Interview mit Michael Thürmer, Bereichsleiter Holz der Eurobaustoff

"Gut kooperierte Mittel-ständler entwickeln sich besser als große Filialunternehmen"

Es sind vor allem Mittelständler, die mit einem individuellen Mix aus Groß- und Einzelhandel in der Holzbranche Erfolgsstorys schreiben. Warum das Wachstum nicht bei den großen Filialisten stattfindet, sondern auf den Listenplätzen 20 bis 50 erläutert Michael Thürmer unter anderem in dem nachfolgenden Interview. Als Bereichsleiter Holz der Einkaufskooperation Eurobaustoff hat der Diplom-Holzwirt seit seinem Eintritt Ende 2010 einiges bewegt. 'Zum 1. 1. 2014 werden wir einige namhafte Zugänge haben", kündigt er an. Und das sind keine leeren Worte: Mit Holz-Richter in Lindlar konnte ein ausgesprochenes Schwergewicht der Branche als Gesellschafter gewonnen werden.

Parkett im Holzhandel: Herr Thürmer, welches Vertriebsmodell ist eigentlich im Holzhandel am erfolgreichsten?

Michael Thürmer: Die Holzcentren als mittelständische Betriebe haben ihre Umsätze in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt: Etwa 150 Standorte in Deutschland betreiben einen individuellen Mix aus Groß- und Einzelhandel. Ein vergleichbares Wachstum gibt es bei den Top-10-Häusern nicht. Das heißt im Klartext: Das Wachstum im Holzhandel findet nicht in der Spitze statt, sondern auf den Listenplätzen 20 bis 50.

PiH: Der Erfolg im Einzelhandel verwundert, da die Baumärkte für den Endverbraucher wesentlich präsenter sind - vor allem in den Ballungszentren. Welche Tendenzen zeichnen sich generell im Endkundengeschäft ab?

Thürmer: Die Holzhändler sind auf unterschiedlichen Wegen zum Einzelhandel gekommen, wobei jedes Unternehmen seine eigene Geschichte hat. Manche entstammen dem Holzgroßhandel, wo sie beim Tischler recht erfolgreich waren. Dann haben sie zwischen 1990 und 2000 den Fachmarkt entdeckt und versucht, dem DIY-Handel Konkurrenz zu machen. Aber: Das Konzept, Holz wie ein Baumarkt zu verkaufen, ging häufig nicht auf. Folglich wurde das SB-Sortiment reduziert und man besann sich wieder auf den Ausstellungsverkauf. Dadurch gingen die Umsätze zunächst in der Branche zurück, aber heute gelingt es immer mehr Betrieben, höherwertiger an den Endverbraucher zu verkaufen, weshalb sie unterm Strich wieder besser aufgestellt sind.

Außerdem ergaben sich neue Chancen im Objektbereich. Das ist im Grunde auch die Erfolgsgeschichte der Holzcenter. Andere Händler wiederum haben sich inzwischen vom Endverbraucher an das Thema Tischler herangearbeitet und große Lagerhallen gebaut. Es gibt auch Händler, die sich aus dem Einzelhandel verabschiedet und sich als Großhändler ganz neue Geschäftsfelder wie zum Beispiel den Zimmerer erschlossen haben. Manche konnten auf diese Weise sogar ihren Umsatz verdoppeln. Solche Erfolgs-storys sucht man bei den Top-Ten-Unternehmen vergebens.

PiH: Das müssen Sie uns noch etwas detaillierter erläutern.

Thürmer: Mit Zielgruppenfokussierung, Marketingaktivitäten, Internet, geändertem Vertriebsgebiet und optimierter Logistik haben sich viele Mittelständler weiterentwickelt. Die Kosten beschränken sich auf einen Standort und klare personelle Strukturen. Auch Filialisten agieren vor Ort wie Mittelständler. Die Niederlassungsleiter fällen eigene Entscheidungen für die individuellen Filialen. Allerdings produziert die Zentrale Overhead-Kosten. Somit ergeben sich für die Filialisten keine entscheidenden Wettbewerbsvorteile gegenüber den Mittelständlern. Sie haben sogar einen entscheidenden Nachteil: höhere Kosten. Die gut kooperierten Mittelständler entwickelten sich daher mit besten Konditionen und vergleichbaren Preisen besser als die Filialunternehmen.

PiH: Und dann gibt es Marktteilnehmer, die ausschließlich Großhandel treiben?

