Amtico: Interview mit Oliver Kluge, Kirsten Krämer und Stefan Prinz
"Wir sind näher am Markt, den Projekten, den Entscheidern"
Als LVT-Pionier behauptet sich Amtico seit mehr als 40 Jahren erfolgreich auf dem deutschen Markt. Im Objektgeschäft hat man einen guten Namen und gilt heute als stärkste Marke für Designbeläge. Doch ganz getreu der Firmenphilosophie, sich kontinuierlich zu hinterfragen, baut Amtico mit Hilfe der US-amerikanischen Mutter Mannington Mills sein Produktportfolio kontinuierlich aus, beispielsweise mit einem Sauberlauf-System. Wie man auch in Zukunft einer der wichtigsten LVT-Hersteller bleiben will, berichten Deutschland-Geschäftsführer Oliver Kluge, Marketingleiterin Kirsten Krämer und D/A/CH-Vertriebsleiter Stefan Prinz im Gespräch mit BTH Heimtex-Redakteur Jochen Lange.
BTH Heimtex: Amtico gilt als Pionier bei Designbelägen. Seit 1964 gibt es das englische Unternehmen und auch in Deutschland haben Sie als erster LVT vertrieben. 50 Jahre später gehört die hiesige Vertriebsgesellschaft zu den führenden im Segment. Wie haben Sie das geschafft?
Oliver Kluge: Wir sind verlässlich und konsequent, aber trotzdem flexibel. Der wichtigste Grund ist sicherlich die große Kontinuität im Personal. Durchschnittlich arbeiten unsere Mitarbeiter mehr als 15 Jahre für uns. Das schafft Vertrauen und Sicherheit bei unseren Kunden. Gerade deshalb ist Amtico zu einer starken Marke geworden mit einem hohen Bekanntheitsgrad.
Zudem bieten wir Qualitätsprodukte mit einem sehr hohen Design- und Gestaltungsanspruch. Wir machen natürlich auch Fehler. Wichtig ist aber, dass wir uns kontinuierlich hinterfragen, bei dem was und wie wir es tun. Und wir versuchen immer wieder neue Wege zu gehen und Dinge anders zu machen als unsere Wettbewerber. Sonst wären wir sicherlich in den vergangenen Jahrzehnten auf der Strecke geblieben oder in der anonymen Masse des Marktes untergegangen.
BTH Heimtex: Wie gehen Sie mit dem verschärften Wettbewerb im LVT-Markt um? Sie wirken erstaunlich entspannt, obwohl die Preise unter Druck sind und Amtico mit Abstand der teuerste Anbieter ist.
Kluge: Wir haben sicherlich im Objekt einen Vorsprung. Diesen zu halten, daran arbeiten wir jeden Tag. Niemand kann garantieren, dass wir auch noch in fünf Jahren die Nase vorn haben werden. Darauf hat keiner einen Anspruch. Aber wir machen eben nicht alles mit und konzentrieren uns auf Dinge, die aus unserer Sicht Sinn machen.
Wir haben uns beispielsweise gegen LVT auf HDF-Träger entschieden und auch dagegen, mit allen Großhändlern zusammenzuarbeiten. Außerdem sagen wir nicht wie andere, dass unsere Looselay-Produkte selbstliegend sind, sondern empfehlen, sie zu fixieren.
Wir bewahren die Ruhe, weil wir wissen, dass wir näher am Markt, an den Projekten, den Entscheidern sind. Unsere Arbeit findet beim Architekten statt. Wir bieten ihm Vorteile in Sachen Design, Produktqualität und Dienstleistung. Zudem sind wir auch vernetzt mit Anbietern anderer Produkte, die die selben Projekte bearbeiten. Das macht uns sehr schnell.
Wir werden auch nicht nervös, wenn der Umsatz in einigen Regionen einmal zurückgeht. Wir wissen, dass das normale Zyklen sind, und sorgen dafür, dass unsere Mitarbeiter gut ausgestattet wieder durchstarten können.
