Mit dem Consulat des Teppichs im Iran
Auf den Spuren des süd-persischen Nomadenteppichs
Clemens August Spiekermann, Gründer und Leiter des Consulats des Teppichs, reist regelmäßig in den Iran, um mit der Firma Zollanvari die weitere Zusammenarbeit zu besprechen und die Produktion für seine Interessengemeinschaft zu begutachten. Stationen seiner Reisen sind meist Teheran, Shiraz und das Zagros-Gebirge. So auch in diesem Sommer, als er einer kleinen Gruppe von Orientteppich-Interessierten die Gelegenheit gab, ihn zu begleiten.
Mitten im Zagros-Gebirge, nördlich von Shiraz: In einem einfachen, aber gepflegten Steinhaus sitzen zwei Ghashghai-Frauen schüchtern, aber stolz auf dem bereits fertig gestellten Teil ihres aktuell in Arbeit befindlichen Teppichs und demonstrieren mit flinken, geübten Händen ihr Kunsthandwerk. Knoten für Knoten werden so rasant um Kettfäden geschlungen, dass das Auge Mühe hat zu folgen. "Es dauert durchschnittlich einen Monat, bis ein Quadratmeter Teppich fertiggestellt ist", erklärt Clemens August Spiekermann, während er die Arbeit der beiden Frauen begutachtet. Spiekermann ist Gründer und Leiter des Consulats des Teppichs, ein Dienstleistungsunternehmen aus Recklinghausen, das seit 1999 dem gehobenen Fachhandel Exklusivkollektionen und Marketingunterstützung bietet.
Bis zu siebenmal im Jahr ist Spiekermann im Iran, begutachtet die laufende Produktion und bespricht mit Produzent Hamid Zollanvari die aktuelle und künftige Consulats-Kollektion. Eine enge, auf Vertrauen basierende Kooperation: Die Familie Zollanvari, in der Orientteppichbranche bekannt für hochwertige südpersische Bauern- und Nomadenteppiche, stellt ihr Know how und ihre Produktion zur Verfügung, Spiekermann sucht Designs und Qualitäten aus und vermittelt sie den Mitgliedern seines Teppich-Consulats. "Ich übernehme die Ideenfindung, Zollanvari liefert die Teppiche", fasst Spiekermann knapp zusammen.
Authentische Teppiche, gefertigt nach den Erfordernissen des Marktes
Drei Kollektionen, die den Consulats-Mitgliedern exklusiv vorbehalten bleiben, sind auf diesem Weg bereits entstanden: "Bodenschätze" hieß die erste, "Findlinge" die zweite und die aktuelle läuft unter der Bezeichnung "Regenbogenknoten". Sie umfasst unter anderem fünf Knüpfteppich-Linien, eine Reihe mit Nimbaffs sowie eine Reihe mit Sofrehs, alle aus Südpersien. Die ausdrucksvollen Stücke, die jeweils zunächst in einer bestimmten Größe angeboten werden, aber auch in anderen Formaten nachbestellt werden können, sind authentisch, ohne sich den Erfordernissen des westlichen Marktes zu verschließen. "Zollanvari-Teppiche werden oft kopiert, aber nie erreicht, denn dazu ist ein persönlicher Zugang, das Herz am rechten Fleck und viel Erfahrung notwendig", lobt Spiekermann.
Mit Begeisterung sucht er vor Ort im Zollanvari-Sortiment stets nach Neuem, um die Consulats-Kollektion kontinuierlich weiterzuentwickeln. Bis zu 50 Einzelstücke legt er auf jedem der zweimal im Jahr stattfindenden Mitgliedertreffen vor, damit gemeinsam über Neuaufnahmen ins Programm entschieden werden kann. Besonders vielversprechende Neuentdeckungen zeigt er manchmal schon vorab auf den Passwort-geschützten Seiten der Consulats-Homepage im Internet.
