschale mit einer prägnanten Geschichte den spirituellen Mehrwert transportieren".
Weltweite Mega-Trends
Aus Sicht von Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx gibt es weltweit einige so genannte Mega-Trends. Convenience und Gesundheit im Allgemeinen stoßen überall auf Interesse. Handel und Industrie sollten sich nicht nur mit seniorengerechten Produkten und Dienstleistungen auf eine alternde Bevölkerung einstellen, sondern auch mit Produkten rund um das Thema "Down-Aging". Aber auch das Erstarken des weiblichen Geschlechts sei eine grundlegende Entwicklung in den meisten Märkten, dem der Handel Rechnung tragen muss. Die Globalisierung führt Horx als einen weiteren Mega-Trend an. Statt nur die produktionsseitigen Einflüsse der Globalisierung zu sehen, könnten sich Industrie und Handel auch mit 2 Mrd. zusätzlicher Kunden beschäftigen.
Zukunftsstrategie des Großhandels
Prof. Dr. Joachim Zentes von der Universität Saarbrücken bestätigte in seinem Vortrag "Innovative Geschäftsmodelle als Zukunftsstrategie des Großhandels" die Entwicklung zur Globalisierung. So sei der Großhandel und insbesondere der Holzgroßhandel bereits seit Generationen auf der Beschaffungsseite international tätig - im Verkauf sind die Großhändler aber international überraschend selten aktiv.
Eine andere Zukunftsperspektive sieht Zentes in einer stärkeren vertikalen Integration des Großhandels. Wenn es dem Händler gelingt, wie "eine Spinne im Netz" wichtiger Bestandteil des Vertriebs zu werden, könne er von der Industrie nicht mehr umgangen werden. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang,wer die Führerschaft im Distributionskanal hat. Bei einer stärkeren vertikalen Integration muss der Großhandel daher aufpassen, dass er nicht zum reinen Dienstleister der Industrie wird, rät Zentes.
aus
Parkett Magazin 06/06
(Wirtschaft)