Interview des Monats mit den Glass-Vorständen Patricia Glass-Schweizer und Dirk Wingender
Glass führt dreistufigen Vertrieb ein
Die Marktbedürfnisse und das eigene Produktportfolio haben bei Glass zu einer neuen strategischen Ausrichtung geführt: Die starke Marke für Estriche und Estrichzusatzmittel aus Feldkirch, bislang für den Direktvertrieb bekannt, setzt künftig ausschließlich auf den dreistufigen Vertrieb. Im Interview des Monats mit FussbodenTechnik erläutern die Vorstände Patricia Glass-Schweizer und Dirk Wingender, warum sie künftig auf die Zusammenarbeit mit Stützpunkthändlern setzen, dadurch mehr Zeit für die Estrichleger haben und welche neuen Produkte bei der Zielgruppe besonders gut ankommen.
FussbodenTechnik: Frau Glass-Schweizer, bei Glass hat sich in den letzten Monaten einiges getan. Was sind die wesentlichen Veränderungen?
Patricia Glass-Schweizer: Schlagwortartig kann ich die Umstrukturierung und Erweiterung der Vertriebswege, das Einstellen von zusätzlichem Personal in Technik und Verkauf sowie größere Investitionen in die Entwicklung neuer Produkte nennen. Seit 1. Oktober 2013 haben wir mit Dirk Wingender einen tatkräftigen Vertriebsleiter, der im August vom Aufsichtsrat in den Vorstand berufen wurde. Dirk Wingender bringt umfassende Erfahrung aus Direktvertrieb und Handel mit.
Wir haben uns entschlossen, zukünftig mit ausgewählten Händlern den Markt gezielt zu bearbeiten. Für diese Vorgehensweise haben wir das Glass-Stützpunkthandelskonzept entwickelt, nach dem wir besonders qualifizierte Händler ausgewählt haben. Mittlerweile haben wir ein Händlernetz mit rund 30 Stützpunkthändlern aufgebaut.
FT: Was beinhaltet dieses Konzept?
Dirk Wingender: Unser Stützpunkthandelskonzept beinhaltet einen ganz klaren Weg, der dem Handel viele Möglichkeiten bietet. Der Handel kann einen beliebten Direktanbieter in sein Sortiment aufnehmen und so seine Kunden umfassender bedienen. Neben Dämmung, Sand und Zement liefert er seinen Kunden jetzt auch Glass-Produkte auf die Baustelle. Händler, die mit uns zusammenarbeiten, haben in ihrer Region eine gewisse Alleinstellung. Das kommt beim Handel gut an.
FT: Was sind die Gründe für die Einführung des dreistufigen Vertriebs bei Glass?
Glass-Schweizer: Die Marktbedürfnisse und unser Produktportfolio haben sich über die Jahre hinweg so geändert, dass der Vertrieb über qualitative Profihändler sehr sinnvoll ist. Das Direktgeschäft wird Stück für Stück zurückgefahren und mittel- bis langfristig gegen Null gehen.
FT: Wie haben sich die Marktbedürfnisse geändert?
Wingender: Der Markt ist größer geworden. Es gab 2003 rund 1.500 Estrichlegerfirmen. Mittlerweile haben wir über 6.000, darunter sind viele Firmen mit ein oder zwei Kolonnen. Trotz unserer deutschlandweit flächendeckend aufgestellten Außendienstmannschaft fällt es uns schwer, die Fachunternehmer alle zu erreichen. Um sie qualitativ besser bedienen zu können, brauchen wir neue Möglichkeiten und mehr Zeit, um auf den Baustellen präsent zu sein. Durch unsere neue Strategie werden wir durch starke Partner unterstützt, mit denen man die Zielgruppe gemeinsam bearbeiten kann. Wenn wir bei Großhändlern Schulungen durchführen, nehmen 30 bis 50 Verarbeiter teil, die wir sonst nur innerhalb von drei Monaten antreffen würden.
FT: Von der Direktansprache an den Estrichleger zum dreistufigen Vertrieb - das ist eine gänzlich andere strategische Ausrichtung. Wie gehen Sie damit um?
Wingender: Das darf man so extrem gar nicht sehen, die Vorteile liegen auf der Hand: Wir haben jetzt noch mehr Zeit für den Estrichleger selbst. Wir kommunizieren ja nicht über den Handel, sondern der Handel ist quasi unser Partner in der Region, er ist ein Multiplikator für uns. Der Großhandel verfügt ebenfalls über einen qualifizierten Innen- und Außendienst, der ihm zuarbeitet. Der Händler wickelt auch kleinere Bestellungen ab, weil bei Baustellenlieferungen mit Sand, Zement oder Dämmung unsere Produkte mitgeliefert werden. In der Vergangenheit haben wir auch kleine und kurzfristige Anfragen möglich gemacht, die sehr zeitintensiv waren.
