Dr. Roland Krieger zum OPS-Gesetz aus Sicht der deutschen Klebstoffindustrie
"Wenn das Handwerk nicht bald reagiert, muss auch bei uns der Gesetzgeber eingreifen"
Auch in Deutschland kommen die vor allem bei der Parkettverlegung noch immer dominierenden Lösemittelkleber zunehmend in die Kritik. Dr. Roland Krieger, Uzin-Entwicklungschef und TKB-Vorsitzender, bewertet das niederländische Lösemittelverbot aus Sicht der deutschen Klebstoffindustrie und erklärt, was deutsche Verarbeiter beim Einsatz von Lösemittelprodukten bereits heute beachten müssen.
Uns hat die relativ kurzfristige und sehr rigide Maßnahme in Holland überrascht. Gleichzeitig waren wir gespannt, wie vor allem die Parkettleger den raschen Umstellungszwang bewältigen werden, zumal bei uns in Deutschland immer so getan wird, als gehe ohne Lösemittelklebstoffe "die Parkettwelt unter". Über den Bereich Bodenbelagarbeiten brauchen wir hingegen nicht mehr reden, denn dort ist die vollständige Umstellung auf lösemittelfreie Produkte entweder bereits vollzogen oder zumindest in jedem Fall kurzfristig realisierbar.
Wenn in den Niederlanden der Verbrauch von Lösemittel-Parkettklebstoffen in nur eineinhalb Jahren von 80 % auf 50 % zurückgegangen ist, muß man schon deshalb von einem Erfolg des OPS-Gesetzes sprechen - egal, ob man nun gesetzliche Regelungen für wünschenswert hält oder nicht. Mit häufigeren Kontrollen und Sanktionen wird sich dieser rückläufige Trend nämlich sicher fortsetzen - und das muß das Ziel sein, nicht nur in Holland.
Ist bei uns ebenfalls ein Verbot lösemittelhaltiger Produkte zu erwarten?
Für eine vergleichbare Verbotsregelung in Deutschland sehen wir im Augenblick weit und breit keine Anzeichen. Es sind uns auch keine Aktivitäten bekannt, die in diese Richtung gehen würden - z.B. von den Bau-Berufsgenossenschaften oder der Bundesanstalt für Arbeitsschutz. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Wenn das bei uns in Deutschland so weiter geht - mit nach wie vor um die 80 % Mengenanteil stark lösemittelhaltiger Parkettklebstoffe, obwohl wir inzwischen einen ganzen Bauchladen hervorragender Alternativprodukte anbieten - dann wird auch bei uns irgendwann der Gesetzgeber tätig werden müssen.
Warum sich nämlich bei uns trotz aller Appelle und Möglichkeiten nichts ändert, hat wohl weniger technische als vielmehr massive wirtschaftliche Gründe. Mit dem Lösemittelkleber kann man nämlich konkurrenzlos schnell und billig arbeiten. Und deshalb wird auch niemand die Finger von dieser Klebstoffart lassen, solange sich die Rahmenbedingungen nicht einheitlich und verbindlich für alle ändern.
Die Schweizer haben diese Rahmenbedingungen mit Einführung einer Lösemittelabgabe geändert, also mit einer massiven Verteuerung der Lösemittelklebstoffe - die Holländer mit einem direkten Verbot. Beides funktioniert offensichtlich. Jetzt bei uns darauf zu warten, daß auf freiwilliger Basis oder auf Grund einer TRGS 610 auf Lösemittel-Parkettklebstoffe verzichtet wird, halten wir für utopisch. Das hängt vor allem mit dem spezifischen Marktgeschehen und dem Sub-Unternehmer-Wesen in Deutschland zusammen, bei dem es gnadenlos um jeden Pfennig geht. Im Szenario dieser freien Marktwirtschaft sind dann auch vereinzelte Appelle, die Hersteller sollten doch einfach keine Lösemittelklebstoffe mehr herstellen oder sie sehr teuer machen, zwar gut gemeint, aber doch eher etwas naiv.
Was muss der deutsche Boden- bzw. Parkettleger bereits heute beachten?
In Sachen Arbeitsschutz - auf den auch das holländische OPS-Gesetz abzielt - greift bei uns primär die Gefahrstoffverordnung und damit zusammenhängend die TRGS 610. Wenn tatsächlich alles eingehalten würde, was dort in verklausulierter Form und mit vielen Ausnahmemöglichkeiten vorgeschrieben ist, dann würde schon heute kein Parkettleger mehr zu einem Lösemittelprodukt greifen. In der Praxis wird davon allerdings offensichtlich nichts oder nicht viel eingehalten, denn sonst würde das derart auf die Kalkulation durchschlagen, daß das letzte Kilo Lösemittelkleber bereits verarbeitet wäre.
Es ist also eine schlichte Frage der Kontrollmöglichkeiten und hier sieht es bei uns eher düster aus. Kurzzeitige Baustellen sind denkbar ungünstige Orte für Kontrollen: Den Aufsichtsämtern fehlt das Personal und viele Sub-Unternehmer haben eine "Halbwertszeit", die sich in Monaten oder maximal einigen Jahren bemessen läßt. Hier gibt es also - TRGS hin, Gefahrstoffverordnung her - leider zahlreiche Möglichkeiten, um so weiter zu arbeiten wie gewohnt.
Neuerdings wird allerdings auch im Parkettbereich der Arbeitsschutz zunehmend von Aspekten des Verbraucherschutzes überlagert. Wenn das eine auch noch erfolgreich ignoriert werden kann, ist der Verbraucher immer weniger gewillt, sich vom Parkettleger Lösemittel ins Wohnzimmer bringen zu lassen. Bei Bodenbelagarbeiten setzt man sich mit diesem Problem schon seit 15 Jahren auseinander und hat es mit sehr emissionsarmen Produkten (Emicode EC 1) auch bereits weitgehend gelöst.
Die Parkettleger kommen hingegen erst jetzt mehr ins "Schussfeld" und realisieren vielfach noch gar nicht, daß sie mit den gewohnten Lösemittelprodukten offenbar etwas falsch machen.
Hier bahnt sich nämlich ebenfalls an, daß verbraucherfreundliche Gerichte allein im Nachweis erhöhter Lösemittelkonzentrationen in der Raumluft und in einem dadurch verursachten subjektiven Bedrohungsgefühl der Nutzer den Grund für eine berechtigte Mängelrüge sehen. Nachbessern geht in solchen Fällen nicht - es kann also recht teuer werden. Der Verbraucher hat wesentlich bessere Karten als der Arbeitsschützer, weil es hier sofort und direkt an die Kasse geht. Noch haben Geruchs- und Raumluftprobleme im Parkettbereich kein allzu großes Ausmaß. Aber die Zahl der Fälle nimmt zu. Das sollte Grund genug für jeden Parkettleger sein, sich jetzt und heute schon mit den lösemittelfreien Alternativprodukten vertraut zu machen.
Weil das wirtschaftliche Umfeld gleich geblieben ist, hat die TKB dem Parkettleger in der Fachpresse kürzlich einige pragmatische Ratschläge hinsichtlich "Emissionen aus stark lösemittelhaltigen Parkettklebstoffen" gegeben. Wichtigster Punkt: Den Auftraggeber unbedingt über vorgesehene Lösemittelprodukte aufklären und ein lösemittelfreies Alternativangebot abgeben. Damit läßt sich zwar das Gesamtproblem nicht ganz lösen, aber zumindest ein Einstieg in den Ausstieg wäre damit gemacht.
aus
Parkett Magazin 05/01
(Wirtschaft)