BTH Heimtex: Seit 2012 gehört Amtico zu Mannington Mills aus den USA. Welche Auswirkungen hat die Übernahme durch einen der größten Bodenbelagshersteller weltweit auf Ihre tagtägliche Arbeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz?
Stefan Prinz: Wir spüren im Alltagsgeschäft von der Übernahme nichts - ich meine das im positiven Sinne. Was wir mit großer Freude registrieren: Jetzt wird investiert. Da ist etwa die neue Kalander-Anlage, die in der Amtico-Zentrale in England aufgebaut wurde, die uns stärker macht. Auch personell wurde und wird weiter investiert: Unser Vertriebsteam haben wir in einem ersten Schritt mit drei neuen Reisenden aufgestockt, denen in Zukunft weitere folgen werden. Zudem erhält Kirsten Krämer seit einiger Zeit Unterstützung von einer neuen Kollegin im Marketing.
Diese Dinge sorgen für Ruhe unter den Mitarbeitern, die bei der Übernahme verunsichert waren, weil sie nicht wussten, was der neue Eigentümer vorhat. Das Signal ist aber klar: Wir sind jetzt im sicheren Hafen eines in vierter Generation geführten Unternehmens. Alle unsere Mitarbeiter haben den neuen Besitzer Keith Campbell bereits persönlich kennen gelernt. Das schafft zusätzliches Vertrauen.
BTH Heimtex: Solch eine beruhigende Wirkung konnten amerikanische Unternehmen in Europa in der Vergangenheit nicht oft entfalten
Kluge: Bei Mannington ist das Gegenteil der Fall. Die Übernahme war für uns ein Glücksgriff. Wir hatten zuvor 16 Jahre unter zwei Finanzinvestoren gearbeitet und zwei Management Buy-Outs erlebt. Wir haben gut zusammengearbeitet und das Unternehmen war sehr gesund. Ein Umsatz- und Gewinnrekord folgte auf den nächsten. Nur leider hätten die Investitionen höher sein können, weil sich das Marktumfeld in den vergangenen Jahren stark geändert hat.
BTH Heimtex: Mannington hat bereits zwei erfolglose Versuche in den 1980er- und 90er-Jahren hinter sich, in Europa Fuß zu fassen. Wieso soll es jetzt über Amtico klappen?
Kluge: Mannington hatte in der Vergangenheit versucht, auf eigene Faust in den europäischen Markt zu kommen. Das hat finanzielle Ressourcen gekostet. Beim dritten Mal wollen die Amerikaner ihr Ziel unbedingt erreichen. Und das werden wir gemeinsam schaffen, weil Amtico in Europa Zuhause und hier fest verankert ist - und über die meisten Erfahrungen im LVT-Geschäft verfügt und dementsprechend weiß, wie strategisch und vertrieblich zu agieren ist.
Zudem produzieren wir nicht nur im englischen Coventry, sondern betreiben bereits seit Ende der 1990er-Jahre ein LVT-Werk im US-Bundesstaat Georgia. Das ist für Mannington interessant gewesen, weil der Konzern bis dato Designbeläge ausschließlich aus Asien importiert hatte und parallel das eigene LVT-Geschäft in Nordamerika sehr stark gewachsen ist. Generell genießen wir sehr viele Freiheiten. In das Europa-Geschäft wird uns nicht hineingeredet. Wir machen Dinge anders und haben viel verändert.
BTH Heimtex: Zum Beispiel?
Kluge: In der Vergangenheit wurden Marketing und Öffentlichkeitsarbeit ausschließlich von England aus gesteuert. Jetzt haben wir neben Großbritannien Marketingleute in Deutschland, Frankreich und Schweden. Dadurch zeigen wir Präsenz vor Ort und können viel besser und schneller auf die Gegebenheiten in den unterschiedlichen Märkten eingehen.
BTH Heimtex: Können Sie diese Freiheiten auch im Produktportfolio ausleben?
