Interface: Interview mit Nils Rödenbeck, Verkaufsleiter Deutschland

Mit neuer Fliesen-Kollektion kleine Objekte gewinnen

Fliesenhersteller Interface scheint mit seiner deutschen Vertriebsorganisation auf einer Insel der Glückseligen zu sein: Während rundherum fast alle Teppichbodenhersteller mit Absatz- und Umsatzrückgängen zu kämpfen haben, wächst das Unternehmen alljährlich prozentual zweistellig und hat innerhalb von sieben Jahren seine Außendienstmannschaft verdoppelt. Im Interview mit BTH Heimtex-Redakteur Jochen Lange erklärt Deutschland-Verkaufsleiter Nils Rödenbeck die erfolgreiche Strategie und warum er sich mehr Wettbewerb von anderen Fliesenproduzenten wünscht.

BTH Heimtex: Interface Deutschland hat sowohl seine Vertriebsmannschaft als auch seine Umsätze in den vergangenen sieben Jahren nahezu verdoppelt. Warum sind Sie so erfolgreich?

Nils Rödenbeck: Das hat viele Gründe. Die wichtigsten sind sicherlich, dass unsere amerikanische Muttergesellschaft das Potenzial der Teppichfliese im Objektmarkt für textile Beläge hierzulande erkannt hat, deswegen eine langfristige Investitions- und Wachstumsstrategie verfolgt und mittlerweile Produkte ausschließlich für den deutschen Markt entwickelt wurden. Dazu gehört ganz aktuell für 2014 die neue "Basic Collection".

BTH Heimtex: Wie ist die neue Kollektion aufgebaut?

Rödenbeck: Wir haben sie mit fünf Produkten ausgestattet: Einer Schlinge, einem Velours, einem Flachgewebe - die sogenannte Microtuft-Qualität - und zwei Designschlingen in Farben und Dessins, die auf den deutschen Markt abgestimmt sind. Preislich bewegen sich die Qualitäten für Interface-Verhältnisse im Einstiegsbereich und orientieren sich an der Bahnenware der Wettbewerber, die das Kleinobjekt traditionell auch preislich prägt.

BTH Heimtex: Wer soll mit der Karte arbeiten?

Rödenbeck: Vor allem Bodenleger, Objekteure und Raumausstatter. Sie steuern stark die kleinen Objekte bis etwa 500 m2 und entscheiden über den Bodenbelag zusammen mit Nutzer oder Eigentümer.

Der Renovierungsmarkt besteht zu einem ganz großen Teil aus Projekten in dieser Größenordnung. Dort sind wir bereits gut aufgestellt und haben in den vergangenen Jahren viel Überzeugungsarbeit geleistet für die Teppichfliese. Der Verarbeiter kennt uns und die Vorteile des Produktes. Mit der neuen Kollektion geben wir ihm zusätzlich ein Verkaufsinstrument an die Hand, mit dem er einfach, schnell und erfolgreich kleine Objekte bemustern und bearbeiten kann.

BTH Heimtex: Ist die Karte bereits verfügbar?

Rödenbeck: Wir bringen sie gerade persönlich in den Markt.

BTH Heimtex: Was meinen Sie mit "persönlich"?

Rödenbeck: Wir versenden Sie nicht einfach. Unsere Außendienstmitarbeiter stellen die Basic Collection persönlich ausgewählten Kunden vor. Denn wir brauchen Kunden und Partner, die das Produkt verstehen und es auch verkaufen können und vor allem wollen. Hier haben wir ein Netzwerk aus Großhändlern und Verarbeitern, die immer auf der Suche sind nach Produkten und Dienstleistungen, mit denen man sich beim Endkunden abhebt von der Masse - was mit Teppichfliesen von Interface wunderbar funktioniert.

BTH Heimtex: Aber die Teppichfliese hat es in Deutschland nach wie vor schwer gegen die Bahnenware.