FT: Wie reagiert der Großhandel auf Ihre Anfrage für eine mögliche Zusammenarbeit?
Wingender: Es gibt Händler, die sofort begeistert sind und mit uns zusammenarbeiten wollen. Aber die Händler wollen sich absichern, dass nicht nur das "Klein-Klein-Geschäft" über den Handel läuft und die großen Mengen von uns direkt geliefert werden. Das stellen wir durch klare Zusagen und durch den Gebietsschutz in den einzelnen Regionen sicher.
FT: Wird es das Direktgeschäft bei Glass noch geben?
Wingender: Mittel- bis langfristig nicht mehr. Wenn wir Verarbeiter über den Handel bekommen, werden sie zu 100 % über den Handel betreut, egal wie groß das Objekt ist. Das haben wir so kalkuliert. Das kostet uns zunächst Geld, aber es bringt uns Zeit und Manpower für mehr Objekte und eine qualitativ bessere Arbeit.
FT: Wie reagieren die Estrichleger auf die Ankündigung des dreistufigen Vertriebs? Diese Zielgruppe arbeitet ja jetzt schon gerne mit Handelspartnern wie Westerhorstmann und Starzonek zusammen.
Wingender: Genau deshalb bietet es sich an, dass diese Händler unser Sortiment aufnehmen und unsere Kunden bei Bedarf schnell die Glass-Produkte bei den entsprechenden Partnern abholen oder es sich auf die Baustelle liefern lassen können. Das ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Der Stützpunkthandel kann den Kunden bedienen und der Verarbeiter hat für die Lieferung nur einen Ansprechpartner und keine weiteren Frachtkosten.
FT: Welche Händler konnten Sie bereits gewinnen?
Wingender: Beispiele sind Ruilling in Oberhausen, Kircher für den Koblenzer Raum, Hessia und Rüppel für den Bereich Frankfurt, IDV in Langenhagen und Braunschweig. Regional arbeiten wir mit Wego in Hamburg, Kiel und Saarwellingen zusammen, außerdem ebenfalls regional mit Saint-Gobain. Wir können mit diesen starken Partnern leider nicht überregional zusammenarbeiten, weil wir unsere bisherigen Partner schützen wollen. Das sieht unser Stützpunkthandelskonzept so vor. Wir wollen nicht mit der Gießkanne nach draußen gehen.
FT: Was muss einen Händler auszeichnen, damit er für Glass infrage kommt?
Wingender: Der Händler muss über eine sehr gute Logistik verfügen. Er braucht einen Außendienst, der Kunden aktiv angeht. Dazu gehört auch ein Backoffice, das ihm zuarbeitet. Uns ist es wichtig, nachhaltig zu wachsen - das funktioniert nur mit seriösen Partnern. Der Händler muss sich mit der Produktmaterie beschäftigen. Dafür wird er von uns intensiv geschult. Anschließend schulen wir über den Händler auch die Estrichleger. Wenn Händler in der Vergangenheit zu Seminaren eingeladen haben, war die Resonanz häufig gering. Lädt hingegen Glass ein, ist das Ergebnis viel besser. Der Name Glass macht vieles leichter.
FT: Gehen wir mal davon aus, dass Sie mit der Einführung des dreistufigen Vertriebs erfolgreich sind. Können Sie große Absatzsteigerungen kurzfristig bedienen?
Wingender: Die Antwort ist ein ganz klares Ja. Wir haben unsere Produktion erweitert, haben zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, sodass wir zusätzliche Mengen sicherstellen können. Es gibt eine Ausnahme: unsere Leichtestriche. Bei dem Produkt sind wir von Rohstofflieferanten abhängig, und der Rohstoff EPS-Granulat in der benötigten Qualität ist momentan sehr knapp.
Glass-Schweizer: Das betrifft aber nur ein Produkt, alles andere ist unproblematisch. Ansonsten könnten wir auch die dreifache Menge liefern (lacht).
FT: Was bedeutet die neue Vertriebsausrichtung für Glass intern? Werden Sie jetzt stärker zum Dienstleister?
Glass-Schweizer: Ja, wir werden uns mehr um die Belange der Kunden kümmern. Dazu zählen Serviceleistungen wie unsere Garantieurkunde. Wir begleiten einzelne Bauvorhaben und stellen die Betreuung durch unsere Außendienstmitarbeiter sicher. Wir übernehmen bei Bedarf auch die CM-Messung, die Siebanalyse des Sandes, die Estrichprismenherstellung und vieles mehr. Des Weiteren sind wir als professioneller Berater beim Architekten, Planer und Auftraggeber gern gesehen und unterstützen diese bei Ausschreibungen. Das gilt natürlich auch für Problemlösungen auf der Baustelle vor Ort.