Werbemaßnahmen, die sich von Massenanbietern abheben
Doch nicht nur Warenfindung und Abstimmung mit Produzenten gehören zu Spiekermanns Aufgabenspektrum, sondern auch das komplette Marketing. Seine Strategie basiert darauf, sowohl dem Gesamtprogramm als auch den einzelnen Kollektionslinien und sogar teilweise den Mustern eigenständige, phantasievolle Namen zu geben, um das Besondere der Teppiche gegenüber dem Massenangebot des Marktes hervorzuheben. So wurde beispielsweise die Consulats-eigene Gabbeh-Qualität Karimhali nach einem Khan der Ghashghai-Nomaden oder die Nimbaff-Reihe Susahali nach der antiken Stadt Susa benannt. Bereits Klassiker sind die Artikel "Die Wüste lebt" und "Alle Fülle meines Lebens". Alle Begriffe sind rechtlich geschützt. "Auf diese Weise können sich die Consulats-Mitglieder vom Wettbewerb abheben", erklärt Spiekermann.
Für die Endverbraucherwerbung erstellt er Prospekte sowie jährlich einen Katalog, der einen Auszug aus dem Gesamtangebot enthält. Die aktuelle Publikation "Hali Khan" (Teppich-Fürst) wirbt für die Consulats-Teppiche unter anderem mit zahlreichen Fotos von genau den Knüpferinnen, die die abgebildeten Stücke fertigen. "Teppiche gewinnen an Faszination und somit auch an Wert, wenn der Endverbraucher weiß, wer seinen Teppich geknüpft hat", meint Spiekermann. Für die nächste Ausgabe ist ein neuer Begleittext mit Märchen aus dem Orient in Vorbereitung - wieder soll Stimmung für den authentischen Orientteppich gemacht werden.
Dazu dienen auch Veranstaltungen mit Vorträgen und Dia-Shows, die Spiekermann für Endverbraucher in den Geschäftsräumen seiner Mitglieder und in der Zentrale des Teppich-Consulats in Herten durchführt. Eine weitere Möglichkeit der Kundenansprache hat er mit der Consulats-eigenen Homepage geschaffen, die von allen beteiligten Einzelhändlern als Präsentations-Plattform genutzt werden kann.
Dromedar Lisa wirbt für das Nomadenleben
Ein Werbeträger der besonderen Art ist das Dromedar Lisa, das sich seit Mai letzten Jahres im Besitz der Interessensgemeinschaft befindet, jedoch weiterhin in der Herde seines vorherigen Eigentümers lebt. Es soll dazu beitragen, dem Endverbraucher hierzulande das Thema Nomaden - und damit verknüpft das Thema genuiner Orientteppich - zu vermitteln. So stellt beispielsweise ein Prospekt nicht nur Consulats-Teppiche, sondern auch den Alltag des Dromedars Lisa vor, das jeden Frühling und jeden Herbst mit seiner Pflegefamilie rund 400 Kilometer zwischen Sommer- und Winterlager zurücklegt und dabei manchmal auch einen Teppich transportiert.
Außerdem sollten durch den Kauf eines Dromedars, dem traditionellen Transportmittel der wandernden Volksstämme, die Vollnomaden zur Fortsetzung ihrer Lebensweise ermutigt werden - eine symbolische Geste. Nach Schätzungen von Teppichproduzent Hamid Zollanvari, Mitinhaber des gleichnamigen Unternehmens, gibt es heute noch rund 5 Mio. Gashghais, davon leben nur noch etwa 1 Mio. als Vollnomaden. Tendenz weiter rückläufig, denn der iranische Staat fördert massiv das Sesshaftwerden. Spiekermann fürchtet jedoch, dass durch den Untergang des Nomadenlebens die Originalität und Kreativität südpersischer Teppiche leiden wird, Traditionen verloren gehen. Der Anwalt und Fürsprecher des authentischen Orientteppichs, wie er sich selber sieht, möchte dazu beitragen, dies zu verhindern.
