Domotex 2001: Verlegewerkstoffindustrie setzt auf Innovationen
Unerwartete Neuheiten-Flut
Mit einer unerwarteten Vielzahl an Neuprodukten stellte die Verlegewerkstoff-Industrie auf der diesjährigen Domotex wieder einmal ihr Innovationspotential unter Beweis. Kompetente Newcomer auf der Anbieterseite sorgten zusätzlich für ein spannendes Messeangebot. Emissionsreduzierte Produkte erobern sukzessive die Sortimente - jetzt auch auf breiter Front bei der Parkettverlegung. Darüber hinaus wurden bestehende Systemlösungen mit interessanten Zusatzeigenschaften ausgestattet. Alternative Verlegemethoden treten wieder in den Hintergrund.
von Sven RutterNach der umstrittenen Messe-Abstinenz der Mitglieder der Gemeinschaft emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe (GEV) im vergangenen Jahr präsentierte sich die Verlegewerkstoff-Industrie auf der Domotex 2001 wieder nahezu geschlossen dem Fachpublikum - bis auf wenige Ausnahmen, die sicher auf die unglückliche Überschneidung mit der für die technisch orientierten Anbieter sehr attraktiven Münchener Baufachmesse zurückzuführen sind.
Die selbsterklärte Weltmesse für Teppiche und Bodenbeläge konnte sich damit also auch in Sachen Verlegetechnik als wichtiges Branchenforum behaupten - zumindest vorerst. Ein zweijähriger Messerhythmus wird in der Technik-Halle 18 zwar nach wie vor ernsthaft diskutiert - von einer einheitlichen Strategie ist man jedoch noch weit entfernt. Die rasanten Veränderungen in der Branche - auf der Produkt- wie auf der Anbieterseite - lohnen auf jeden Fall den jährlichen Messebesuch. Im Markt sorgen vor allem die zahlreichen Neueinsteiger der letzten Jahre für anhaltend frischen Wind - und damit auch stets für eine interessante Neuordnung der Halle 18. Zumal es sich vielfach um sehr potente Mitbewerber handelt.
Mapei baut Marktposition weiter aus
Hinzu kommen kompetente Anbieter aus dem Ausland - allem voran aus Italien. Schon seit einigen Jahren dabei und dennoch scheinbar ungebremst im Aufwind präsentierte sich Mapei in Hannover. Nachdem in relativ kurzer Zeit neben einer Vertriebsgesellschaft auch eine Anwendungstechnik und zuletzt eine Produktion in Deutschland entstanden, versteht sich die hiesige Tochtergesellschaft des italienischen Bauchemie-Konzerns - einem der größten weltweit - mittlerweile als rundherum deutsches Unternehmen.
Deutschland-Geschäftsführer Hans-Dieter Albreit konnte in Hannover für das abgelaufene Geschäftsjahr ein 33-prozentiges Umsatzwachstum verkünden: "Das ursprünglich für 2001 angepeilte Umsatzziel von 60 bis 70 Mio. DM haben wir bereits erreicht." Darüber hinaus hat sich die Mitarbeiterzahl im vergangenen Jahr gegenüber 1999 auf insgesamt 120 nahezu verdoppelt. Personell verstärkt wurden vor allem Vertrieb und Anwendungstechnik. Nunmehr 18 qualifizierte Fachleute betreuen das Handwerk bundesweit in technischen Fragen.
Auch in Sachen Produkttechnik präsentierte sich Mapei auf zeitgemäßem Niveau: "Sehr emissionsarm bei gleichzeitig überzeugenden technischen Eigenschaften", lautet auch hier das Leitmotto. Alle entsprechend gekennzeichneten Produkte läßt das Unternehmen vom Aachener Teppich-Forschungsinstitut (TFI) fremd-überwachen. Auf dem mit 247 qm gewohnt großen, jedes Jahr aufwendig neu gestalteten Messestand wurden unter anderem schnelle Renovierungssysteme vorgestellt.
SLC Rinaldi kündigt neue Generation sehr emissionsarmer Klebstoffe an
Durch hochwertige Produkte will auch SLC Rinaldi überzeugen. Der italienische Marktführer bei Parkettklebstoffen hat sich in Deutschland ebenfalls hohe Ziele gesteckt: 8 bis 10 % Marktanteil in den nächsten 10 Jahren hält Prokurist Dr. Agostino Botti, der die deutsche Dependance in Stuttgart leitet, für realistisch.
