Eurofoam GmbH
EU-Kommission: Schaum-Kartell büßt mit 114 Mio. Euro
Brüssel. Paukenschlag in der Matratzen-Branche: Die Europäische Kommission hat festgestellt, dass die vier großen Polyurethanweichschaum-Hersteller Vita, Carpenter, Recticel und Eurofoam an einem Preis-Kartell beteiligt waren. Die Kommission hat deshalb Ende Januar Geldbußen in Höhe von insgesamt 114,077 Mio. Euro gegen sie verhängt. Polyurethanweichschaum wird vor allem in Matratzen und Sofas verwendet.
Die Unternehmen trafen nach einer Mitteilung der Kommission von Oktober 2005 bis Juli 2010 Absprachen, um die Verkaufspreise verschiedener Arten von Schaumstoff in zehn Mitgliedstaaten der EU zu koordinieren: Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Ungarn, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien und Vereinigtes Königreich. Vita wurde die Geldbuße im Einklang mit der Kronzeugenregelung erlassen, da das Unternehmen die Kommission von dem Kartell in Kenntnis gesetzt hatte. Eurofoam (ein Joint Venture von Recticel und Greiner Holding), Recticel und Greiner erhielten um 50 Prozent verminderte Geldbußen, da sie die Nachforschungen der Kommission im Rahmen der Kronzeugenregelung unterstützten. Carpenter tat dies allerdings nicht. Wie hoch die Ermäßigung ausfällt, richtet sich danach, wann die Unternehmen ihre Zusammenarbeit angeboten und inwiefern die von ihnen vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells beigetragen haben.
Da alle Unternehmen der Anwendung des Vergleichsverfahrens der Kommission zustimmten, erhielten sie eine weitere Geldbußenermäßigung um zehn Prozent. Bei einem Vergleichsverfahren räumen Unternehmen, die an einem Kartell beteiligt waren, die Teilnahme an der Zuwiderhandlung ein und übernehmen die entsprechende Verantwortung. Das Vergleichsverfahren gestattet der Kommission den Rückgriff auf ein vereinfachtes Verfahren und folglich eine Verkürzung der Zeit für Nachprüfungen. Die Vorteile eines Vergleichs: Die Verbraucher und Steuerzahler haben geringere Kosten zu tragen, in der Kartellrechtsdurchsetzung werden Ressourcen für die Bearbeitung anderer Fälle frei, die Unternehmen können schneller mit einem Beschluss rechnen und Geldbußen-Ermäßigungen von zehn Prozent in Anspruch nehmen.
Der für Wettbewerbspolitik zuständige Kommissionsvizepräsident Joaqun Almunia erklärte zu dem Vorgang: "Kartelle schädigen unsere gesamte Wirtschaft und dürfen nicht toleriert werden. Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, solche rechtswidrigen Praktiken zu bekämpfen und zu sanktionieren: Das von dem Kartell betroffene Produkt ist sowohl ein grundlegender Bestandteil der von allen Bürgern gekauften Möbel wie Matratzen und Sofas als auch ein wichtiges Vorprodukt für bestimmte Wirtschaftszweige wie die Automobilbranche."
Das Kartell bezweckte nach Informationen der Kommission, die gestiegenen Kosten der Ausgangsstoffe für Massenchemikalien an die Kunden weiterzugeben und einen aggressiven Preiswettbewerb zwischen den vier Herstellern zu vermeiden. Um dies zu erreichen, hätten die Kartellmitglieder Preiskoordinationssitzungen auf allen europäischen Management-Ebenen veranstaltet. Die Kartellteilnehmer trafen sich der Kommission zufolge am Rande von Sitzungen europäischer und nationaler Verbände, und es kam zu zahlreichen Telefonaten und anderen bilateralen Kontakten. Die Ermittlungen dürften auch das Ende des Verbandes der Polyurethan-Weichschaum-Industrie in Frankfurt eingeläutet haben, der Mitte 2012 seine Arbeit einstellte.
Vita wurde die Geldbuße aufgrund der Aufdeckung des Kartells vollständig erlassen. Andernfalls wäre das Unternehmen für seine Beteiligung an der Zuwiderhandlung mit einer Geldbuße von 61,7 Mio. Euro belegt worden. Carpenter trägt den Löwenanteil der Kartellstrafe mit 75,009 Mio. Euro. Es wurde aufgrund der unmittelbaren Beteiligung seiner europäischen Tochtergesellschaften zur Verantwortung gezogen, während Carpenter nur für seine Beteiligung als Muttergesellschaft haftbar gemacht wurde. Recticel ist für eigene Handlungen mit einer Strafe von 7,442 Mio. Euro belegt worden. Eurofoam seinerseits wird mit 31,626 Mio. Euro bestraft, deren Summe wiederum auf die Gesellschafter Recticel und Greiner umgelegt wird. Tatsächlich wird also Recticel mit insgesamt 26,9765 Mio. Euro und Greiner mit 12,0915 Mio. Euro Geldbuße belegt.
Bei der Festsetzung der Geldbußen trug die Kommission den Absatzzahlen der beteiligten Unternehmen für die entsprechenden Produkte in den betroffenen Mitgliedstaaten, der besonderen Schwere des Verstoßes, der geografischen Reichweite des Kartells sowie seiner Dauer Rechnung.
Haustex fragte den Matratzen-Verband, wie er das Urteil bewerte und vor allem, welche Auswirkungen es auf die Preise für Matratzenschäume haben könnte: "Der Verband unterstützt Entscheidungen wie diese und geht davon aus, dass sie den fairen Wettbewerb fördern. Preise sollten sich am Markt entwickeln, möglichst transparent sein und sich im besten Fall an der Qualität von Produkten orientieren. Ein fairer und freier Wettbewerb dient allen Marktbeteiligten, den Konsumenten ebenso, wie dem Handel und der Industrie", erklärte dazu Dr. Ulrich Leifeld.
"Wie sich am aktuellen Fall wieder zeigt, sind die verhängten Strafen so drakonisch, dass wir auf ihre abschreckende Wirkung hoffen. Es muss deutlich werden, dass es sich nicht lohnt, wettbewerbswidrige Absprachen zu treffen - ganz gleich in welcher Branche. Was die Preisentwicklung bei den PU-Schäumen angeht, können wir als Verband keine Aussagen machen, da wir grundsätzlich nichts mit allen Bereichen der Preisfindung/-bildung/-entwicklung zu tun haben. Dies ergibt sich aus unseren Compliance-Regeln, die die Grundlage unserer Verbandsarbeit bilden und die wir penibel befolgen."
aus
Haustex 02/14
(Wirtschaft)