Trend-Table im Tapetenshowroom
Sehnsucht nach Balance und Individualität
Die Tapete liegt voll im Trend, ohne sich selbst einem Trend zu beugen. Dabei entwickelt sie sich von der reinen Wandbekleidung hin zu vielseitig einsetzbarem Raumschmuck, der mit einer Vielzahl an Dessins, Farben und Stilen überzeugt. Das bescheinigten Designer der Wandbekleidung im Hamburger Showroom "Tapetenwechsel", in den das Deutsche Tapeten-Institut Branchen- und Pressevertreter zum zweiten Trend-Table eingeladen hatte.Was sind die Design-Trends von morgen? Diese Frage beschäftigt die deutschen Tapeten-Hersteller zunehmend. Schließlich hat sich ihr vielseitiges Produkt zum "Must-have" der Inneneinrichtung entwickelt. Stilistisch aber lässt sich der Wandbelag ebenso wenig festlegen wie das übrige Interior. "Alles ist erlaubt", lautete das Fazit des zweiten Trend-Tables, zu dem das Deutsche Tapeten-Institut Vertreter der Fachpresse und der Designbranche in den Hamburger Showroom "Tapetenwechsel" eingeladen hatte. Am noblen Ballinndamm tauschten sie sich nach einer kurzen Begrüßung durch Instituts-Geschäftsführer Karsten Brand über Wohntrends aus, basierend auf Kurzvorträgen des Textil- und Tapeten-Designers Ulf Moritz, des Interior-Designers Gerhard Ostenried und der Trendberaterin Gabriela Kaiser.
Sehr spannend machte es Ulf Moritz. Der Designer, der als einer der ersten seines Metiers schon vor rund zehn Jahren den Wert der damals als spießig verpönten Tapete erkannt hatte, stellte zunächst eine Auswahl seiner sowie fremder Kreationen vor. Dabei kokettierte er humorvoll mit seinem Einfallsreichtum: "Ich weiß gar nicht, was ich noch entwerfen soll", meinte Moritz ganz unbescheiden und verwies auf die Vielzahl an Tapeten-Designs, die die Branche inzwischen hervorbringt. Doch trotz des großen Angebots versprach er, weiter mitzumischen. Anfang kommenden Jahres erscheint eine dreidimensionale Tapete für die erfolgreiche Linie Marburg by Ulf Moritz. "Ich möchte mit meinen Tapeten-Dessins die Menschen verführen, die schon alles haben", betonte der kreative Gestalter.
"Die Lichttapete kommt"Ausgefallene Ideen will er auch für den Zierprofilhersteller Orac entwickeln, für den er seit Kurzem tätig ist. Darüber aber verriet der Designer nichts Näheres, sondern kehrte thematisch wieder zur Tapete zurück. Die sei keineswegs auf ihre Rolle als Wandbekleidung beschränkt. Sie könne an die Decke geklebt werden, durch den Raum wandern, als Eyecatcher dienen und Möbel schmücken. In sein Loblied auf die Tapete schloss Moritz auch einen Blick in die Zukunft mit ein: "In zwei bis drei Jahren wird es eine Tapete geben, die Licht gibt - die Lichttapete."
Nach vorn gerichtet waren auch die Analysen und Tipps von Gabriela Kaiser. Die Inhaberin der Trendagentur im fränkischen Weißdorf machte deutlich, dass Trends Strukturen geben: "Sie zeigen, was Konsumenten kaufen möchten, was die Industrie produzieren und welche Themen der Handel inszenieren sollte. Trends spiegeln Gefühle, Bedürfnisse und Sehnsüchte wider." Die 42-Jährige spürte ein Thema auf, dass die Gesellschaft beschäftigt: Die Herstellung der Balance. Der Wunsch nach mehr Gleichgewicht betreffe die Felder Arbeit und Freizeit genauso wie Familie und Selbstverwirklichung oder Konsum und Umweltschutz. Hier gehe es um die Frage, welchen Fußabdruck der Einzelne hinterlassen wolle.
Diese Frage beantworten nach Ansicht der Beraterin vier Trends: emotionaler Purismus, archaische Natürlichkeit, schlichte Romantik und spielerischer Mix. "Weniger ist mehr" laute das Motto des emotionalen Purismus, der clean und zeitlos wirke mit seinen symmetrischen Mustern. "Die Makellosigkeit funktioniert hier immer noch, aber es wird mehr improvisiert", beschrieb Kaiser die Veränderung im Purismus. So könnten Eyecatcher auch sehr gewagt sein, die sich farblich in Neongelb, Orangerot und knalligem Grün präsentierten. Ansonsten gebe es viel Schwarz-Weiß, Olivtöne seien im Kommen.
Die Sehnsucht nach Authentizität lässt sich nach Angaben von Kaiser vor allem durch die archaische Natürlichkeit übersetzen. Die Natur zeige sich elementarer mit viel Moos, Ästen, Dschungelmotiven und in Steinoptik. Insgesamt komme der Haptik eine wichtige Bedeutung zu. Dies gelte auch für die schlichte Romantik, die zwar romantisch bis kitschig bleibe, aber in Kombination mit puristischen Elementen und in Pastelltönen farblich reduziert. "Toile de Jouy ist hier im Kommen", sagte die Beraterin. "Meist in Rot, Rosé und Violetttönen."
Ein sehr junges Thema sei der spielerische Mix, der gerne Grenzen überschreite. "Es sollte Krachen bei der Farbigkeit: Grasgrün und Sonnengelb auf Weiß. Alles muss bunt sein", erläuterte Kaiser. Muster seien unregelmäßig, dürften nach Lust und Laune gemischt und mit Patchwork kombiniert werden. "Alles ist erlaubt - von aquarelligen Mustern bis hin zu rapportierten Klecksen, die auf dem Weg zu einer neuen Ästhetik sind. Es darf also gekleckst und gespritzt werden."
"Es kommt auf die Persönlichkeit an"Ganz gleich ob spielerischer Mix oder lieber klassische Eleganz - wer Menschen bei der Einrichtung berät, darf die Persönlichkeit des Kunden nicht außer acht lassen. Das ist die Devise des Interior Designers Gerhard Ostenried, der sich mit seinem Raumausstatter-Unternehmen in Pforzen auf exklusive und individuelle Wohnkonzepte spezialisiert hat. Dabei setzt er auf den ganzheitlichen Ansatz, der vom Bodenbelag über die Wandgestaltung bis hin zu Leuchtobjekten und Accessoires die gesamte Einrichtung mit einbezieht.
"Tapeten spielen als Kulisse für die Einrichtung eine entscheidende Rolle", ist Ostenried überzeugt. Seine Aufgabe sieht er darin, die Vorstellungen und Träume seiner Kunden zu konkretisieren und sie mit Kreativität zu überraschen. "Ich kann beispielsweise mit Tapeten Raumbilder erzeugen", erläuterte der Designer. Er wünscht sich von den Tapetenherstellern noch mehr Mut und verwies auf Beispiele wie die Colani-Wandbeläge mit ihren aufgesetzten Elementen in Tropfenform von Marburg und die Swarovski-Kollektion. "Tapeten können sowohl als Basic dienen als auch dominierend wirken", betonte Ostenried.
Die Ausstellung im Tapeten-Showroom stellte diese These unter Beweis. Dort erhielten die Gäste einen Einblick in die Interior-Welt der kreativen Wandbeläge, wie er umfassender kaum sein kann. "Die Tapete ist da und bleibt da" wurde beim Trend-Table deutlich.
aus
BTH Heimtex 07/11
(Marketing)