Bundesverband WDVS: Interview mit Geschäftsführer Dr. Wolfgang Setzler

"Unser Ziel ist der sortenreine Rückbau von EPS"


Wirtschaftlichkeit, Brandverhalten, Müll - Wärmedämm-Verbundsysteme werden derzeit kritisch hinterfragt. Dr. Wolfgang Setzler, Geschäftsführer im Bundesverband WDVS, entkräftet die Vorwürfe. Er ist sich sicher, dass sich richtig geplante Wärmedämmung nicht nur für die Umwelt, sondern auch für das Portemonnaie von Eigenheimbesitzern und Mietern rechnet.

BTH Heimtex: Trotz der einhelligen Expertenmeinung, dass Dämmung den Energieverbrauch senkt und damit zur Energiewende beiträgt, sind Wärmedämm-Verbundsysteme in die Kritik geraten. Wie gehen der Fachverband etwa mit dem Vorwurf um, dass der Dämmwahn zu "Müllbergen so hoch wie die Alpen" führt?

Dr. Wolfgang Setzler: Zunächst nehmen wir jede Kritik ernst und untersuchen den Sachverhalt. Fakt ist, dass wir weltweit keinen Überschuss, sondern einen akuten Mangel an Styropor-Recyclingmaterial haben. Die korrekte Bezeichnung ist expandiertes Polystyrol, abgekürzt EPS. Die Mengen der anfallenden Dämmstoffabfälle auf EPS-Basis wurden analysiert. Das Fazit: Es besteht kein Verwertungsproblem, denn die vorhandenen Wärmedämm-Verbundsysteme aus den 60er, 70er und 80er Jahren werden heute aufgedoppelt und somit den gestiegenen Anforderungen der Energieeinspar-Verordnung (EnEV) gerecht.

BTH Heimtex: Aber irgendwann haben die Dämmsysteme ihr Lebensende erreicht und müssen entsorgt werden. Was geschieht dann?

Dr. Setzler: Wir forschen diesbezüglich schon seit längerer Zeit. Ganz aktuell mit einem sehr umfangreichen, vom Bund geförderten Forschungsprojekt. Unser Ziel ist der sortenreine Rückbau, denn EPS ist geparkte Energie. In etwa 18 Monaten können wir konkrete Ergebnisse vorstellen. Eines ist jedoch bereits sicher: Die WDV-Systeme von heute können morgen dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden und müssen keinesfalls als Sondermüll deponiert werden.

BTH Heimtex: Wie begegnen Sie dem Vorurteil, Dämmung führe zu Schimmelbefall an den Wänden?

Dr. Setzler: Die Stiftung Warentest hat im Test Spezial Energie 6/2006 klargestellt, dass das Gegenteil der Fall ist: "Schimmelbefall verbirgt sich vor allem dort, wo falsch oder gar nicht gedämmt ist."

Dämmstoffe, die fachgerecht an der Wand angebracht werden - ganz gleich ob von innen oder außen -, erhöhen die Wandtemperatur und minimieren so das Risiko der Schimmelbildung. Kalte Wandflächen und hohe Luftfeuchtigkeit im Raum sind die häufigsten Ursachen für Schimmelprobleme. Allerdings müssen sich die Bewohner energetisch sanierter Gebäude, bei denen auch die Fenster ausgetauscht wurden, einfach vernünftig verhalten. Das heißt, es muss von Zeit zu Zeit ein Luftaustausch erfolgen.

BTH Heimtex: Auch über die angebliche Brandgefahr von WDVS auf EPS-Basis wird viel diskutiert. Wie sieht Ihr Verband dieses Thema?

Dr. Setzler: Wir sehen dies mit Sorge, denn hier werden massiv Ängste geschürt. Aber natürlich ist jeder Brandfall einer zu viel.

Laut Auswertung der Branddaten 2011 lag die Beteiligung von EPS-basierten WDV-Systemen an allen registrierten Bränden im Promille-Bereich und somit unter 1 %. Die Bundesbauministerkonferenz hat sich 2012 mit dem Thema Brandschutz von WDVS beschäftigt und festgestellt, "dass Wärmedämmverbundsysteme mit Polystyroldämmstoffen ordnungsgemäß zertifiziert und bei der zulassungsentsprechenden Ausführung sicher sind." Gleichwohl nimmt sie die Brandereignisse ernst. Es wurde beschlossen, alle relevanten Brandereignisse von Wärmedämm-Verbundsystemen mit Polystyroldämmstoffen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände und Gefahren bei Montagezuständen zu untersuchen.

Der Fachverband WDVS beteiligt sich an dieser Analyse. Wir führen Gespräche mit dem Deutschen Feuerwehrverband, dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft sowie dem verarbeitenden Fachhandwerk, wie wir die Baustellen noch sicherer machen und die Hauptursache für Fassadenbrände - Brandanschläge auf Container, die auf die Fassade übergreifen - verhindern können.

BTH Heimtex: Immer wieder wird die Wirtschaftlichkeit von Dämm-Maßnahmen angezweifelt

Dr. Setzler: Dämmen lohnt sich auf jeden Fall. Diese Aussage können viele tausend Bauherren bezeugen. Das Internet ist voll von wissenschaftlichen und praktischen Belegen.

Für den Energiesparkompass 2012 wurden mehr als 1.000 Mieter durch infratest dimap befragt, wie sie die Auswirkungen der energetischen Sanierung bewerten. 83 % der Befragten sehen die Auswirkungen sehr positiv und überwiegend positiv.

Die Frage der Wirtschaftlichkeit darf allerdings nicht auf mögliche Amortisationszeiten und Heizöleinsparungen beschränkt werden, weil diese auch sehr stark vom Nutzerverhalten abhängig sind. Gefordert sind wir auch im Neubau. Der Bauherr oder Investor kann durch richtige Planung im Vorfeld bis zu mehreren Hunderttausend EUR sparen.
aus BTH Heimtex 05/14 (Wirtschaft)