Rödenbeck: Das ist so. Aber es wird besser. Wir schätzen den Fliesen-Anteil am 50 Mio. m2 großen textilen Objektmarkt in Deutschland auf heute 10 %. Hier sind wir mit Abstand Marktführer. Unser Hauptaugenmerk bei unseren Vertriebsaktivitäten richtet sich auf die restlichen 90 %, auf denen sich rund 15 Herstelle von Bahnenwaren tummeln.

BTH Heimtex: Die Vorteile der Fliese sind hinlänglich bekannt

Rödenbeck: können aber im Hinblick auf den noch geringen Anteil am textilen Objektmarkt nicht oft genug wiederholt werden: Sie ist logistisch und handwerklich einfach zu handhaben. Sie kann, wenn gewünscht, wie Bahnenware aussehen. Der Verarbeiter hat weniger Verschnitt. Die Module sind partiell austauschbar und können durch die flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten einzelne Bereiche einer Fläche hervorheben und abgrenzen.

Zudem ist eine Teppichfliese über den Produktlebenszyklus gesehen günstiger als Bahnenware. Spätestens nach der ersten Renovierung oder dem ersten Mieterwechsel beginnt das Produkt, Geld zu verdienen. Denn es ist keine Untergrundvorbereitung mehr nötig, im laufenden Betrieb kann ausgewechselt werden und somit gibt es keine Ausfallzeiten. Es gibt also aus unserer Sicht keine Gründe, Bahnenware einzusetzen.

BTH Heimtex: Viele Entscheider sind aber immer noch der Meinung, dass Fliesen auf der verlegten Fläche nicht gut aussehen.

Rödenbeck: Darauf haben wir bereits vor Jahren reagiert, uns in Bezug auf Dessins und Farben auf den Geschmack in Deutschland eingestellt und Lücken im Sortiment geschlossen. Der deutsche Mark tickt anders als andere in Europa. Heute findet jeder Entscheider in Deutschland eine Teppichfliese von Interface, die ihm gefällt. Die Hälfte unserer Produkte sieht zudem im verlegten Zustand aus wie Bahnenware.

BTH Heimtex: Das glaubt man Ihnen wahrscheinlich erst, wenn man es mit eigenen Augen sieht.

Rödenbeck: Auch deswegen haben wir 2007 unsere Strategie geändert und unseren Vertrieb auf eine zweite Säule neben Großhandel/ Verarbeiter gestellt: Die Architekten- und Key Account-Betreuung. Wir wollten unser Geschäft in Richtung Großprojekte entwickeln. Dafür brauchten wir den Zugang zu den Architekten-Netzwerken und -Büros, um in die Ausschreibungen zu kommen. Das ist uns bereits so gut gelungen, dass wir seitdem die Anzahl unserer Architektenberater von drei im Jahr 2007 auf heute sechs verdoppelt haben.

BTH Heimtex: Es besteht offensichtlich ein großer Bedarf.

Rödenbeck: Das ist richtig. Diese Arbeit werden wir auch in den nächsten Jahren forcieren. Wenn wir unsere Teppichfliesen in Architektenbüros vorstellen, erzielen wir regelmäßig einen Wow-Effekt. Denn allein vier zusammengelegte Fliesen zeigen, dass unser Produkt so ausgereift ist, dass man verlegt keine Nähte sieht. Da können wir so manches Vorurteil in wenigen Minuten ausräumen.

Wenn wir dann den Architekten überzeugen können und den Zuschlag für das Projekt erhalten, haben wir die Erfahrung gemacht, dass 90 % auch das nächste Objekt mit uns abwickeln. Das gilt übrigens auch für den Großhandel und den Objekteur sowie für alle Projektgrößen - von unter 100 bis zu 40.000 m2.

BTH Heimtex: Interface ist dafür bekannt, sich ehrgeizige Ziele zu setzen. Welche sind diese aktuell?

Rödenbeck: Wir sind auf dem Weg, so groß zu werden wie die etablierten Hersteller von Bahnenware und wollen langfristig größter Anbieter von textilen Bodenbelägen im deutschen Objektbereich werden.

BTH Heimtex: Da legen Sie die Messlatte aber hoch.

Rödenbeck: Das wissen wir. Wir würden uns auch wünschen, dass andere große Hersteller von Teppichfliesen auf dem deutschen Markt sich stärker engagieren und uns unterstützen bei der Überzeugungsarbeit pro Teppichfliese.

