3. Trend-Table Tapete in Hamburg
Contzen bescheinigt Tapete "tolle Perspektiven"
Bei der Inneneinrichtung kommt es auf Farbigkeit, Haptik und Authentizität an. Davon sind der Farbexperte Prof. Axel Venn, der Designer Lars Contzen und die Tapeten Kreativ-Chefin von Rasch, Sigrid Frommberger, überzeugt. In ihren kurzweiligen, pointierten Vorträgen stellten sie beim dritten Trend-Table des Deutschen Tapeten-Instituts im Hamburger Showroom "Tapetenwechsel" Wohn- und Einrichtungstrends vor.von Cornelia KüselWeiß regt mich auf", echauffierte sich Prof. Axel Venn, der sein Referat auf dem mittlerweile 3. Trend-Table des Deutschen Tapeten-Instituts in Hamburg mit reichlich Witz und Charme garnierte. Weiß bedeute für ihn "tödliche Langeweile". Doch die Zeiten, in denen weiße Wände als chic galten, seien nun endlich vorbei. "Farbe spielt eine immer größere Rolle", betonte der Professor für Farbgestaltung und Trendscouting an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim.
Bei der modernen Farbzusammenstellung gebe es kein Diktat, alles sei gestattet. Zu berücksichtigen sei lediglich, dass Wand und Wohnraum nicht monothematisch gestaltet sein dürften. Venn riet zu einer Mischung aus Beruhigung und Anregung: "Beruhigend sind neutrale Farben ohne starke Charakteristik, etwa mattes Gelb, zartes Orange oder Sorbettöne. Die anregende Wirkung kann zum Beispiel durch buntstiftartige, knallige Farben erzielt werden." Insgesamt aber müsse die Einrichtung haptische Qualitäten aufweisen, um sie mit allen Sinnen zu erfassen.
Daheim will man sich wohl fühlenWie schon die Interlübke-Wohnstudie (siehe BTH Heimtex 6/12) kommt auch Venn zu dem Schluss, dass die Wohnung bei den Deutschen hoch im Kurs steht. "Man outet sich heute mit dem Wohnen. Wir zeigen, wie wir leben und damit unsere Persönlichkeit", sagte er und verwies darauf, dass sich Menschen wieder mehr und mehr zu Hause träfen statt auswärts. Sie öffneten ihre Wohnungen bis nach draußen in den Garten hinaus und bewiesen so ihre Identität beim Wohnen. Heimatlichkeit sei das Stichwort. Dabei dürfe die Einrichtung auch leicht kollektivistisch statt rein individualistisch ausfallen. "Wichtig ist, dass man sich wohl fühlt", formulierte Venn die Leitlinie modernen Wohnens.
Lars Contzen, der erfolgreich Tapeten für A.S. Création entwirft, konzentrierte sich in seinem Beitrag voll auf Wandbeläge. "Ähnlich wie Bekleidung drückt die Tapete das persönliche Lebensgefühl und die Lebensauffassung aus", betonte er und bestätigte damit die allgemeinen Aussagen Venns. Nach Ansicht des Designers eröffnen sich für die wieder erstarkte Tapete "tolle Perspektiven". Sie müsse aber authentisch bleiben. Das sei auch der Schlüssel zu ihrer Renaissance. "In den 70er Jahren war sie zu schrill und laut. Es gab keinen Einklang zwischen der Tapete und dem Mobiliar", erläuterte Contzen. Heute sei sie dagegen ein "ehrliches" Produkt, entstanden aus subkulturellen Strömungen im New York der 1980er Jahre. Es habe mit Graffiti als Botschaft im öffentlichen Bereich begonnen. Später hätten Streetartkünstler authentische Grafikformen auf die Wände gebracht, woraus sich die heutige Tapete entwickelt habe.
Kommunikation über BilderContzen bedient sich mit Erfolg dieser Subkulturströmungen. Von seinen Tapeten für A.S. Création wurden mittlerweile 25Mio.m verkauft. Durch die Technik werde sich die Tapete in den kommenden Jahren immer weiter entwickeln. Sie sei nicht nur dekorativ, sondern erfülle den Wunsch nach stärkerer Kommunikation über Bilder, ist er sich sicher.
Die Kommunikation durchzog auch den Vortrag von Sigrid Frommberger, Leiterin des Tapeten Studios von Rasch. Von ihr sei noch einiges zu erwarten. "So wird die reale Welt durch die virtuelle Welt verdrängt", beschrieb Frommberger einen Megatrend. Damit werde individuelles Wohnen ganz neu interpretiert. Daraus resultiere, dass die Produkte der Zukunft wieder vermehrt taktile Reize ansprechen müssten. "Wir schätzen den Wert von handgemachten und ursprünglichen, unverfälschten Dingen, Produkten mit Seele und persönlicher Geschichte", machte die Studio-Chefin deutlich. Allzeit verfügbare Informationen zu Trends und Strömungen in der Gesellschaft und eine wachsende Transparenz von Prozessen beinflussen Designer und Trendscouts. Auf diese Herausforderung sei sie mit ihrem aus 12 Designern aus 5 Ländern aufgestelltem Team bestens vorbereitet. Als Trends hat Rasch "industrial chic", "wilderness", "hyper nature" und "deluxe" definiert.
Die Erkenntnisse und Einschätzungen der Experten bildeten eine breite Grundlage für Diskussionen unter den Gästen des Trend-Tables, die es sich im angenehmen Ambiente des Showrooms nicht nehmen ließen, die Redner mit Fragen zu gegenwärtigen und künftigen Entwicklungen zu löchern. Einigkeit herrschte darüber, dass die Veranstaltung wieder einmal ein voller Erfolg war und eine Fortsetzung im nächsten Jahr erwünscht ist.
aus
BTH Heimtex 07/12
(Marketing)