Thürmer: Die Zahl dieser Betriebe ist in den letzten Jahren deutlich rückläufig. Sich nur auf den Tischler zu konzentrieren, birgt ein gewisses Risiko. Dazu ist es die Kundengruppe, die sich am stärksten verändert hat - weg von den klassischen Tätigkeiten hin zum Objektbauer. Dementsprechend müssen die Mitarbeiter des Großhandels geschult sein. Wiederum andere Leistungen benötigen Montagebetriebe. Viele Unternehmen haben sich lange schwer damit getan, mit einem Bearbeitungszentrum Serviceleistungen für Tischlerkunden anzubieten. Auch die Lager- und Logistikoptimierung haben nicht alle Großhändler vollzogen. Das alles waren Entscheidungen, die in den letzten Jahren getroffen hätten werden müssen. In einigen Regionen ist es jetzt wohl schon zu spät, um noch nachzuziehen.

Zu den stärksten Wachstumsbereichen gehören aktuell die Zimmereibetriebe. Das ist eine der wenigen Handwerksgruppen, die an Bedeutung gewinnt. Sich darauf einzustellen, haben viele Großhändler versäumt, zumal der Zimmermann zu 60 % Holz und zu 40% Baustoffe braucht. Hier war der Baustoffhandel flexibler, indem er sein Angebot um die entsprechenden Holzsortimente erweitert hat.

PiH: Wer sind eigentlich die wichtigsten Abnehmer von Holzprodukten in Deutschland?

Thürmer: Endverbraucher, Tischler und Zimmerer - in genau dieser Reihenfolge. Daher suchen Holzhändler auch zunehmend nach einer Quelle für die entsprechenden Sortimente, die es zu bedienen gilt. Entsprechend funktioniert heute die Konzeption eines neuen Holzzentrums, das die Eurobaustoff von innen nach außen plant. Ausgangspunkt sind die Zielgruppen, daraus ergeben sich die Sortimente, dann kommt das Gebäude. Dieses System wird seit 1996 ständig weiterentwickelt und wir können damit einen kompletten Standort errichten. Wir stellen aber auch Module zur Verfügung, wenn lediglich die Erweiterung eines Sortimentsbereichs gewünscht wird oder das Lager überarbeitet werden soll, weil die Logistik nicht mehr zeitgemäß ist. Egal welche Anforderung - wir müssen nur die Schublade aufziehen.

PiH: Den Baustoffhandel drängt es zum Holz, den Holzhandel zu den Baustoffen. Wie stellt sich aus ihrer Sicht die Konkurrenzsituation der beiden Vertriebskanäle dar?

Thürmer: Wenn der Baustoffhandel über Holz redet, dann meint er den Bereich Boden, Wand, Decke; er meint die Bauelemente Fenster, Türen, Treppen, und zwar nicht nur aus Holz, sondern auch aus Stahl; und er meint Bauholz, Latten, Hobelware, Holzwerkstoffe. Der Holzhandel spricht zwar auch von Bauelementen, versteht darunter aber ausschließlich solche aus Holz, wobei Innentüren eindeutig dominieren. Bei gemeinsamen Veranstaltungen gilt es hier immer wieder für Klarheit zu sorgen. Auch in Kennzahlen und Statistiken sorgt das immer wieder für Irritationen. Zum besseren Verständnis haben wir die Zahlen inzwischen angepasst. Was die Wettbewerbssituation anbelangt, hier ein Beispiel: Der Baustoffhandel liefert OSB-Platten an den Dachdecker und das Bauunternehmen; in der gleichen Region beliefert der Holzhändler damit den Zimmermann und ein wenig den Tischler, und dann haben der Holzfachmarkt und der Baumarkt auch noch OSB-Platten. Es gibt also bei den Zielgruppen kaum Überschneidungen. Wenn wir in Akquisitionsgesprächen einen Holzhändler nach Baustoffhändlern in seinem Einzugsbereich fragen - oder umgekehrt - dann nehmen die sich oftmals gar nicht als Wettbewerber wahr.

PiH: Wie viele Holzhändler sind bei der Eurobaustoff Gesellschafter?

Thürmer: Die Frage kann man so nicht beantworten. Wenn Sie Holzhändler meinen, die keine Baustoffe haben, dann sind das nicht mehr viele Standorte. Der übliche Betriebstyp hat Holz und Baustoffe im Angebot. Wenn wir diese addieren, kommen wir auf über 300 Standorte in Europa. Und dann gibt es noch eine Menge Baustoffhändler, die Holzhandlungen aufgekauft und integriert haben.

PiH: Konkret gefragt: Für wie viele Händler fühlen Sie sich zuständig?

Thürmer: Für über 1.400 Standorte - weil: Alle Eurobaustoff-Gesellschafter führen Holz und viele bedienen Zimmerer, Endverbraucher und Tischler.