Spätestens seit der Übernahme durch Kerakoll im vergangenen Jahr dürfte das Unternehmen auch unter den etablierten deutschen Anbietern als ernstzunehmender Wettbewerber gelten. Die neue italienische Muttergesellschaft zählt zu den fünf größten Herstellern von Keramikklebstoffen und Produkten für die Gebäudesanierung in der Welt. SLC hat sich vor allem bei PU-Produkten einen Namen gemacht. Seit einigen Jahren steht allerdings auch ein umfangreiches Programm an Dispersionsklebstoffen, Vorstrichen und Spachtelmassen für die Verlegung von textilen und elastischen Belägen zur Verfügung. Verkaufsleiter Gerhard Berneburg kündigte in Hannover zudem die umgehende Einführung einer neuen Generation sehr emissionsarmer Bodenbelagsklebstoffe an. Produktprüfung, Einstufung und Kennzeichnung sollen in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland erfolgen.
Deutsche Markenanbieter setzen auf internationales Wachstum und hohes Innovationspotential
Die etablierten deutschen Markenanbieter zeigten sich in Hannover dem verstärkten Wettbewerb allerdings durchaus gewachsen. Auch sie setzen angesichts des enger werdenden Marktes auf das vielzitierte Stichwort "Globalisierung": Sowohl der deutsche Marktführer Henkel-Thomsit sowie auch Uzin als unumstrittene Nummer 2 vermeldeten Steigerungen im Auslandsgeschäft und kündigten einen weiteren Ausbau der internationalen Aktivitäten an.
Dabei wird jedoch der deutsche Markt keineswegs vernachlässigt: Nahezu alle deutschen Verlegewerkstoff-Hersteller begegnen der verschärften Wettbewerbssituation im Inland mit einem verstärkten Engagement in den Bereichen Produktentwicklung und Service. Das schlug sich auch im Messeangebot nieder: Dem Fachhandwerk wurde in Hannover eine unerwartete Vielzahl an Neuheiten gezeigt - effiziente Lösungen für vielfältige Verlegeprobleme und Komponenten zum Aufbau eines zeitgemäßes Leistungsangebots.
Hatte sich nicht das Gros der deutschen Verlegewerkstoff-Hersteller gerade mit dem Hinweis auf die angeblich langen Entwicklungszyklen in der Bauchemie-Branche für einen zweijährigen Messerhythmus ausgesprochen? Allerdings liegt in der Messe-Abstinenz vieler Anbieter im vergangenen Jahr sicher auch ein wesentlicher Grund für die große Zahl an Messeneuheiten auf der diesjährigen Domotex.
Spitzenreiter waren auch hier Uzin und Thomsit, bei denen wir jeweils eine ganze Liste verschiedenster Sortimentsergänzungen fanden - darunter viele bewährte Systeme mit interessantem Zusatznutzen, vom "Flüsterkleber" für Laminatböden bis zur Schutzmatte gegen elektromagnetische Strahlung. Auch die anderen deutschen Markenanbieter stellten durch diverse Produktneuheiten das Innovationspotential der Branche unter Beweis.
"Sehr emissionsarm" ist mittlerweile unbestrittener Stand der Technik
Im Mittelpunkt der Produkttechnik standen nach wie vor die Stichworte "Emissionen" und "Geruchsbeanstandungen" - allerdings mit anderem Tenor als noch vor einigen Jahren. Als 1997 die Diskussion um Verlegewerkstoffe und Raumlufthygiene parallel zur Gründung der GEV und der Einführung der Emicode-Kennzeichnung ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass emissionskontrollierte Produkte schon in wenigen Jahre zum Standard werden würden. Die diesjährige Domotex zeigte jedoch unverkennbar, dass "sehr emissionsarm" heute für alle Markenanbieter eine ebenso ernstgenommene wie selbstverständliche Produkteigenschaft ist. Neuentwicklungen ohne entsprechende Einstufung waren kaum noch zu finden.