FT: Der Estrichmarkt hat sich in den vergangenen Jahren durch den Wegfall des Meisterzwangs gravierend verändert. Steigt dadurch der Beratungs- und Schulungsbedarf?
Glass-Schweizer: Auf jeden Fall. Wir haben schon eine Vielzahl von Schulungen bei unseren Stützpunkthändlern in den einzelnen Vertriebsgebieten durchgeführt. Diese Seminare werden wir weiter ausbauen und somit den Handel, aber auch den Fachunternehmer mit den Themen professionelle Baustellenabwicklung, Sorptionsisotherme, dünnschichtige Estrichsysteme, Sand und Zement fortbilden. Unser Ziel ist es, die Estrichleger zu sensibilisieren. Diese müssen verstärkt auf die Bedingungen vor Ort achten, um Probleme nach der Ausführung von vornherein auszuschließen.
FT: Wofür steht die Marke Glass?
Glass-Schweizer: Unser Logo mit dem Claim "Glass - Partner des Fußbodenprofis" nehmen wir sehr ernst. Wir haben eine Key-Account-Abteilung unter Leitung von Carlo Diliberto eingerichtet, der Statiker, Diplom-Ingenieur und Estrichlegermeister ist. Er kümmert sich speziell um Sonderkonstruktionen, größere Bauvorhaben bis hin zur statischen Berechnung.
FT: Welche personellen Veränderungen gibt es bei Glass? Können Sie unseren Lesern Ihr neues Führungsteam vorstellen?
Glass-Schweizer: Frank Ruschke hat unser Team zum Mai 2013 als Leiter Technik verstärkt. Er ist Parkett- und Bodenleger sowie Estrichlegermeister und zeichnet sich durch seine Erfahrung in der Anwendungstechnik der Bauchemie und im Handwerk aus. Wie bereits erwähnt, ist Dirk Wingender als Vertriebsleiter und Prokurist im Oktober 2013 bei Glass gestartet und im August 2014 von unserem Aufsichtsrat in den Vorstand berufen worden. Dirk Wingender verfügt über eine mehr als 15-jährige Vertriebserfahrung in der Branche. Neben einer handwerklichen Ausbildung bringt er auch ein betriebswirtschaftliches Studium mit. Er hat alle Voraussetzungen, um Glass in eine noch erfolgreichere Zukunft zu führen. Darüber hinaus bauen wir gerade unsere Technik deutschlandweit aus und suchen dazu Verstärkungen. Für das Gebiet Süd-West haben wir im September bereits einen passenden Kandidaten eingestellt.
FT: Wie viele Mitarbeiter hat Glass aktuell?
Glass-Schweizer: Das Team besteht aus 13 Mitarbeitern im Außendienst und 14 Mitarbeitern im Innendienst, verteilt auf zwei Produktionsstandorte. Unsere Mitarbeiter sind teilweise seit Jahrzehnten für Glass im Einsatz. Bestes Beispiel ist unser Außendienstmitarbeiter Heinz Bayerer (74), der Glass seit knapp 40 Jahren lebt. Von ihm sagt man scherzhaft, dass blaues Glass-Blut in seinen Adern fließt.
FT: Auf welche neuen Produkte sind Sie besonders stolz?
Wingender: Besonders stolz sind wir auf Glassdry10, das vom Markt seit der Messe EPF bereits sehr positiv aufgenommen wurde. Wir waren tatsächlich sechs Tage nach der EPF ausverkauft und konnten eine Woche lang nicht liefern. Mit unserem neuen Pulverbeschleuniger haben wir einen Weg vorgegeben, durch den Fehldosierungen ausgeschlossen sind, weil genau ein Beutel pro Mischung eingesetzt wird. Da sich bekanntlich aus Zeitgründen niemand gerne an vorgeschriebene lange Mischzeiten hält, haben wir diese durch die frühe Zugabe des Produktes um die Hälfte reduziert.
FT: Wird es 2014 noch weitere Neuheiten geben?
Wingender: Wir werden in diesem Jahr noch eine neue Verarbeitungshilfe und zwei Beschleuniger auf den Markt bringen. Außerdem haben wir die Rezeptur des Leichtausgleichsestrichs Glasconal Airmix Plus optimiert. Das gilt auch für den Beschleuniger Glascoplast Rapid Neu. Wir haben die ohnehin schon gute Verarbeitbarkeit, die Trocknung und die Festigkeiten weiter optimiert.