BTH Heimtex: Sie haben seit langem das Thema Nachhaltigkeit erfolgreich besetzt, beispielsweise mit "Mission Zero", dem Plan, bis 2020 als erstes Unternehmen weltweit keinen negativen Einfluss auf die Umwelt zu haben. Überzeugt dieses Engagement im Verkaufsprozess.

Rödenbeck: Nachhaltige Produkte werden in beispielsweise nach LEED oder DGNB zertifizierten Projekten natürlich vorausgesetzt. Aber auch in nicht zertifizierten Objekten wird immer öfter das Thema Nachhaltigkeit nachgefragt. Entscheider, Bauherren und Nutzer interessiert, was in den Produkten drin ist, woher sie kommen und welche Auswirkungen sie haben - auf Umwelt, Mensch und die gebäudebezogenen Kosten im Lebenszyklus. Unser Ziel ist es, Nachhaltigkeit zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen.

BTH Heimtex: Wie sieht es da bei Interface-Produkten aus?

Rödenbeck: Bei allen Produktentwicklungen schauen wir uns erst einmal an, welchen Einfluss sie auf die Umwelt haben. Zunächst einmal haben wir keine Bahnenware im Sortiment, weil sie im Schnitt 10 % mehr Müll produziert als Fliesen. Die größten Auswirkungen auf den CO-Fußabdruck hat die Herstellung des Teppichgarns. Heute sind im Interface-Produktportfolio bereits 456 Farbstellungen erhältlich, deren Flor aus vollständig recyceltem Polyamid besteht.

Hinzu kommt, dass fast dreiviertel der Materialien für den Rücken unserer Produkte recycelt sind. Dennoch verzichten unsere Teppichfliesen nicht auf Qualität und Ästhetik.

Dann gibt es beispielsweise noch unser patentiertes und nahezu klebstofffreies System Tac Tiles für die lose Verlegung. Diese kleinen, quadratischen Klebeecken werden unter die Kreuzfugen von jeweils vier Fliesen gelegt und verbinden sie fest miteinander. Die Fliesen haben so auf einem DIN-gerecht vorbereiteten Untergrund festen Halt, sind aber nicht dauerhaft mit dem Boden verbunden.

Die Ecken können recycelt werden und reduzieren die negativen Auswirkungen der Installation auf das Innenraumklima durch VOC-Emissionen um 90 % im Vergleich zur Verwendung der klassischen Anti-Rutsch-Haftfixierung. Zusätzlich kann der Bodenbelag problemlos ausgetauscht werden und eine erneute Installation, ohne zeit-und kostenaufwendige Untergrundvorbereitung und Ausfallzeiten für den Nutzer ist problemlos möglich. Mittlerweile werden 30 % aller Teppichfliesen aus unserem Haus mit Tac Tiles verlegt.

BTH Heimtex: Wie sieht es in Bezug auf die Unternehmensführung aus?

Rödenbeck: Wir sind guter Dinge, dass wir unsere Mission Zero erreichen. Dabei helfen uns vor allem auch die EPDs. Die sogenannten Umweltproduktdeklarationen listen detailliert auf, welche Umwelteinflüsse ein Produkt ganz genau hat und machen unterschiedliche Bauprodukte vergleichbar in Bezug auf Nachhaltigkeit. Wir legen auch viel Wert auf eine dezentrale Produktionsweise, um lange Transportwege zu vermeiden. In den Fabriken in den USA, Australien, Thailand, China und in Europa produzieren wir pro Woche rund 1 Mio. m2. In Europa produzieren wir im niederländischen Scherpenzeel und dem nordirischen Craigavon.

Wir erleben immer wieder, dass diejenigen, die sich wirklich mit den Details von nachhaltigen Bodenbelägen beschäftigen und recherchieren, schnell bei Interface landen.

BTH Heimtex: Diese hohen Ansprüche müssen am Ende die Mitarbeiter im Markt erfüllen und sie "leben". Ist das immer durchzuhalten?