Jetzt lautet das Ziel der Industrie, den dominierenden Anteil der neuen Produktgeneration in den Sortimenten auch in entsprechende Marktanteile umzusetzen. Sprich: Die Verwendung sehr emissionsarmer Verlegewerkstoffe auch auf der Baustelle zur Selbstverständlichkeit zu machen - zumal jüngste Gerichtsentscheidungen nach einschlägigen Geruchs- oder Emissions-Reklamationen dem Verarbeiter eigentlich keine Wahl mehr lassen.
Bei der Teppichbodenverlegung wurde in diesem Zusammenhang schon viel erreicht. Für textile Beläge kommen bereits überwiegend sehr emissionsarme Produkte zum Einsatz. Mit entsprechenden Auswirkungen für die Praxis: Mehrere Verlegewerkstoff-Anbieter berichteten in Hannover von einem deutlichen Rückgang der Geruchsreklamationen - und das bei zunehmender Sensibilisierung der Verbraucher gegenüber möglichen Raumluftbeeinträchtigungen.
Bei den elastischen Belägen steht dank der Entwicklung funktionierender emissionsreduzierter PVC- und Linoleumkleber einem Umstieg ebenfalls nichts mehr entgegen. Darüber hinaus sind heute Gummi- und Korkklebstoffe, leitfähige Produkte, Spachtelmassen, Vorstriche und sogar Unterlagsbahnen mit entsprechender Einstufung verfügbar. Alle namhaften Anbieter stellten dem Fachhandwerk in Hannover ein breites Angebot emissionsreduzierter Systeme vor und empfahlen entsprechende Sorgfalt bei der Produktauswahl.
Alternative Verlegemethoden treten wieder in den Hintergrund
Alternative Verlegemethoden wie das "Kletten", "Tacken" oder sonstige mechanische Fixierungsverfahren - auf der Domotex 99 noch Hauptgesprächsgegenstand der Verlegetechnik-Branche - waren hingegen dieses Jahr kein Thema mehr. Obwohl auch diese Verfahren ihre kurzzeitige Popularität vor allem der zunehmenden Diskussion um Verlegewerkstoffe und Raumlufthygiene zu verdanken hatten, konnten sie sich im Gegensatz zur neuen Klebstoffgeneration in der Praxis offensichtlich nicht wirklich durchsetzen.
Zwar versuchten in Halle 18 einiger Newcomer aus dem Bereich der Klebeband-Anbieter an dem vermeintlichen Wachstumsmark zu partizipieren - etwas wirklich Neues hatten diese allerdings in der Regel nicht zu bieten. Bei den etablierten Vertretern der Verlegewerkstoff- und Bodenbelags-Branche fand man hingegen kaum noch Hinweise auf die noch vor kurzer Zeit als "Zukunftslösung" präsentierten Alternativverfahren. Hier war schon gezieltes Nachfragen erforderlich.
Für Parkettverlegung gilt keine Ausnahmestellung mehr
Während für textile und elastische Bodenbeläge heute vielfältige Möglichkeiten für sehr emissionsarme Systemaufbauten zur Auswahl stehen, bleibt die Parkettverlegung bislang das "Schwarzes Schaf" der Branche: Hier werden immer noch überwiegend hoch lösemittelhaltige Kunstharzkleber eingesetzt - obwohl sie eigentlich schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr Stand der Technik sind (TRGS 610) und mindestens zwei Produktgenerationen "hinterherhinken". Selbst die Technische Kommission Bauklebstoffe (TKB) im Industrieverband Klebstoffe warnte kürzlich öffentlich vor den möglichen Folgen des Einsatzes lösemittelhaltiger Kunstharz-Parkettkleber.
Die Baustellenpraxis hat sich trotz aller Auflagen und Appelle nur wenig geändert - dabei sind mit der großen Auswahl an PU-Produkten bereits seit Jahren Alternativen zum Lösemittelkleber verfügbar. Verbraucher fordern derweil auch bei Parkettverlegungen längst sehr emissionsarme Produkte.
Die Verlegewerkstoff-Industrie hat entsprechend reagiert: Auf der Domotex stellten gleich mehrere namhafte Hersteller Neuentwicklungen im Bereich zementärer Klebstoffe vor, die jetzt auch bei der Parkettverlegung funktionierende, sehr emissionsarme Systemaufbauten ermöglichen sollen.