Kirsten Krämer: Beispielsweise sieht die Premium-Kollektion Signature was Aufmachung und Aufbau angeht komplett anders aus als in Großbritannien. Unsere Kollektion der LVT-Klickbeläge beziehen wir sogar von einem anderen Hersteller als unsere Kollegen in UK. Hier hatten wir andere Vorstellungen und mussten anderen Marktanforderungen Rechnung tragen. Das wurde akzeptiert.
BTH Heimtex: Wie groß ist Ihre Vertriebsmannschaft in der D/A/CH-Region?
Prinz: Sie besteht aus 19 Mitarbeitern inklusive zwei Verkaufsleitern sowie vier Key Accountern - einem für Retail, zwei für Healthcare und einem für Hotel & Leisure.
BTH Heimtex: Wie stark arbeitet Ihr Team mit dem deutschen Großhandel zusammen?
Prinz: Rund ein Drittel unseres Geschäftes wickeln wir mit dem Großhandel ab. Die Intensität der Zusammenarbeit hängt ab von den Objekten, den Produkten und deren Preisstrukturen sowie der Region. In manchen Gegenden wird jeder zweite Auftrag gemeinsam erledigt. Unsere Klick-Produkte vertreiben wir beispielsweise ausschließlich in Eigenregie.
Was uns sicherlich von den meisten anderen Herstellern unterscheidet ist, dass wir nicht mit jedem Großhändler zusammenarbeiten. Dort wo wir es tun, ist die Kooperation eng, fair, gewinnbringend und nachhaltig für beide Seiten. Aufgrund der enormen Marktveränderungen verschiebt sich die Arbeit jedoch hin zum Direktgeschäft.
BTH Heimtex: Wer ist die wichtigste Zielgruppe ihrer Vertriebsarbeit?
Prinz: Das ist die klassische, zeit- und personalintensive Objektbearbeitung bei Architekten und Innenarchitekten. Dort ist unsere Stärke. Da haben wir uns einen Namen erarbeitet. Auch für diesen Bereich werden wir unser Team Stück für Stück erweitern.
BTH Heimtex: Das gilt doch sicherlich auch in Bezug auf Ihr Produktangebot. Mannington bietet hier ja eine breite Palette.
Kluge: Das ist richtig. Unser neuer Mutter-Konzern produziert keramische Fliesen, Gummi-Bodenbeläge, Teppichboden und -fliesen, Parkett, Laminat, Sicherheitsbeläge und homogene sowie heterogene PVC-Beläge als Bahnenware. Hinzukommen importierte LVT. Die Perspektiven sind in der Tat vielfältig.
BTH Heimtex: Gibt es bereits konkrete Sotimentserweiterungen?
Prinz: Wir haben in einem ersten Schritt das Sauberlaufsystem Entryway hinzugenommen. Die textilen Fliesen passen zu unseren modularen LVT-Belägen und ergänzen diese - besonders weil das Thema Sauberlauf noch unterentwickelt ist in Deutschland. Technisch haben wir das Produkt so verändert, dass es den Ansprüchen des hiesigen Marktes beispielsweise in Bezug auf die REACH-Vorgaben entspricht.
Die Fliesen bestehen aus hochwertigen, solution-dyed Polyamid 6.6-Garnen und reihen sich nahtlos ein in den hohen Qualitäts- und Designanspruch unseres Hauses. Kurz gesagt: Eine Amtico-Lösung für den Eingangsbereich.
Wir haben gerade ein Objekt damit gewonnen, in dem wir mit unseren LVT aber nicht zum Zuge gekommen sind. Zudem sind wir durch und durch Objektleute mit einem engmaschigen Netzwerk, das uns in die Lage versetzt, neue Produkte wie diese sowie zukünftige schnell im Markt zu platzieren.
Krämer: In Zukunft werden wir bereits bei der Entwicklung ein Augenmerk darauf legen, dass unsere Produkte technisch und optisch kombiniert werden können. Die Design- und Entwicklungsabteilung in Coventry wurde auf 14 Mitarbeiter aufgestockt. Zudem findet bei vielen Produktgattungen auf allen Ebenen ein reger Austausch statt mit den amerikanischen Kollegen. Hier kann auch der deutsche Markt noch einiges von Amtico erwarten.