PiH: Die Wanderungsbewegungen unter den Verbundgruppen ist eher marginal ...

Thürmer: Nicht in den vergangenen 12 Monaten. Das liegt unter anderem daran, dass der ehemalige Holzkreis mit rund 30 Händlern neu zugeordnet wurde. Wir reden hier insgesamt von einem Einkaufsvolumen von 40 bis 50 Mio. EUR, das sich in andere Richtungen bewegt, aber Sie haben recht: davor waren die Wanderungsbewegungen marginal, was aber auch daran lag, dass in den vergangenen drei bis vier Jahren keine richtige Akquisition stattfand. Vergangenen Oktober haben wir angefangen, die ersten Gesprächs-termine zu vereinbaren. Inzwischen haben wir über 60 Holzhandelsunternehmen besucht und die Eurobaustoff ins Gespräch gebracht.

PiH: Mit Erfolg?

Thürmer: Zum 1. 1. 2014 werden wir einige namhafte Zugänge haben.

PiH: Zum Beispiel Holz-Richter in Lindlar. Können Sie uns den einen oder anderen Punkt nennen, der für den Wechsel ausschlaggebend war?

Thürmer: Um Dr. Markus Richter zu zitieren: 'Es klingt zwar paradox, aber ich passe als Holzhändler besser zu einer Baustoffkooperation."

Hier war das Gesamtkonzept ausschlaggebend: Alle Sortimente und gleichzeitig die kostengünstigste Kooperation, die Mitarbeiter mit Sortiments-, Zielgruppen- und Gewerkkompetenz sowie Kooperationserfahrung. Dazu besteht die Möglichkeit, mit den Gesellschaftern in der Warenbeschaffung zusammenzuarbeiten.

PiH: Darf bei der Eurobaustoff ein Gesellschafter selbst entscheiden, ob ein gelisteter Lieferant zentral abgerechnet wird?

Thürmer: Die Hauptaufgabe einer Kooperation besteht darin, für ihre Gesellschafter einzukaufen. Es ist ja nicht damit getan, dass der Lieferant gelistet wird, sondern wir führen Gespräche mit ihm und entwickeln Konzepte. Wenn dann einige Gesellschafter für sich einen Sonderfall reklamieren und eigene Spielregeln aufstellen, dann ist das nicht zu tolerieren. Es gibt allerdings Kooperationen, die das anders sehen.

Die Notwendigkeit einer Doppelmitgliedschaft besteht für unsere Gesellschafter nicht.

PiH: Und wie hält es Eurobaustoff mit einer Doppelmitgliedschaft?

Thürmer: Die Notwendigkeit einer Doppelmitgliedschaft besteht für unsere Gesellschafter nicht. Der Reiz der Eurobaustoff besteht darin, dass wir in den Kernsortimenten Holz, Baustoffe, Fliesen für alle Betriebstypen sehr stark sind. Egal in welche Richtung ein Händler expandieren will - bei uns wird er alles finden. Eine ganze Reihe von Händlern, die einer Holzkooperation angehörten, sind in diese Verbundgruppe gewechselt, um sich beispielsweise im Baustoffbereich zu verstärken und sämtliche Leistungen aus einer Hand zu erhalten. Folgerichtig wird es zukünftig keine Doppelmitgliedschaften mehr geben.

PiH: Mit welchem Schwerpunktthema gehen Sie auf den Branchentag?

Thürmer: Wir haben auf die Teilnahme am Branchentag als Aussteller verzichtet, weil wir mit dem Eurobaustoff Forum eine eigene Veranstaltung haben, die unseren Gesellschaftern nicht nur umfassend die Kompetenz im Bereich Holz, sondern in allen unseren kooperationseigenen Leistungs-angeboten sowie viele Dienstleister präsentiert. Wir nutzen daher den Branchentag eher als Kommunikationsplattform mit Holzhändlern und Lieferanten.


Michael Thürmer - Zur Person


Als erfahrener Branchenexperte genießt Michael Thürmer (53) im Holzhandel hohe Reputation. Von Raab Karcher wechselte er 1996 zur Hagebau nach Soltau und war dort lange Jahre für den Unternehmensbereich Holzhandel verantwortlich. Seit 2008 betätigte er sich freiberuflich als Unternehmensberater, Referent und Publizist. Im November 2010 kehrte der Diplom-Holzwirt ins operative Geschäft zurück und übernahm in der Zentrale der Eurobaustoff in Bad Nauheim die Leitung des neu geschaffenen Unternehmensbereichs Holzhandel.
aus Parkett im Holzhandel 05/13 (Wirtschaft)