Industrie forciert zementären Pulverkleber
Nachdem Ardex vor zwei Jahren mit Einführung des EC1-Pulver-Parkettklebers P 410 quasi den Startschuss gesetzt hat, ziehen jetzt andere namhafte Hersteller nach: Uzin, Thomsit und Wulff präsentierten in Hannover - Kiesel auf der Bau in München - nun ebenfalls Pulver-Parkettkleber auf zementärer Basis.
Die neuen Klebstoffe sollen vor allem bei der Mehrschicht-parkettverlegung eine zeitgemäße Alternative zu konventionellen Produkten bieten - zumal sich hier der Einsatz von S1-Klebern unter rein technischen Gesichtspunkten kaum rechtfertigen läßt. Die Frage nach dem Nutzen dieser neuen Produktgeneration war daher in Hannover auch kein Thema - wohl aber die Frage nach den idealen Produkteigenschaften eines Pulver-Parkettklebstoffs: "Elastisch oder spröde?" - hier schieden sich die "Geister".
Diskussion um ideale Klebereigenschaften: elastisch oder spröde?
Die "Lager" sind klar verteilt: Thomsit wirbt für seinen neuen Pulver-Parkettkleber P 650 Pulver-Concept mit einer speziellen Rezeptur, die "gegen-über herkömmlichen Pulverklebern 50 % mehr Flexibilität und somit einen echten Langzeitschutz gegen drohende Versprödung" bietet.
Der Marktführer ist in der Fraktion der "Elastik-Befürworter" nicht allein - auch Wulff setzt auf Flexibilität: Der neuen Parkettklebstoff Wood-O-Flex wurde als 2-Komponenten-System aus Kunststoff-Dispersion und Pulver-Komponente konzipiert, wodurch eine "hervorragende Festigkeit und außerdem eine hohe Dauerelastizität" gewährleistet werden soll. Wulff-Geschäftsführer Ernst Dieckmann bezeichnete herkömmliche starre, spröde Systeme auf Zement-Wasser-Kunststoff-Basis als "bedenklich", da sie Verformungen des Parketts nur bedingt auffangen können - zumal auch DIN 281 Klebstoffe fordert, die eine ausreichende Verformbarkeit aufweisen.
Ganz anders fiel die Argumentation von Uzin-Entwicklungschef Dr. Roland Krieger aus: Er verwies in Hannover bezüglich der Produkteigenschaften des neuen Pulver-Parkett-Klebstoffs Uzin-MK 55 Ökoline darauf, dass auch Kunstharzklebstoffe "hoch spröde" seien.
Gleichzeitig hätten sie sich unter rein technischen Gesichtspunkten über Jahrzehnte als funktionierender Werkstoff für die Parkettverlegung bewährt. Und mit dieser Einschätzung zugunsten einer spröden Produkteinstellung steht auch Krieger nicht allein.
Wir befragten auf der Messe verschiedene Fachleute aus Hersteller-, Sachverständigen- und Verarbeiterkreisen. Zu einer eindeutigen Festlegung ließ sich außer Vertretern der jeweiligen "Hersteller-Fraktionen" jedoch keiner hinreißen. Beide Seiten können schließlich stichhaltige Argumente für ihre Form der Produktgestaltung vorlegen. Letztendlich wird sich also in der Praxis zeigen müssen, welches System im Einzelfall die beste Lösung bietet.
Boden- und Parkettlegern kann diese Entwicklung eigentlich nur recht sein: Stehen ihnen doch nun Alternativen im Bereich sehr emissionsarmer Klebstoffe in jeder gewünschten Einstellung zur Verfügung.
Außerdem geht auch bei den ebenfalls lösemittelfreien PU-Produkten die Entwicklung weiter. Auf der Domotex wurden mehrere einschlägige Neuprodukte vorgestellt, die besonders bei Massivparkett funktionierende Ergebnisse versprechen. Damit besteht also wirklich kein objektiver Grund mehr, dass die Parkettverlegung in Sachen Verbraucherschutz das "schwarze Schaf" der Branche bleibt.
aus
Parkett Magazin 01/01
(Wirtschaft)