Rödenbeck: Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Nachhaltigkeit uns in Fleisch und Blut übergegangen ist. Es ist unsere DNA. Als ich zu Interface gekommen bin, habe ich nicht zuerst eine Produktschulung bekommen oder mir wurde etwa die Firma präsentiert. Das Erste war ein Nachhaltigkeitstraining. Und so geht es weltweit allen 3.500 Mitarbeitern von Interface. Wir haben intern eine eigene Nachhaltigkeits-Akademie, Nachhaltigkeitsbotschafter und jeder wird regelmäßig geschult zum Thema.

BTH Heimtex: Im Vertrieb haben Sie es mit Architekten, Händlern und Verarbeitern zu tun. Sind diese drei Zielgruppen gleich stark interessiert am Thema Nachhaltigkeit?

Rödenbeck: Unsere Argumentation besteht aus drei großen Säulen, die die verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich gewichten: Design, Funktionalität und Nachhaltigkeit. In dieser Reihenfolge sprechen wir die Vorteile von Interface-Teppichfliesen in der Regel beim Architekten an. Bei Objekten, die nachhaltig zertifiziert werden sollen, steht natürlich die Nachhaltigkeit im Vordergrund und wie viele Punkte man für die Zertifizierung mit dem Einsatz von Teppichfliesen erhält. Sprechen wir direkt mit dem Bauherren, steht Nachhaltigkeit im Vordergrund; Funktionalität und Design folgen.

Der Verarbeiter interessiert sich vor allem für die Funktionalität unserer Teppichfliesen. Wenn ihn diese in Bezug auf Qualität, Verarbeitung, Handling, Preis, Verfügbarkeit und Service überzeugt, fragt er nach Design und Nachhaltigkeit. Dementsprechend rückt die neue Basic Collection für Handel und Verarbeiter die Funktionalität in den Mittelpunkt.

BTH Heimtex: Textile Beläge sind vor allem im Büro-Segment immer noch sehr erfolgreich, weil sie am besten Lärm schlucken und für gute Akustik sorgen. Was kann Interface hier bieten?

Rödenbeck: Wir haben eine neue Rückenkonstruktionslösung zu bieten: Sone. 42 Qualitäten - was sehr viel ist - erreichen mit einem neuen, integrierten Filzrücken Alpha-w-Werte zwischen 0,3 und 0,4 und eine Verbesserung der Trittschalldämmung zwischen 5 und 7 dB im Vergleich zu unseren Standardprodukten.

Damit erfüllen wir jetzt in gewohnter Interface-Qualität die Akustikanforderungen, die hierzulande verlangt werden. Im konkreten Fall bleibt jedoch zu überprüfen, ob für das Projekt tatsächlich eine gesonderte Akustiklösung erforderlich ist.

Im Portfolio bleiben auch Re Cushion Bac und Interlay. Re Cushion Bac ist der zweite integrierte Rücken, der besonders stark in den Hertz-Bereichen 1.000 bis 2.000 und 2.000 bis 4.000 ist. Interlay ist die lose verlegbare und vollständig recycelte Akustikmatte. Nahezu alle Produkte mit Akustik-Rückenkonstruktion können außerdem wie gewohnt mit Tac Tiles verlegt werden.


Interface Daten und Fakten


Interface Deutschland GmbH
Rote-Kreuz-Straße 2
47800 Krefeld
Telefon: 02151/ 37 18-0
Fax: 02151/ 37 18-35
info-de@interface.com
www.interface.com


Geschäftsführung: Jan Hasselman
Vertriebs- und Marketingdirektor Zentral-, Osteuropa und Türkei: Julien Fanton
Verkaufsleiter Deutschland: Nils Rödenbeck
Marketing und Presse: Frans Spekking

Gründungsjahr: 1973
Mitarbeiter: 37, davon 20 im Außendienst
Muttergesellschaft: Interface Inc.
Umsatz 2013: 960 Mio. USD (699,7 Mio. EUR)
Vertriebskanäle: je zur Hälfte Großhandel und industriefähige Bodenleger/Raumausstatter
aus BTH Heimtex 03/14 (Wirtschaft)