Kluge: Diese Vorgehensweise ist ein gutes Beispiel für unseren generellen Ansatz, uns immer wieder zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Denn allen Marktakteuren ist heute klar, dass das Wachstum von LVT-Belägen endlich sein wird. Und dann ist es wichtig, auf mehreren Standbeinen zu stehen.
BTH Heimtex: Welche Arten von LVT bieten Sie denn heute an?
Prinz: Wir haben Dryback-, Looselay- und Klick-Produkte mit Nutzschichtstärken zwischen 1 und 0,3 mm unter den Namen Signature, Spacia, First, Access und Click im Programm. Unsere Premium-Kollektion ist Signature mit einer 1 mm starken Nutzschicht zur vollflächigen Verklebung, die in Deutschland neben uns nur ein anderer Hersteller anbietet. Daneben haben wir noch die spezielle Range Amtico Marine für das Segment Schifffahrt.
BTH Heimtex: Welche Produkte sind für Sie die wichtigsten?
Prinz: Die Dryback-Produkte geben bei uns umsatzmäßig den Ton an. Dort haben wir im Nutzschicht-Bereich 0,7 mm und mehr einen Marktanteil von über 30 %. Je dünner die Nutzschicht wird, desto weniger sind wir vertreten. Gerade im 0,3 mm-Segment wollen wir in Zukunft aber stärker werden.
In Bezug auf die Art der Installation sehen wir zudem für unsere Looselay-Kollektion Access viel Potenzial. Im Vertrieb ist dieses Produkt interessanter als Klick-LVT, auch im Hinblick auf die Kombinationsmöglichkeiten mit den Teppichfliesen, die sich derzeit in Planung befinden. Der Markt für Klick-LVT ist aus unserer Sicht jetzt und mittelfristig sehr stark unter Preisdruck. Deswegen ist unserer Strategie richtig, dort keinen Schwerpunkt gesetzt zu haben.
Krämer: Mit der Kollektion Signature zur vollflächigen Verklebung rücken wir das Thema Individualität in den Fokus. Viele Kunden können sich gar nicht vorstellen, welche gestalterische Vielfalt Amtico in Bezug auf Design- und Farbkombinationen, Verlegemuster, Motive und Bordüren bis hin zu einzigartigen Zuschnitten mit der Range bietet. Wir als LVT-Pioniere entwickeln die ursprüngliche Idee der Designbeläge konsequent weiter: einen Baukasten für individuelle Bodendesigns bereitzustellen.
Amtico Daten und Fakten
Amtico International GmbHIm Taubental 11
41468 Neuss
Tel.: 02131 / 3 59 16-0
Fax: 02131 / 3 59 16-50
info@amtico.de
www.amtico.com
Geschäftsführer: Oliver Kluge
Vertriebsleitung D/A/CH: Stefan Prinz
Marketingleitung: Kirsten Krämer
Anwendungstechnik: Jörg Schütten
Gründungsjahr: 1989
Mitarbeiter: 35
Außendienst: 19, darunter vier Key Accounter in den Bereichen Retail, Healthcare und Hotel & Leisure
Umsatz 2013: 25 Mio. EUR, 120 Mio. EUR in Kontinental-Europa
Muttergesellschaft: The Amtico Company Ltd., Coventry, England
Eigentümerin seit 2012: Mannington Mills, Inc., Salem, New Jersey, USA
Produkte: Keramische Fliesen, Teppichboden sowie -fliesen, Sauberlaufsysteme, Gummi-Bodenbeläge, klassische homogene und heterogene PVC-Bahnenware, Sicherheitsbeläge, LVT, Parkett und Laminat
LVT-Produktion: Zwei Werke in Georgia (USA) und Coventry (GB) mit einer Gesamt-Kapazität von 14 Mio. m
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BTH Heimtex 05/14
(Wirtschaft)