Energie-Symposium Gesamttextil
Kostenanstieg bereitet große Sorgen
Berlin - "Energie ist so teuer wie nie zuvor in Deutschland, und das trifft die Textil- und Modeindustrie in diesem Lande in mittlerweile existenzieller Weise. Was seit 2001 in erster Linie den Preis in die Höhe getrieben hat, ist eindeutig in den Kassen der Versorgerindustrie gelandet. Und dort verbleibt der Überschuss auch, wie die Bilanzen zeigen", so Dr. Meyer-Stork, Geschäftsführer des Textilveredlungs-Unternehmens Windel in Bielefeld. "Es werden Entgelte gefordert, die die Kosten in einer derartig unangemessenen Weise überschreiten, dass es sich offenkundig um Missbrauch handelt."
Im Rahmen seiner Jahresmitgliederversammlung veranstaltete der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie Ende letzten Jahres in Berlin ein Energie-Symposium, an dem neben Dr. Meyer-Stork auch Vertreter aus Politik und aus der Energiebranche teilnahmen. Kompetent moderiert wurde die Veranstaltung von Anja Kohl von der ARD.
"Energiepolitik ist Standortpolitik", dies machte der Präsident des Gesamtverbandes Peter Schwartze bei der Eröffnung des Symposiums deutlich. "Steigende Energiekosten bedeuten für die kleinen und mittelständischen Unternehmen unserer Branche, dass das Geld an anderer Stelle fehlen wird. Forschung wird beispielsweise zurückgestellt, somit Innovation verhindert und Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt eingebüßt. Doch gerade dies kann sich eine innovative und global agierende Branche wie die Textil- und Modeindustrie nicht leisten."
Der Strompreis für das Mengenband, in dem die deutsche Textilindustrie aufgrund ihrer mittelständischen Prägung liegt, ist in den letzten 24 Monaten durchschnittlich um über 21 Prozent gestiegen (Quelle: Statistisches Bundesamt). Noch dramatischer stellt sich die für die Branche ebenso relevante Gaspreisentwicklung dar: Hier betrug der Anstieg im gleichen Zeitraum unvorstellbare 51 Prozent. Vollstufige Textilunternehmen (mit Spinnerei, Weberei und Veredlung) in der typischen Größenordnung von 100 bis 300 Mitarbeitern hätten dadurch Energiekostensteigerungen zu verkraften, die sich auf Dimensionen von 10 Prozent des Umsatzes belaufen, so Dr. Meyer-Stork. Der enorme Anstieg der Kosten treibe nur die Produktionsverlagerung ins Ausland voran - eine "Lösung", die ja nicht gerade als nachhaltig bezeichnet werden könne.
Dr. Meyer-Stork bringt die Position der deutschen Textilbranche auf den Punkt: "Die deutsche Textilindustrie möchte weiter hier im Inland produzieren und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze bieten. Wir brauchen Chancengleichheit gegenüber unserer größtenteils ausländischen Konkurrenz. In dem für uns wichtigen Energiesektor ist das heute in eklatanter Weise nicht der Fall. Das gefährdet akut die Zukunftsfähigkeit unserer Branche, die sich mit unternehmerischem Mut, Innovationsfähigkeit und Durchhaltevermögen den Herausforderungen des Weltmarktes stellt."
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde immer wieder eines deutlich: es muss sich etwas tun, und zwar sehr schnell, da sonst der Standort Deutschland aus Sicht der Textilproduktion "gestorben" ist. Die hohen Energiekosten resultieren laut Franzjosef Schafhausen (BMU) aus der Knappheit der fossilen Ressourcen und der gestiegenen Energie-Nachfrage in China und Russland - was rar ist, wird eben teurer. Hinzu komme der fehlende Wettbewerb auf dem Energiemarkt. Als Unternehmen müsse man also energieeffizienter wirtschaften, meint Schafhausen. Doch gerade dies tut die Textil- und Modebranche bereits seit Jahren. Die Praxis zeige leider immer wieder, dass das durch Effizienzsteigerung eingesparte Geld für die steigenden Energiekosten ausgegeben werden muss. Dass Effizienz allein nicht ausreicht, bestätigte auch Dr. Richmann vom Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK).
Beim Energiehandel geht es nicht länger um Energie oder gar um den Endkunden - es ist vielmehr ein Finanzmarkt. Es sei nicht mehr wichtig, wo man Strom kaufe, sondern wann, meinen Dr. Richmann und Dr.-Ing. Klaus Straßburger (EnergyLink München). Und wie kann der Mittelstand hier Kosten sparen? Durch die Kontrolle der Preise an der Leipziger Börse? Doch dies kann kein Mittelständler leisten. Sollen mittelständische Unternehmen eigene Kraftwerke betreiben? Dies mache keinen Sinn, so Michael Groß von LichtBlick, Hamburg, denn auch wer selber Strom produziert, müsse die Strombörse als Leitindikator im Auge behalten.
Deutlich wurde während der Podiumsdiskussion eines - es bedarf konkreter Aktionen seitens der Politik, und zwar schnellstmöglich. Der Gesamtverband textil+mode wird als Interessensvertretung einer der wichtigsten Industriezweige Deutschlands sowohl auf deutscher als auch auf europäischer politischer Ebene Aufklärung betreiben und auf die Auswirkungen der steigenden Energiekosten für die kleinen und mittelständischen Unternehmen unter dem Aspekt der Sicherung des Standortes Deutschland aufmerksam machen.
aus
Haustex 02/07
(Wirtschaft)