Reisen in den Iran wecken Verständnis und Begeisterung
Um unter anderem Verständnis für das Nomadendasein und die manchmal schwierigen Produktionsbedingungen für Consulats-Teppiche zu wecken, gibt er Orientteppich-Interessierten und vor allem Inhabern oder Mitarbeitern von Consulats-Mitgliedshäusern oftmals die Gelegenheit, ihn auf seinen Reisen in den Iran zu begleiten. Schließlich kann er damit noch etwas bewirken: Andere ebenfalls für Land und Leute und damit für den genuinen Orientteppich begeistern.
Und das fällt nicht schwer, angesichts der beeindruckenden Landschaften, reichen Kulturbauten und bunten, lebhaften Städte, die der Iran zu bieten hat. Kann sich ein westlicher Besucher überhaupt dem Flair eines orientalischen Landes entziehen? Wohl kaum, besonders wenn noch eine herzliche Gastfreundschaft hinzukommt, so dass sich eventuelle Bedenken hinsichtlich einer Reise in das moslemische Land schnell als unbegründet erweisen. Der Iran öffnet sich, wird toleranter.
Das zeigt zumindest das Straßenbild: Nur noch wenige Frauen tragen heute den Shador, die meisten leichte, kürzere Mäntel in hellen, freundlichen Kolorits. Viele schminken sich auffälliger als so manche westliche Frau. Das Kopftuch und "züchtige" Kleidung ist jedoch für alle Iranerinnen noch immer Pflicht, ebenso für westliche Besucherinnen. Und noch etwas ist zu bedenken: Wer mit Spiekermann reist, sollte zeitweise auf Komfort und Schlaf verzichten können - eine 30 Stunden-Etappe gehörte beispielsweise zum Programm des umtriebigen Teppichliebhabers in diesem Sommer.
Der Weg führte zunächst via Teheran nach Shiraz, der schönen Stadt der Rosen und Dichter im Süden des Landes. Ab hier betreute Hamid Zollanvari, begleitet von mehreren Mitarbeitern und Freunden, nahezu ununterbrochen die kleine Gruppe aus Europa und gewährte, geduldig und offen alle Fragen beantwortend, einen faszinierenden Einblick in die Welt des südpersischen Nomadenteppichs.
Unvergessen wird der zweitägige Aufenthalt im Zagros-Gebirge bleiben: Panoramabilder einer unendlich weitläufigen Landschaft, ausdrucksvolle, farbintensive Teppiche in karger Umgebung, fröhliche Knüpferinnen, die teilweise eigens für die Besucher ihre schönsten, bunten, glitzernden Kleider angezogen hatten, ein Fußballspiel im Dorf Achmadabad, immer wieder Einladungen zum Essen im Nomadenzelt mit Fladenbrot, Ziegenfleisch, Reis, Jogurt und Melone, ein nächtliches Picknick tief in den Bergen und eine mehr als angenehme Übernachtung im Haus des Zollanvari-Distriktleiters. Eindrucksvoll die Stippvisite bei Vollnomaden auf der Sommerweide, nur über Schotterpisten zu erreichen, die zweimal jährlich etwa 800 Kilometer zwischen ihren Weideplätzen zurücklegen, rund 25 Kilometer pro Tag. Natürlich wurde auch Lisa bei ihrer Pflegefamilie besucht. Und das kulturelle Rahmenprogramm: ein zum Stöbern einladender, schön turbulenter Bazar von Shiraz mit angrenzender Moschee aus 1001 Nacht, das Mausoleum des berühmten Dichters Hafez sowie Persepolis und Naksch-i Rostam, Zeugnisse der persischen Geschichte. Ebenso interessant der zweite Teil der Reise: das Woll-Lager und die Woll-Färberei von Zollanvari in Shiraz sowie die Wäscherei und das Lager mit Endbearbeitung in Teheran wurden besichtigt. Eine Reise mit hohem Erinnerungswert.
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Heimtex Orient 03/01
(Wirtschaft)