ETFA, Hamburg

Online in der Offensive

Bei ETFA ist man sich sicher: Bald wird das Unternehmen mehr Teppiche über das Internet verkaufen als im klassischen Groß- und Einzelhandel. Erfolgsgeheimnis sind ein umfassendes Service-Angebot, das große Angebotsspektrum und eine detailgenaue Produktpräsentation. Verkaufsleiter Said Sazegar betont aber, dass sein Online-Shop nicht gegen den Fachhandel gerichtet ist - ganz im Gegenteil: Er hilft sogar im konventionellen Geschäft.


Für viele lang gediente Teppichhändler ist der Online-Handel grundsätzlich suspekt: Ein Kulturgut lediglich am Bildschirm betrachten und per Mausklick kaufen? Kein Ausbreiten der Ware, keine Haptik, keine visuelle Prüfung auf Strukturfehler. In der Tat: Auch viele junge und technikaffine Menschen nehmen einen wertvollen Teppich lieber persönlich in Augenschein, bevor sie ihn erwerben. Und trotzdem ist der Online-Handel in der Teppichbranche zweifellos auf dem Vormarsch. Die Gründe dafür liegen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite: Aus der Not geboren, bietet das Online-Geschäft dem schwächelnden Groß- und Einzelhandel einen neuen Vertriebskanal. Außerdem sind tatsächlich immer mehr Menschen dazu bereit, auch hochwertige Waren wie Teppiche über das Internet zu kaufen.

Schon lange bevor dieses neue Konsumverhalten zum Trend wurde, hatte das Hamburger Handelsunternehmen ETFA damit begonnen, systematisch Teppiche online zu verkaufen - erst im kleinen Stil über Ebay, dann um die Jahrtausendwende mit einem eigenen Shop. Dafür wurde sogar die wertvolle Domain www.teppich.com erworben. Der Online-Handel war zunächst kein zwingender Schritt, denn ETFA genießt als Anbieter hochwertiger persischer Teppiche einen exzellenten Ruf in der Branche und hat stabile Vertriebskanäle. Auch deshalb wurde der Shop zwischenzeitlich sogar wieder eingestellt - die Organisationsarbeit war einfach zu aufwendig geworden. Und trotzdem war der frühe Schwenk ins Digitale wertvoll, denn das Unternehmen hat sich dort einen wertvollen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz erarbeitet.

Die Veränderung der Absatzwege verläuft geradezu rasant. 'Noch vor zwei Jahren war der Online-Handel ein kleiner Geschäftszweig", sagt Verkaufsleiter Said Sazegar. 'Heute entfallen auf ihn bereits 40 Prozent unseres Einzelhandelsgeschäfts und die Hälfte unseres Großhandelsumsatzes." Doch diesen Wandel bewerkstelligte ETFA nicht eben so nebenher, sondern mit einer stringenten Geschäftsstrategie und einem intensiven Personal- und Kapitaleinsatz. Von vornherein war klar, dass ein möglichst breites Produktspektrum detailreich angeboten werden sollte. Das erforderte einen erheblichen Arbeitsaufwand: Alle 5.000 Teppiche aus dem Lager wurden je 15 Mal fotografiert, um sie in zwölf Varianten im Shop abzubilden. Dessen Angebot umfasst nun 3.000 klassische persische Teppiche sowie die gesamte Bandbreite traditioneller und moderner Teppiche, vom Ziegler über den Loribaft und Kelim bis hin zu Vintageprodukten, die oft nicht Teil des Großhandelssortiments sind. ETFA ist als Genossenschaft der Teppichknüpfer gleichzeitig der größte Teppichproduzent im Iran. Man kann mit einer halben Million Knüpfern auf 500.000 qm Teppichproduktion zurückgreifen und fungiert in Hamburg als alleiniger Repräsentant dieser Infrastruktur.

Bei ETFA sind heute vier Personen mit der Shop-Pflege und zwei weitere mit der Kundenkommunikation beschäftigt. Auch ein Suchmaschinenmarketing ist obligatorisch.

Weitreichende Service-Leistungen sind ein weiterer Erfolgsfaktor: Um Vorbehalten des Online-Erwerbs eines wertvollen Teppichs entgegenwirken, bietet Teppich.com seinen Kunden eine kostenfreie Lieferung innerhalb von Deutschland und Österreich, ein 30-Tage-Rückgaberecht und einen Kauf auf Rechnung und Ratenzahlung. Diese mit einem nicht unerheblichen Risiko behaftete vertrauensbildende Maßnahme zahlt sich aus: 'Wir haben praktisch keine Rückläufe", erklärt Sazegar. Und welche Produkte werden auf welchem Weg nachgefragt? 'Die Unterschiede sind gering: Wir verkaufen online grundsätzlich alle Teppiche, die auch im klassischen Handel laufen, selbst den feinen Seiden-Ghom".

Es ist abzusehen, dass ETFA schon sehr bald den größten Teil seiner Teppiche über das Internet verkaufen wird. Und ein großer Schritt in diese Zukunft ist die neue Partnerschaft mit einem weltweit führenden Online-Händler. Zunächst sollen dort 2.000 Teppiche angeboten werden. Um die Auflagen zu erfüllen, müssen jetzt alle Produktfotos vom Hintergrund freigestellt werden. Das Unternehmen war auf die Hamburger zugekommen und akzeptiert sogar gegen seine allgemeinen Richtlinien die barcode-losen Teppiche auf seiner Site, weil ETFA nicht nur Händler, sondern auch Produzent ist. Wichtigstes Kriterium der Kooperation ist letztlich Vertrauenswürdigkeit.

In vielen Branchen gilt der Online-Handel als Totengräber des Fachhandels, weil er den Wettbewerb ausschließlich über den Preis führt. Diese Rolle lehnt Sazegar für sich aber kategorisch ab. Schließlich sind die Preise in seinem eigenen Fachhandelsgeschäft in Hamburg dieselben wie im Online-Shop. 'Wir lassen uns auf keinen Preiskampf ein", sagt Sazegar. Stattdessen hat sich der Shop sogar als Hilfe im klassischen Großhandelsgeschäft erwiesen: Denn oft finden die Einzelhändler dort genau das spezielle Produkt, das sie gerade im Katalog erfolglos suchen. Die Shop-Preise sind für sie - abzüglich des Händlerrabattes - verbindlich. Und die Frage pro oder kontra Online-Handel stellt sich ohnehin nicht mehr: 'Denn ob uns die neue Welt des digitalen Handels nun gefällt oder nicht", resümiert Sazegar, 'sie ist ein großer Teil der Zukunft - und darauf sollte sich die gesamte Branche schleunigst einstellen."
aus Carpet Magazin 04/13 (Wirtschaft)