Wir werden mit Glascoplast Rapid Plus ein weiteres Produkt vorstellen. Das Produkt wird noch kürzere Belegreifen haben als Glascoplast Rapid Neu. Bei keramischen Belägen 3 CM-%, bei dampfdichten Belägen 2,7 CM-% und bei Parkett 2,5 CM-%. Glacoplast Rapid hat den Vorteil, dass es flexibel dosiert werden kann. Bei einer Maximaldosierung kann eine Belegreife von fünf bis acht Tagen erreicht werden.
FT: Investieren Sie momentan besonders stark in Forschung und Entwicklung?
Glass-Schweizer: Ja, das ist korrekt. Wir haben neues Equipment angeschafft, z.B. eine Estrichpumpe, und stecken eine Menge Zeit in das Thema Neu- und Weiterentwicklung unserer Produkte. Unsere Entwicklungsabteilung wird tatkräftig von unserer Technischen Abteilung unterstützt. Die Ergebnisse können sich sehen lassen.
FT: Welche Produkte produzieren Sie selbst?
Glass-Schweizer: Unser komplettes Flüssigsortiment wird bei uns im Werk Feldkirch hergestellt. Aufgrund fehlender Platzkapazität lassen wir einige Pulverprodukte bei Abfüllern in Säcke verpacken. Die Harze werden bei uns fertig konfektioniert.
FT: Viele Estrichleger schwören auf die Zusammenarbeit mit Glass. Woran liegt das?
Wingender: Die Estrichleger wissen, dass sie sich auf die Glass-Produkte verlassen können. Die Verarbeiter haben ein gutes Gefühl, wenn sie unsere Produkte einbauen, weil ein seriöses Unternehmen dahintersteht. Von uns werden sie kein Versprechen erhalten, dass ein 200 mm dicker Estrich in einem viereckigen Zimmer ohne Fenster nach drei Tagen belegreif ist.
Glass-Schweizer: Wir punkten sicherlich auch mit unserem guten, kompetenten Außendienst-Team. Alle Mitarbeiter kommen aus der Praxis und wissen, wovon sie reden.
FT: Auf der EPF konnte man Estrich-Produkte sehen, die EC1 zertifiziert waren. Ist das aus Ihrer Sicht ein guter Weg?
Wingender: Das wird tatsächlich immer mehr vom Markt gefordert und wird auch stärker kommen. Das ist gut für den Verarbeiter und den Kunden. Wir werden unsere Produkte nach und nach EC1 zertifizieren lassen. Da wir immer schon Wert auf ökologisch einwandfreie Produkte gelegt haben, ist es für uns nur eine externe Bestätigung.
FT: Was sind die Stärken von Glass?
Wingender: Unser Markenzeichen ist seit 54 Jahren "Made in Germany". Jahrzehntelange Erfahrung, die durch nichts zu ersetzen ist. Kompetenz und Vielfalt, so lautete auch unser Messemotto 2014. Das Produktportfolio von Glass ist einzigartig: von dünnschichtigen Estrichsystemem über Beschleuniger und Schnellzemente bis zu hochfesten Systemen, aber auch Spachtelmassen, Leichtausgleichestriche und Harze.
Wir stehen als seriöser Partner zu unseren Estrich-Fachunternehmern, wir geben Sicherheit durch schriftliche Aufbauempfehlungen. Wenn es mal auf der Baustelle ein Problem geben sollte, kommen wir und helfen. Und nicht zu vergessen ist unsere starke Außendienstmannschaft. Sie ist unser Aushängeschild und steht unseren Kunden als auch den Planern immer mit Lösungen zur Seite.
FT: Wo wollen Sie mit Ihrem Unternehmen in fünf bzw. in zehn Jahren stehen?
Glass-Schweizer: Wir werden unser Produktportfolio weiter zum Vollsortimenter und Systemanbieter ausbauen. Zudem werden wir den Export stärker forcieren. Bei allen Plänen legen wir Wert drauf, gesund zu wachsen.
Glass im Überblick
Glass AGGewerbestraße 13
79258 Feldkirch
Tel.: 0 76 33 / 9 58 06-0
Fax: 0 76 33 / 9 58 06-26
Web:
www.glass.agE-Mail: info@glass.ag
Vorstand: Patricia Glass-Schweizer
Vorstand und Vertriebsleiter: Dirk Wingender
Technischer Leiter: Frank Ruschke
Key-Account: Carlo Diliberto
Sortiment: Beschleuniger und Schnellzement, Fasersysteme, Füllstoffe/Zuschläge, Haftbrücken und Spachtelmassen, Hilfsstoffe, Isolier- und Schüttungssysteme, Kunstharzsysteme, Riss- und Fugenverguss, Vergütungsmittel, Nachbehandlung und Zusatzmittel für Estriche
aus
FussbodenTechnik 06/14
(Wirtschaft)