Weseta
Webtradition seit 150 Jahren
Engi/CH. Ludwig II. wurde König von Bayern, Florenz zur Hauptstadt Italiens und in Amsterdam begann die Geschichte des Brau-Imperiums Heineken. 1864 war ein interessantes Jahr, in dem noch etwas bemerkenswertes geschah. Leonhard Blumer gründete im Sernftal ein Unternehmen, das bis heute besteht: Weseta Textil ist die einzige Schweizer Weberei von Premium-Frottiertextilien. Sie feiert im September ihr 150-jähriges Jubiläum.
Mitte des 19. Jahrhunderts litt die Schweiz unter schweren Wirtschaftskrisen. Wie viele Kantone war auch Glarus in der östlichen Alpenregion des Landes gezeichnet von Überbevölkerung, Armut und Hungersnot. Wer konnte, wanderte aus: 150 Glarner gründeten New Glarus in den USA. Wer blieb und zu wenig Land besaß, um seine Familie zu ernähren, wurde Tagelöhner im Plattenberg und baute Schiefer ab für Schulschreibtafeln, Wirtshaustische oder Dachplatten. Das änderte sich, als 1864 ein 19-jähriger Bürger aus Engi neue Arbeitsplätze schuf.
Leonhard Blumer hieß der Mann, der den Glarnern zu besserer Arbeit verhalf. Er bewegte reiche Einheimische dazu, ihm eine Weberei mit 180 Webstühlen zu finanzieren. 1864 erbaute er die Weberei Sernftal und produzierte neben Frottiertüchern ein umfassendes Sortiment von Damast, Hemdenstoffen, Tisch- und Bettwäsche für die sogenannten Verleger, die bis vor wenigen Jahrzehnten hauptsächlich für den Vertrieb von Textilien verantwortlich waren.
Ab 1972 spezialisierte sich das Unternehmen auf Frottier-Produkte und hat sich unter dem Namen Weseta Switzerland zum einzigen Schweizer Hersteller von Premium-Frottierwäsche entwickelt. Dank der Fokussierung auf exklusive Frottierwäsche für den Luxus-Markt gelang es dem Traditionsunternehmen, sich trotz der Veränderungen in der globalisierten Textilwirtschaft zu behaupten und weiterhin am Standort Schweiz zu bleiben.
Leonhard Blumer war ein Pionier und Visionär. Er brachte außer der Textilindustrie auch die Elektrizität nach Engi, gründete eine Schule und gehörte überdies zu den Initiatoren der Sernftalbahn. Um das Jahr 1900 herum beschäftigte die Weberei Sernftal bereits über 300 Mitarbeiter. Die Weberei litt unter der Wirtschaftskrise der Dreißiger Jahre, überstand die beiden Weltkriege und blühte Mitte des 20. Jahrhunderts wieder auf.
1995 wurde das Unternehmen von Conrad Peyer und Heini Kählin übernommen, neu ausgerichtet und in Weseta Textil umbenannt. Heute beschäftigt es rund 40 Mitarbeiter und stellt exklusive Frottierwäsche als maßgeschneiderte Fertigprodukte für gehobene Warenhäuser und die Luxusmarke Christian Fischbacher her. Unter dem Markennamen Weseta Switzerland kam 2012 "Douceur", die erste eigene Frottierkollektion, auf den Markt. Weseta Switzerland hat sich inzwischen national und international einen starken Namen für Luxus auf der Haut gemacht.
Ein Stück WirtschaftsgeschichteAn der Geschichte des Unternehmens lassen sich viele Veränderungen ablesen, die die Schweizer Wirtschaftsgeschichte in den letzten 150 Jahren geprägt haben. So ist die Schweizer Textilindustrie in den letzten 50 Jahren von 80.000 auf 8.000 Arbeitsplätze geschrumpft. Entgegen aller Tendenzen in der globalisierten Textilindustrie hat sich Weseta der Idee von "Swiss Made" verschrieben und bekennt sich zur Schweizer Qualität und damit zum Standort Schweiz - mit Erfolg und dem Mut zur Innovation.
Conrad Peyer, der heutige Inhaber, steht für den heimischen Standort ein, ist überzeugt von dessen Chancen und investiert auch in schwierigen Zeiten ins Unternehmen. Sein Glaube daran, dass Gutes gut tut und deshalb immer ein Publikum findet, trug dazu bei, dass die Firma sämtlichen Turbulenzen der Schweizer Textilindustrie trotzen konnte und heute mit Zuversicht in die Zukunft geht.
Moderne FrottierwebereiDies belegt nicht zuletzt der Mut, sich antizyklisch zu verhalten. 2008, mitten in der Finanz-und Immobilienkrise, investierte Conrad Peyer gemeinsam mit der Weseta Kraftwerke AG große Summen in die neue Produktionsinfrastruktur, und seit 2011 besitzt die Firma eine der nach eigenen Angaben modernsten Frottierwebereien Europas. Das ging jedoch nicht ganz reibungslos vonstatten, weil die neuen Maschinen zwar vieles besser, aber auch vieles nicht mehr konnten, was zum guten alten Handwerk gehört. Weseta brachte die Ingenieure fast zur Verzweiflung, aber am Ende wurde alles gut, getreu dem Prinzip: Qualität ist eine Frage der Einstellung - und zwar bei Menschen und Maschinen.
aus
Haustex 09/14
(Wirtschaft)